CHRISTentum.ch
Ein Portal für das Christentum in der Schweiz

Besitz

Expo 2002 (Inschrift in der "Holzkugel", Neuchâtel)
Foto: Stana Vetsch



Ich habe nicht alles, was ich liebe, aber ich liebe alles, was ich habe.
Weisheit



Franz und der Besitz

Der Bischof von Assisi, an den sich Franz von Assisi öfter wandte, um sich beraten zu lassen, nahm ihn stets gütig auf; doch sagte er ihm: "Euer Leben erscheint mir hart, und nichts Irdisches zu besitzen, ist schwer." 
Darauf sprach der Heilige: "Herr, wollten wir etwas besitzen, so müssten wir auch Waffen zu unserer Verteidigung haben. Daher kommen ja die Streitereien und Kämpfe, die so mannigfach die Liebe Gottes und der Mitmenschen hindern. Darum wollen wir nichts Zeitliches in der Welt besitzen."
Die Antwort des Gottesmannes gefiel dem Bischof sehr. Tatsächlich verachtete dieser alles Vergängliche, und vor allem das Geld, in einem Masse, dass er in allen Regeln besonders die Armut betonte und den Brüdern vor allem ans Herz legte, sich nicht mit Geld zu befassen ... 
So sprach er in einer dieser Regeln zur Missachtung des Geldes: "Geben wir acht, die wir alles verlassen haben, dass wir nicht um solchen geringen Wertes willen das Himmelreich verlieren! Wenn wir irgendwo Geld finden, so wollen wir uns nicht mehr darum kümmern als um Staub, den wir mit Füssen treten."

Als Herr Bernardo, der erste Bruder der Franz folgte, seine Güter unter die Armen verteilte, war der selige Franz dabei und sah dem machtvollen Wirken Gottes zu, indem er in seinem Herzen den Herrn mit Lobpreisungen verherrlichte. 
Da kam ein Priester namens Silvestro, von dem der selige Franz die Steine für die Wiederherstellung der Kirche San Damiano erstanden hatte. Als dieser sah, wie alles Geld nach dem Rat des Gottesmannes verausgabt wurde, ergriff ihn die Flamme der Begierde, und er sprach zum Heiligen: "Franz, du hast mich für die Steine, die du mir abgekauft hast, nicht gut bezahlt!" Wie der Verächter der Habsucht die ungerechte Klage hörte, trat er zu Herrn Bernardo, griff mit der Hand in dessen Mantel, in dem dieser das Geld trug, und zog voll Eifersglut eine ganze Hand voll Geld heraus und gab es dem unzufriedenen Priester. Und noch ein zweites Mal füllte er die Hand und sagte: "Habt Ihr jetzt die ganze Zahlung, hochwürdiger Herr?" Der erwiderte: "Ja, Bruder, alles." 
Und sehr zufrieden zog jener mit dem erhaltenen Geld nach Hause. Nach einigen Tagen aber kam die Erleuchtung des Herrn über den Priester; und er begann über das, was der selige Franz getan hatte, nachzudenken. "Bin ich nicht ein armseliger Mensch", sprach er zu sich selber, "da ich bei meinen Jahren so auf Zeitliches versessen bin, während dieser junge Mann durch die Liebe zu Gott dazu gekommen ist, es zu verachten und zu verschmähen?" 
In der folgenden Nacht sah er im Traume ein ungeheuer grosses Kreuz, dessen Spitze bis zum Himmel ragte; es ging aus dem Munde des heiligen Franz hervor, und die Seitenarme reichten von einem Ende der Welt zum andern. Bei seinem Erwachen erkannte der Priester und war völlig überzeugt, dass Franz ein wahrer Freund und Knecht Gottes sei und dass die Vereinigung, die er zu gründen im Begriffe war, sich rasch über die Welt hin verbreiten werde. Das war für ihn der Anfang der Wendung zur Gottesfurcht, und er begann zunächst bei sich zu Hause mit einem neuen Leben. Schliesslich aber - es verging nicht lange Zeit darüber - trat er in den bereits bestehenden Orden ein, führte darin ein musterhaftes Leben und beschloss es in herrlicher Gnade.


last update: 18.09.2015