CHRISTentum.ch Ein Portal für das Christentum in der Schweiz |
|||
Bruno Amatruda
Was man loslässt, kann man nicht verlieren - Keiner hat gar nichts - Bättag
Predigt von Vikar Bruno Amatruda in der Matthäus-Kirche am 18.6.2000 Das sanfte, stille Reden Gottes 1. Kön 19, 9 - 16 Und er kam in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe,
das Wort des HERRN kam zu ihm:
I Liebe Gemeinde Der Prophet Elia befindet sich in einer fürchterlichen Notlage. In Isreal tobt ein Glaubens-krieg. Ein Krieg, der schon viele Opfer gefordert hat und an welchem sich Elia auch beteiligt. Seine Feinde sind stark, sie wollen ihn umbringen und er muss flüchten. Dabei kämpft der Prophet um eine gerechte Sache, für seine Religion, ja für die Wahrheit. Das nützt ihm jetzt alles nichts. Er muss nun um sein Leben bangen; er befürchtet, dass sein Kampf umsonst gewesen ist, dass es nicht mehr gut wird. Und irgendwo lauert auch die Angst, dass der Gott, für den er sich einsetzt, ihn fallen lässt. Es fällt auf, dass Gott Elia zweimal dasselbe fragt: "Elia, was tust du da?" Und Elia gibt ihm zweimal dieselbe Antwort: "Ich hab mich eingesetzt für Gott! Ich hab mich für den Herrn engagiert! Doch dieses Volk will nichts mehr von Gott wissen, zerstört Altäre, bringt Propheten um und will auch mir ans Lebendige!" Aus diesen Worten sprechen nicht nur Angst und Wut auf seine Landsleute, die sich von Gott abgewendet haben und dem Propheten nachstellen. Aus diesen Worten sprechen auch Hektik und Verwirrung, sogar ein leiser Vorwurf an Gott schwingt mit. Elia weiss weder ein noch aus, er sieht keinen Ausweg aus dem Chaos, er verschanzt sich in der Höhle. Gott holt ihn aber da raus: er soll aus seiner Höhle heraustreten und Gott werde ihm begeg-nen. Was folgt ist laut und zerstörerisch: Orkan und Erdbeben und Feuer. Doch in keiner dieser Erscheinungen erscheint Gott. Dann aber vernimmt Elia im sanften, stillen Rauschen des Windes, im feinen Sausen die Stimme Gottes, die ihm einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation aufzeigt. Der Prophet Elia erhält seinen persönlichen Auftrag. Er soll zurück, er hat etwas zu erledigen. Die Stimme Gottes war nicht im Orkan, auch nicht im Erdbeben, auch nicht in der Feuersbrunst. Gott ist nicht mit Pauken und Trompeten aufgefahren. Erst im stillen, sanften Wehen hat der Prophet Gott erlebt. II Oft höre ich Menschen sagen: "Ich glaube schon an eine höhere Macht, aber für mein persönliches Leben hat sie keine spezielle Bedeutung." Oder: "Ob es Gott gibt oder nicht, kommt auf dasselbe heraus; man kann ihn ja weder sehen noch spüren!" Oder wieder andere, die meinen: "Ich glaube an Gott, sogar an einen persönlichen...aber ich erlebe ihn nicht, ich spüre nichts von ihm." Nun ist es schon so, dass der Heilige Geist, der göttliche Geist den biblischen Berichten zufolge oft sehr spektakulär erlebt worden ist. An Pfingsten beispielsweise. Allermeistens aber wirkt der Geist Gottes ganz sanft, ganz still, ganz fein. Und deshalb überhört man ihn so leicht. Deshalb meinen wir, ihn nicht zu erleben. Ja, wenn Gott vor allem im Stillen und Ver-borgenen wirkt und schafft, dann ist es nur logisch, dass wir ihn so oft übersehen. Ja, wir überhören Gott nicht nur, wir übertönen ihn sogar oft selber! Nicht wahr, unsere Welt ist tatsächlich sehr laut! In einer Stadt wie der unseren herrscht immer ein gewisser Lärmpegel; sogar in der Nacht ist es selten ganz still. Das merke ich erst, wenn ich in die Berge gehe: Diese Stille ist mir als Stadtmensch dann fast unheimlich, so wenig bin ich sie gewohnt! Aber auch die Welt der Medien ist laut. Wir brauchen dabei nicht einmal unsere Fernseher und Radios aufzudrehen...man wird heute –ob man will oder nicht- dauerberieselt und mit Bildern, Werbung und läutenden Handys im Tram oder Zug geradezu bombardiert. Wo ist es denn heute noch still? Oder andersrum gefragt: Vertragen die Menschen Stille überhaupt? Doch wenn man die Stille nicht erträgt, wie soll man da das stille, sanfte Reden Gottes denn hören? Viele Menschen sagen heute, sie erlebten Gott nicht. Auf der anderen Seite haben wir eine richtige Erlebnis-Gesellschaft. Alles muss ein Erlebnis sein, die Ferien, die Hochzeit, die Freizeit. Es gibt Erlebnis-Gastronomie und Erlebnis-Urlaub. Es gibt Erlebnis-Sportarten, die immer riskanter werden, bei dem der Nervenkitzel immer grösser sein muss. Junge Menschen wollen an ihre Grenzen gehen. Mit dem Resultat, dass man immer wieder schreckliche Nachrichten über tödliche Unfälle beim Bungy-Springen oder beim Canyoning hören muss. Es macht dann traurig, dass dabei Menschen auf so unnötige und sinnlose Art aus ihrem jungen Leben gerissen werden. Vielleicht haben wir genau deshalb eine Erläbnisgesellschaft, weil die Menschen Gott nicht mehr erleben. Es gibt ein Schlagerlied, welches vom Piccolo-Spieler handelt und eine recht philosophische Aussage macht. Die Piccolo-Flöte ist das kleinste und feinste Instrument des Orchesters, und wenn alle zusammen spielen, überhört man sie gern. Aber wenn sie dann nicht spielt, ja dann merkt man erst, dass etwas Wichtiges fehlt. So ist es auch mit dem stillen, sanften Reden Gottes. Wenn wir es vor lauter Krach im Leben nicht mehr vernehmen, dann fehlt etwas ganze Wichtiges. In Situationen, wo es kracht und tobt, in den Stürmen unseres Lebens tendieren wir oft dazu –wie der Prophet Elia auch- vor den Konflikten und Problemen davon zu rennen. Und wie der Prophet Elia haben wir die Ruhe nicht, uns eine Lösung und einen Ausweg zeigen zu lassen. Solange wir unsere Sinne auf die verwirrende Situation richten, sind wir für Gottes Reden noch nicht bereit. Erst wenn wir uns beruhigen, merken wir, dass Gott ja schon lange zu uns spricht. Erst wenn wir in uns gehen, in unsere Höhle gewissermassen, erst wenn es ruhig wird in uns drin, können wir beginnen, wieder Ordnung in unserem Leben zu schaffen, können wir aus der Höhle der Isolation heraus treten und uns an die Arbeit machen. III So soll es nicht nur in unserem Privatleben sein, sondern auch in unserem Zusammenleben als Christen. Der Geist Gottes will auch in der Kirche regieren. Der Geist Gottes, das ist für uns Christen der Geist Christi, der Geist der Liebe. Die Kirche als Organismus kann nur bestehen, wenn sie von diesem göttlichen Geist – vom Geist der Liebe getragen wird (Eph 4, 11-16). Wir sollen auch in der Kirche auf die feinen Zwischentöne hören, wenn wir miteinander reden. Werden wir aufmerksam – auch auf die stillen Menschen, die im Verborgenen viel-leicht ganz unspektakuläre , aber sehr wichtige Arbeit leisten. Jedes Glied hat andere Gaben und Begabungen und deshalb auch ganz unterschiedliche Aufgaben. Aber keines kommt ohne das andere aus. Was wäre die Kirche ohne die vielen Freiwilligen und ehrenamtlichen Mit-arbeiter! Der Geist Gottes wirkt auch in der Kirche still und sanft, so dass man ihn oft gar nicht wahrnimmt. Es ist ähnlich wie beim Garten: da sieht man tage- und wochenlang nichts, aber unter der Oberfläche keimt es und schafft es...bis der ganze Garten schliesslich blüht. So wirkt der Geist Gottes in der Natur, und so wirkt er auch in seiner Kirche. Und wie ein Garten gepflegt und gehegt werden muss, damit er aufblüht und Früchte trägt, so will der auch göttliche Geist gepflegt werden. An Pfingsten ist der Same gestreut, der Geist ausgegossen worden. Je aufmerksamer wir auf diesen stillen, sanften Geist der Liebe werden, je mehr Raum wir dem Wirken dieses sensiblen, feinen und heiligen Geist geben, desto stärker und kräftiger blüht die Kirche auf. Und desto eher können wir die Früchte, die dieser Samen trägt, heute schon geniessen. Amen.
last update: 07.05.2007
|
|||