CHRISTentum.ch
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Matthias Claudius

Kostproben

Es gibt Freundschaften, die im Himmel beschloßen sind und auf Erden vollzogen werden.

Lerne gerne von anderen, und wo von Weisheit, Menschenglück, Licht, Freiheit, Tugend etc. geredet wird, da höre fleißig zu.

Gold und Silber habe ich nicht; was ich aber habe, gebe ich dir.

Niemand ist weise von Mutterleibe an; Zeit und Erfahrung lehren hier, und fegen die Tenne.

Es ist nicht alles Gold, was glänzet, und ich habe manchen Stern vom Himmel fallen und manchen Stab, auf den man sich verließ, brechen sehen.

Es ist nichts groß, was nicht gut ist, und nichts ist wahr, was nicht bestehet.

Der Mensch ist hier nicht zu Hause, und er geht hier nicht von ungefähr in dem schlechten Rock umher. Denn siehe nur, alle andren Dinge hier, mit und neben ihm, sind und gehen dahin, ohne es zu wissen; der Mensch ist sich bewußt ...

Spare dir denn vergebliche Mühe, und tue dir kein Leid, und besinne dich dein.

Halte dich zu gut, Böses zu tun.

Hänge dein Herz an kein vergänglich Ding.

Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, sondern wir müßen uns nach ihr richten.

Was du sehen kannst, das siehe, und brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort.

Bleibe der Religion deiner Väter getreu und hasse die theologischen Kannengiesser.

Scheue niemand so viel als dich selbst. Inwendig in uns wohnet der Richter, der nicht trügt, und an dessen Stimme uns mehr gelegen ist als an dem Beifall der ganzen Welt und der Weisheit der Griechen und Ägypter. Nimm es dir vor, nicht wider seine Stimme zu tun; und was du sinnest und vorhast, schlage zuvor an deine Stirne und frage ihn um Rat ...

Traue nicht flugs und allerdings, denn die Wolken haben nicht alle Wasser, und es gibt mancherlei Weise.

Man hat darum die Sache nicht, daß man davon reden kann und davon redet. Worte sind nur Worte, und wo sie gar leicht und behende dahinfahren, da sei auf deiner Hut, denn die Pferde, die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsameren Schrittes.

Wenn dich jemand will Weisheit lehren, da siehe in sein Angesicht. Dünket er sich noch, und er sei noch so gelehrt und noch so berühmt, laß ihn und gehe seiner Kundschaft müßig. Was einer nicht hat, das kann er auch nicht geben.

Der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll.

Der ist nicht weise, der sich dünket, daß er wisse; sondern der ist weise, der seiner Unwissenheit inne geworden und durch die Sache des Dünkels genesen ist...

Wenn es dir um Weisheit zu tun ist, so suche sie und nicht das Deine, und brich deinen Willen, und erwarte geduldig die Folgen.

Denke oft an heilige Dinge, und sei gewiß, daß es nicht ohne Vorteil für dich abgehe und der Sauerteig den ganzen Teig durchsäuere.

Verachte keine Religion, denn sie ist dem Geiste gemeint, und du weisst nicht, was unter unansehnlichen Bildern verborgen sein könne.

Es ist leicht zu verachten; und verstehen ist viel besser.

Lehre nicht andere, bis du selber gelehrt bist.

Nimm dich der Wahrheit an, wenn du kannst, und laß dich gerne ihretwegen hassen; doch wisse, daß deine Sache nicht die Sache der Wahrheit ist, und hüte, daß sie nicht ineinander fließen, sonst hast du deinen Lohn dahin.

Tue das Gute vor dich hin, und bekümmre dich nicht, was daraus werden wird.

Wolle nur einerlei, und das wolle von Herzen.

Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre.

Mische dich nicht in fremde Dinge, aber die Deinigen tue mit Fleiß.

Schmeichle niemand, und laß dir nicht schmeicheln.

Wolle nicht immer großmütig sein, aber gerecht sei immer.

Mache niemand graue Haare, doch wenn du Recht tust, hast du um die Haare nicht zu sorgen.

Mißtraue der Gestikulation, und gebärde dich schlecht und recht.

Hilf und gib gerne, wenn du hast, und dünke dir darum nicht mehr; und wenn du nicht hast, so habe den Trunk kalten Wassers zur Hand, und dünke dir darum nicht weniger.

Tue keinem Mädchen Leides, und denke, daß deine Mutter auch ein Mädchen gewesen ist.

Hänge dich an keinen Großen.

Sitze nicht, wo die Spötter sitzen, denn sie sind die elendesten unter allen Kreaturen.

Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte, und gehe ihnen nach.

Ein Mensch, der wahre Gottesfurcht im Herzen hat, ist wie die Sonne, die da scheinet und wärmt, wenn sie auch nicht redet.

Tue, was des Lohnes wert ist, und begehre keinen.

Wenn du Not hast, klage sie dir und keinem andern.

Habe immer etwas Gutes im Sinn.

Sinne täglich nach über Tod und Leben, ob du es finden möchtest, und habe einen freudigen Mut.

Gehe nicht aus der Welt, ohne deine Liebe und Ehrfurcht für den Stifter des Christentums durch irgend etwas öffentlich bezeugt zu haben.

Erwarte nichts vom Treiben und den Treibern; und wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbass.

Sage nicht alles, was du weisst, aber wisse immer, was du sagst.


Der Mond ist aufgegangen

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.
So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn.

So legt euch denn, ihr Brüder,
in Gottes Namen nieder;
kalt ist der Abendhauch.
Verschon uns, Gott, mit Strafen
und lass uns ruhig schlafen
und unsern kranken Nachbarn auch.

Gesangbuch der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz (599,3.7)


Täglich zu singen

Ich danke Gott, und freue mich
Wie’s Kind zur Weihnachtsgabe,
Daß ich bin, bin!
Und daß ich dich,
Schön menschlich Antlitz! habe.

Gott gebe mir nur jeden Tag,
Soviel ich darf zum Leben.
Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach;
Wie sollt er’s mir nicht geben!



Der Tod und das Mädchen

Das Mädchen:
Vorüber, ach vorüber!
Geh, wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh, Lieber,
und rühre mich nicht an!

Der Tod:
Gib deine Hand, du zart und schön Gebild!
Bin Freund und komme nicht zu strafen.
Sei gutes Muts! Ich bin nicht wild,
sollst sanft in meinen Armen
schlafen!



BOTE ZWISCHEN DIESSEITS UND JENSEITS

"Claudius, Matthias, geboren 1740 in Reinfeld bei Lübeck (Schleswig-Holstein), gestorben 1815 in Hamburg. Ev. Theologe, Jurist, Bankrevisor, Schriftsteller, Herausgeber, Dichter, Texte der Lieder 540, 599, 749." Mit diesen Worten ist Matthias Claudius im Liederdichterverzeichnis des Gesangbuches der Evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz vermerkt. In seiner früheren Ausgabe war Claudius mit gar nur einem Lied, aber einem sehr berühmten und beliebten, vertreten: "Der Mond ist aufgegangen..." Wer war Matthias Claudius?

Beschreibungen von Leben und Werk des Matthias Claudius beginnen meistens mit Zitaten, welche darlegen, wie ihn Zeitgenossen und andere gesehen haben. Goethe etwa bezeichnete ihn als "Fussboten, der gerne Evangelist geworden wäre", oder als "Narr, der voller Einfaltsprätensionen steckt". Humboldt liess Schiller wissen, "von Claudius wisse er durchaus nichts zu sagen, er sey eine völlige Null". Noch 1970 schrieb ein theologischer Autor, Claudius propagiere einen jeglicher Kreuzestheologie baren Heilsegoismus, rede der Leistungsfrömmigkeit das Wort, halte eine Harmonie von Glauben und Vernunft für möglich und blende alles Tragische aus (Helmut Burgert). Demgegenüber nannte ihn sein Zeitgenosse Lavater ein "Genie des Herzens", für Friedrich Jacobi war er ein wahrer "Bote Gottes", Eichendorff sprach von ihm als dem "wackeren Wandsbecker Boten, der zwischen Diesseits und Jenseits unermüdlich auf- und abgeht und von allem, was er dort erfahren, mit schlichten und treuen Worten fröhliche Botschaft bringt", und Hermann Hesse charakterisierte ihn als "fromm in tiefster Seele, mit einer gegen das Alter wachsenden Neigung zu einer herzlichen, doch engen Pietisterei, in den Wissenschaften nicht unbewandert, voll Bedürfnis nach beständigem Umgang mit Büchern, mit Kunst, mit geistigen Menschen. Und aus den beiden auseinanderstrebenden Elementen dieser beweglichen Seele, aus dem Streit zwischen Schönheitssinn und Grobfädigkeit, zwischen Bildungsdrang und Naturburschentum, zwischen Lehrhaftigkeit und Poesie entstand ein typisch deutscher Humor."
Die Zitate zeigen die Widersprüchlichkeit der Meinungen über diesen hervorragenden Geist, der in der Geschliffenheit und Gelehrsamkeit seiner Zeit geradezu als Unikum dastehen musste. Solche Widersprüchlichkeit der Beurteilung hat ihren Grund vielleicht in seinem besonderen Wesen, in "den beiden auseinanderstrebenden Elementen dieser beweglichen Seele", wie Hesse es trefflich bemerkte.

Claudius selber beschrieb seine Person und sein Werk in einem "Valet" an seine Leser mit aller Bescheidenheit: "Ich bin kein Gelehrter und habe mich nie für etwas ausgegeben; und ich habe als einfältiger Bote nichts Grosses bringen wollen, sondern nur etwas Kleines, das den Gelehrten zu wenig und zu geringe ist. Das aber habe ich nach meinem besten Gewissen gebracht; und ich sage in allen Treuen, dass ich nichts Besseres bringen konnte." Matthias Claudius schrieb das als Herausgeber des Wandsbecker Boten. Er hatte es nicht nötig, sich für mehr auszugeben, als er war, denn er wusste darum, dass alles  Grosse im Kleinen beschlossen liegt, und er durfte auf die Wirksamkeit seiner unmittelbaren und einprägsamen Sprache sowie auf die Klarheit seiner Gedanken, welche der Erfahrung entsprangen, vertrauen.

Der Pfarrerssohn erblickte das Licht der Welt am 15. August 1740 in Reinfeld in Holstein. Er besuchte die Lateinschule in der kleinen Stadt Plön und studierte in Jena Theologie und Staatswissenschaften. Dort war er Mitglied der "Teutschen Gesellschaft", die sich mit Sprache und Literatur beschäftigte. Angeregt durch Vorbilder, veröffentlichte er bereits als Neunzehnjähriger "Tändeleien und Erzählungen". Nach Beendigung seines Studiums kehrte er für ein Jahr ins elterliche Pfarrhaus zurück. Im Jahre 1764 nahm er eine Sekretärsstelle in Kopenhagen an, wo er sich mit dem von ihm bewunderten Klopstock befreundete. Es hielt Claudius aber nicht lange in der geschäftigen Grossstadt; nach anderthalb Jahren schon suchte er nochmals sein Vaterhaus auf, bevor er als Achtundzwanzigjähriger endlich den Posten eines schlechtbezahlten Redaktors bei den "Hamburger Adress-Comptoir-Nachrichten" antrat. Er schrieb Gedichte und fingierte Briefe, Glossen und Betrachtungen, Rezensionen und Kritiken, Anektoten und Satiren, Polemiken, Parabeln, und er wurde in dieser Zeit in Hamburg mit Lessing bekannt.
1771 wurde Matthias Claudius als Leiter der viermal wöchentlich erscheinenden Zeitung "Wandsbecker Boten" berufen. Er zog also nach Wandsbeck, damals ein dänisches Dorf, eine Fussstunde von Hamburg entfernt. Seine Aufgabe versah er - wie hätte es anders sein können! - in sehr eigenwilliger und subjektiver Art, in dem er über alles und jedes, Gott und die Welt schrieb. Aber er war erfolgreich: Nach viereinhalb Jahren Leitung des "Wandsbecker Boten" konnte er es ab 1775 als einer der ersten wagen, als freier Schriftsteller zu leben.
In Wandsbeck fand Matthias Claudius seine Frau Rebekka, die Tochter eines Tischlermeisters. Trotz ständiger Geldknappheit lebte er mit ihr und zwölf Kindern fröhlich und zufrieden, wie seine Briefe und Gedichte bezeugen. Wie glücklich die Verbindung war, lässt das Gedicht "An Frau Rebekka" erahnen, das Claudius am Tag der silbernen Hochzeit vom 15. März 1797 schrieb und das so beginnt:

"Ich habe dich geliebet und will dich lieben,
So lang du goldener Engel bist,
In diesem wüsten Lande hier, und drüben,
Im Lande wo es besser ist."

In den 37 Jahren als freier Schriftsteller gab Claudius seine Werke in Form einer Zeitschrift heraus, deren acht Teile in sieben Bänden erschienen sind, und zwar unter dem Titel "Asmus omnia sua secum portans oder Sämtliche Werke des Wandsbecker Boten". Drei Jahre später, am 21. Januar 1815, ist Matthias Claudius in Hamburg als betagter Mann gestorben.

Das ganze, langfädige Werk von Matthias Claudius werden wohl nur wenige Literaturwissenschaftler lesen. Es ist bei Winkler in München aufgrund von Erstausgaben und mit allen Illustrationen des "Asmus" sorgfältig ediert. Aber seine zahlreichen Perlen bleiben unvergessen. Ich denke an Lebensweisheiten aus seinem ergreifenden Brief "An meinen Sohn Johannes" aus dem Jahr 1799. Oder an den berühmten Sechszeiler:

"Der Mensch lebt und bestehet
nur eine kurze Zeit
und alle Welt vergehet
mit ihrer Herrlichkeit.
Es ist nur Einer ewig und an allen Enden
und wir in seinen Händen."

Jakob Vetsch, in: Kirchenbote Kanton St. Gallen 1990/10


Matthias Claudius, 1799
AN MEINEN SOHN JOHANNES

Gold und Silber habe ich nicht;
was ich aber habe, gebe ich dir.
(vgl. Apostelgeschichte 3,6a)

Lieber Johannes!

Die Zeit kommt allgemach heran, dass ich den Weg gehen muss, den man nicht wieder kommt. Ich kann dich nicht mitnehmen; und lasse dich in einer Welt zurück, wo guter Rat nicht überflüssig ist.
Niemand ist weise von Mutterleibe an; Zeit und Erfahrung lehren hier, und fegen die Tenne.
Ich habe die Welt länger gesehen als du.
Es ist nicht alles Gold, lieber Sohn, was glänzet, und ich habe manchen Stern vom Himmel fallen und manchen Stab, auf den man sich verliess, brechen sehen.
Darum will ich dir einigen Rat geben und dir sagen, was ich gefunden habe, und was die Zeit mich gelehret hat.

Es ist nichts gross, was nicht gut ist und ist nichts wahr, was nicht bestehet.
Der Mensch ist hier nicht zu Hause, und er geht hier nicht von ungefähr in dem schlechten Rock umher. Denn siehe nur, alle andren Dinge hier, mit und neben ihm, sind und gehen dahin, ohne es zu wissen; der Mensch ist sich bewusst ...
Und es ist nicht für ihn gleichgültig, ob er rechts oder links gehe.
Lass dir nichts weismachen, dass er sich raten könne und selbst seinen Weg wisse.
Diese Welt ist für ihn zu wenig, und die unsichtbare siehet er nicht und kennet sie nicht.
Spare dir denn vergebliche Mühe, und tue dir kein Leid, und besinne dich dein.
Halte dich zu gut, Böses zu tun.
Hänge dein Herz an kein vergänglich Ding.
Die Wahrheit richtet sich nicht nach uns, lieber Sohn, sondern wir müssen uns nach ihr richten.
Was du sehen kannst, das siehe, und brauche deine Augen, und über das Unsichtbare und Ewige halte dich an Gottes Wort.
Bleibe der Religion deiner Väter getreu, und hasse die theologischen Kannengiesser.
Scheue niemand so viel als dich selbst. Inwendig in uns wohnet der Richter, der nicht trügt, und an dessen Stimme uns mehr gelegen ist als an dem Beifall der ganzen Welt und der Weisheit der Griechen und Ägypter. Nimm es dir vor, Sohn, nicht wider seine Stimme zu tun; und was du sinnest und vorhast, schlage zuvor an deine Stirne und frage ihn um Rat ...
Lerne gerne von andern, und wo von Weisheit, Menschenglück, Licht, Freiheit und Tugend etc. geredet wird, da höre fleissig zu. Doch traue nicht flugs und allerdings, denn die Wolken haben nicht alle Wasser, und es gibt mancherlei Weise. Sie meinen auch, dass sie die Sache hätten, wenn sie davon reden können und davon reden. Das ist aber nicht, Sohn. Man hat darum die Sache nicht, dass man davon reden kann und davon redet. Worte sind nur Worte, und wo sie so gar leicht und behende dahinfahren; da sei auf deiner Hut, denn die Pferde, die den Wagen mit Gütern hinter sich haben, gehen langsameren Schrittes.
Erwarte nichts vom Treiben und den Treibern; und wo Geräusch auf der Gassen ist, da gehe fürbass.
Wenn dich jemand will Weisheit lehren, da siehe in sein Angesicht. Dünket er sich noch; und sei er noch so gelehrt und noch so berühmt, lass ihn und gehe seiner Kundschaft müssig. Was einer nicht hat, das kann er auch nicht geben. Und der ist nicht frei, der da will tun können, was er will, sondern der ist frei, der da wollen kann, was er tun soll. Und der ist nicht weise, der sich dünket, dass er wisse; sondern der ist weise, der seiner Unwissenheit inne geworden und durch die Sache des Dünkels genesen ist ...
Wenn es dir um Weisheit zu tun ist, so suche sie und nicht das Deine, und brich deinen Willen, und erwarte geduldig die Folgen.
Denke oft an heilige Dinge, und sei gewiss, dass es nicht ohne Vorteil für dich abgehe und der Sauerteig den ganzen Teig durchsäuere.
Verachte keine Religion, denn sie ist dem Geist gemeint, und du weißt nicht, was unter unansehnlichen Bildern verborgen sein könne.
Es ist leicht zu verachten, Sohn; und verstehen ist viel besser.
Lehre nicht andre, bis du selbst gelehrt bist.
Nimm dich der Wahrheit an, wenn du kannst, und lass dich gerne ihretwegen hassen; doch wisse, dass deine Sache nicht die Sache der Wahrheit ist, und hüte, dass sie nicht ineinander fliessen, sonst hast du deinen Lohn dahin.
Tue das Gute vor dich hin, und bekümmre dich nicht, was daraus werden wird.
Wolle nur einerlei, und das wolle von Herzen.

Sorge für deinen Leib, doch nicht so, als wenn er deine Seele wäre.
Gehorche der Obrigkeit, und lass die andern über sie streiten.
Sei rechtschaffen gegen jedermann, doch vertraue dich schwerlich.
Mische dich nicht in fremde Dinge, aber die deinigen tue mit Fleiss.
Schmeichle niemand, und lass dir nicht schmeicheln.
Ehre einen jeden nach seinem Stande, und lass ihn sich schämen, wenn er’s nicht verdient.
Werde niemand nichts schuldig; doch sei zuvorkommend, als ob sie alle deine Gläubiger wären.
Wolle nicht immer grossmütig sein, aber gerecht sei immer.
Mache niemand graue Haare, doch wenn du Recht tust, hast du um die Haare nicht zu sorgen.
Misstraue der Gestikulation, und gebärde dich schlecht und recht.
Hilf und gib gerne, wenn du hast, und dünke dir darum nicht mehr; und wenn du nicht hast, so habe den Trunk kalten Wassers zur Hand, und dünke dir darum nicht weniger.
Tue keinem Mädchen Leides, und denke, dass deine Mutter auch ein Mädchen gewesen ist.
Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst.
Hänge dich an keinen Grossen.
Sitze nicht, wo die Spötter sitzen, denn sie sind die elendesten unter allen Kreaturen.
Nicht die frömmelnden, aber die frommen Menschen achte, und gehe ihnen nach. Ein Mensch, der wahre Gottesfurcht im Herzen hat, ist wie die Sonne, die da scheinet und wärmt, wenn sie auch nicht redet.
Tue, was des Lohnes wert ist, und begehre keinen.
Wenn du Not hast, so klage sie dir und keinem andern.
Habe immer etwas Gutes im Sinn.

Wenn ich gestorben bin, so drücke mir die Augen zu, und beweine mich nicht.
Stehe deiner Mutter bei, und ehre sie, so lange sie lebt, und begrabe sie neben mir.
Und sinne täglich nach über Tod und Leben, ob du es finden möchtest, und habe einen freudigen Mut; und gehe nicht aus der Welt, ohne deine Liebe und Ehrfurcht für den Stifter des Christentums durch irgend etwas öffentlich bezeugt zu haben.

Dein treuer Vater



last update: 03.05.2015