Engel
Der weinende Engel, Krypta der
Stiftskirche zu Fischbeck
an der Weser
Literatur-Tipp:
Jacqueline Sonego Mettner, Jedes Kind hat einen Engel,
Ein Inspirationsbuch für Eltern, Herder, 2004
Predigt:
Engel und Wir, 4.
Advent, 21. Dezember 2008
in der St. Anna-Kirche Zürich
Wir sind alle Engel mit einem Flügel. Wenn wir
fliegen wollen,
müssen wir uns umarmen.
Eintrag von unbekannter Hand im
Gästebuch einer
Kirche in Deutschland (Nach Luciano de Crescenzo: "Jeder Mensch ist ein
Engel mit nur einem Flügel, und wir können nur fliegen, wenn
wir uns umarmen.")
Glasengel - Foto: Stana
Vetsch, 15. Dezember 2008
In Filmen, in der Poesie und in der Sehnsucht nach
Transzendenz tauchen
sie scharenweise wieder auf, und das, obwohl sie totgesagt worden
waren:
die Engel. Schriftsteller und Prominente bezeugen, dass sie an ihren
Schutzengel
glauben. Engel haben manchmal Menschengestalt, kühlen die
fieberheisse
Stirn, sprechen leise, sagen "Nein", helfen der blinden Frau
über
die Strasse und hören höchst erstaunt: "Sie sind ein
Engel!"
Ursprünglich sah man in ihnen Boten Gottes, Mittler zwischen
Himmel
und Erde. Gute und gefallene Engel wurden unterschieden. Zumeist waren
sie flügellos, erschienen als Jünglinge wie am Grab
Jesu, verkündigten
die Geburt Jesu wie Gabriel und deuteten das Handeln Gottes auf Erden.
Unter antikem Einfluss und in der Wirkung der Berufungsvision des
Jesaja,
bei der Cherubim und Seraphim Gottes Thron umschweben, erhalten sie
Flügel.
So werden sie zur "schnellen Eingreiftruppe" Gottes.
Engel - gibt es sie? Der Engelforscher Claus Westermann sagt dazu:
"So kann man nicht fragen. - Schickt Gott Boten zu uns auf die Erde?
Ja,
das bezeugen die, zu denen sie kamen, durch die ganze Bibel hindurch."
Immer kommen und gehen sie unerwartet, sprechen, mahnen,
trösten und
gehen spurlos davon. Am 29. September ist alljährlich
Gelegenheit,
das nachzuempfinden. Seit je feiern die christlichen Kirchen an diesem
Tag den "Tag des Erzengels Michael und aller Engel". Michael,
wörtlich
übersetzt heisst das "Wer ist wie Gott", freier
übersetzt könnte
man sagen "Zu Gott gibt es keine Alternative". Michael ist besonders
bekannt
als Drachentöter. Er erinnert daran, dass die gesteigerte
Liebe Gottes
einen gesteigerten Hass hervorbringt. Höchst aktuell heute,
wenn man
den Satz von Helmut Thielicke im Blick auf das mörderische
Kriegsgeschehen
auf dem Balkan bedenkt: "Wir haben im Dritten Reich den
Dämonen in
die Augen geblickt." Schwert und Spiess des Michael enden zumeist in
einem
Kreuz - der Waffe Gottes im Kampf gegen das Böse im Menschen
und in
der Welt. Michael bändigt und tötet den Drachen. Der
Kampf um
die Welt ist schon im Sinne Gottes entschieden. Die genialste Deutung
des
Erzengels stammt von Martin Luther: St. Michael ist eine "Larve"
für
Christus. Er ist Sieger von Ostern, der die Vollendung der Welt schon
ins
Werk gesetzt hat. So ist jeder Michaelistag eigentlich ein Christustag.
Christi Sieg über die Sünde, das Böse und
den Tod zu bezeugen,
das ist die Chance und der Auftrag dieses Tages.
Helge Adolphsen
Der Engel des Herrn stürze
sie! (Psalm 35,6)
Ein Bild aus dem Stuttgarter
Psalter
Wussten Sie, dass nach altkirchlicher Tradition am
Beginn des Herbstes
der Michaelstag gefeiert wird, der Festtag des Erzengels. Er
symbolisiert
die guten Mächte, von denen wir geborgen sind, besonders
jetzt, wenn
sich Licht und Leben zurückzuziehen scheinen; sozusagen, wie
der Wächter
und Begleiter für die Tage an der Pforte zur
Dunkelheit.
Warum Engel fliegen können
"Warum können Engel fliegen?" fragt der
englische Katholik Gilbert
Keith Chesterton (1874-1936) in einer seiner Erzählungen von
Pater
Brown. Der Autor hatte in seinem Leben mit vielen Glaubensfragen zu
ringen
und manche Anfeindungen zu überstehen. Den kleinen, zarten
Pater Brown
erfand er, um - über den Umweg von Kriminalgeschichten -
Menschen
zur Vernunft einzuladen und auf leichtere Weise über den
Glauben nachdenken
und erzählen zu können.
"Warum können Engel fliegen?" hat er einmal gefragt und sich
die
Antwort gleich dazugeliefert. Sie besteht nur aus fünf Worten:
Warum
können Engel fliegen? Weil sie sich leicht nehmen. Eine
wunderschöne
Antwort, denke ich, welche die ganze Welt des christlichen Glaubens
zusammenfasst.
Eines der schönsten Sinnbilder von
der
Fürsorge Gottes ist
der "Abendsegen" aus der Oper "Hänsel und Gretel" von
Engelbert Humperdinck
(1893):
Abends will ich schlafen gehn,
vierzehn Engel um mich stehn:
zwei zu meinen Häupten,
zwei zu meinen Füssen,
zwei zu meiner Rechten,
zwei zu meiner Linken,
zweie, die mich decken,
zweie, die mich wecken,
zweie, die mich weisen
zu Himmels Paradeisen!
Dein Licht
Der Engel in dir freut sich über
dein Licht
weint über deine Finsternis
Aus seinen Flügeln rauschen Liebesworte, Gedichte,
Liebkosungen
Er bewacht deinen Weg
Lenk deinen Schritt engelwärts
Rose Ausländer
Der linke und der rechte Flügel
Es war einmal ein kleiner Engel im Himmel, der den
unwiderstehlichen
Wunsch empfand, sich mit seinen Flügeln nicht nur
schützend über
die Menschen zu stellen. Er wollte selber auf ihren Strassen und Wegen
gehen: einer von ihnen werden. Und eines Tages erblickte er eine eben
erblühte
Mohnblume. Da schien es dem jungen Engel, als habe er im Himmel noch
nie
ein solches Rot gesehen. Seine Sehnsucht, den feurigen Mohn aus
nächster
Nähe zu betrachten, wuchs mit jedem Tag. So trat er vor die
Augen
Gottes und bat: "Lass mich bitte auf die Erde; lass mich doch ein
Mensch
unter Menschen werden!" Sogleich trat ein weiser Engel hinzu und
entgegnete:
"Du weißt doch, dass es auf der Erde nicht nur Sonne und
Blumen gibt.
Es hat auch Stürme und Unwetter und allerhand
Ungemütliches."
"Ja", erwiderte der kleine Engel, "das weiss ich. Doch sah ich auch
einen
Menschen, der hatte die Kraft, einen grossen Schirm auszuspannen, so
dass
darunter zwei Platz fanden. Und es schien mir, den beiden
könne kein
Unwetter etwas antun." Da lächelte Gott dem kleinen
Besserwisser zu.
Die Zeit verging, und eines Tages erschien das junge Wesen erneut vor
dem
Thron Gottes: "Ich habe mir noch mehr von der Erde angesehen. Es
drängt
mich mehr und mehr hinunter." Wieder trat der erhabene Engel vor und
belehrte:
"Weisst du auch, dass es Nebel und Fröste gibt und eine Unzahl
verschiedener
Arten von Glatteis auf der Erde? "Ja sicher", meinte der kleine Engel,
"ich weiss um die Gefahren. Doch ich sah auch Menschen, die teilten
ihre
warmen Mäntel, und andere, die gingen bei Glatteis Arm in
Arm." Erneut
lächelte Gott dem himmlischen Erdenträumer zu. Als
dann wieder
einige Jahre verstrichen waren, trat der kleine Engel zum dritten Mal
in
die Gegenwart Gottes und flehte: "Bitte, lass mich ein Mensch werden.
Der
Mohn blüht dort unten so unbeschreiblich rot. Mein Herz ist
voller
Sehnsucht nach diesem Feuer!" Schon wieder trat der erhabene
Schutzengel
dazwischen."Weisst du denn nicht, wie schnell diese Art von Blumen
welkt,
dass sie zerbrechlich und verwundbar sind?" "Bestimmt, und ich weiss
auch
um die Sterblichkeit. Trotzdem gibt es kein roteres Rot in der Welt und
in meinem Herzen. Es lässt mir keine Ruhe mehr." Nun entsprach
Gott
dem Wunsch des unruhigen Geistes. Doch gemäss alter Tradition
musste
dieser einen seiner beiden Flügel an der Himmelspforte
abgeben.
Und so kam es, dass der kleine Engel auf der Erde die Suche nach seinem
feurigen Mohnfeld etwas schwerfällig und mit Linksdrall
begann. Der
Weg führte ihn durch die weite Welt. Ständig wurde er
aufgehalten;
die Erde schien auf einmal nur noch aus Stürmen und
Ungemütlichem
zu bestehen. Je verzweifelter er suchte, um so mehr
Unverständnis
und Ablehnung fand er vor. Niemand wollte mit dem unerfahrenen Engel
gemeinsame
Sache machen; keiner spannte für ihn einen grossen Schirm auf,
und
einen wärmenden Mantel bekam er schon gar nicht. Waren etwa
das flammende
Rot der Mohnblume und all die guten Menschen auf der Erde bloss eine
optische
Täuschung aus dem Jenseits gewesen? Doch das Verlangen war
stärker
als der Zweifel. Obwohl es aussichtslos schien, blieb er seiner Suche
entschlossen
treu. So gelangte er eines Tages müde an den Rand eines
Abgrundes.
In der Ferne entdeckte er, jenseits eines gewaltigen Flusses, sein
ersehntes
Mohnfeld. Ein derart festliches Rot hatte er nun wirklich noch nie
gesehen!
Er meinte, das Blut von Mutter Erde vor sich zu haben. Der alt
gewordene
kleine Engel weinte vor Freude und Trauer zugleich. Denn er musste
einsehen,
dass er diesen Graben ohne fremde Hilfe niemals würde
überqueren
können. Während er vor sich hintrauerte, gesellte
sich ein Wanderer
zu ihm, und gemeinsam bestaunten sie den unbeschreiblich
glühenden
Horizont. Gezeichnet von den Stürmen des Lebens
überlegte der
Engel: "So müsste denn wohl die Farbe der Liebe sein." "Ja,
aber weisst
du denn nicht, wie schnell diese Art von Blumen welkt, dass sie
verwundbar
und zerbrechlich sind?", hörte der ehemalige Himmelsbewohner
seinen
Begleiter flüstern. Und der Mensch, der einmal ein Engel
gewesen war,
erinnerte sich plötzlich an all das, was er einmal selber im
Angesichte
Gottes behauptet hatte. "Ja, ich weiss um ihre Sterblichkeit. Trotzdem
gibt es kein roteres Rot in der Welt und in meinen Herzen. Diese Blumen
sind wie die Liebe. Mag das Äussere auch verwelken, ihr Rot
bleibt
in meiner Seele." Da blickten sich die beiden Wanderer ins Gesicht. Sie
erkannten den letzten Funken Himmelslicht in den Augen des Anderen. Und
mit einem Schlag wussten sie, woher sie kamen, wozu sie gewandert und
wohin
sie noch unterwegs waren. Sie entdeckten auch, dass jeder von ihnen
bloss
einen Flügel besass. Voller Freude umarmten sie sich. Ein
Wunder geschah:
Gemeinsam konnten sie fliegen, gelangten sogar zum feurigen Mohnfeld
und
noch viel weiter... So sind auch wir Menschen wie Engel mit nur einem
Flügel.
Wenn wir unser Ziel erreichen und fliegen wollen, müssen wir
einander
umarmen.
Zwei reisende Engel ...
Zwei reisende Engel machten Halt, um die Nacht im Hause
einer Familie
zu verbringen. Die Familie war unhöflich und verweigerte den
Engeln
im Gästezimmer des Haupthauses auszuruhen. Statt dessen
bekamen sie
einen Platz im kalten Keller. Als sie sich auf dem harten Boden
ausstreckten,
sah der ältere Engel ein Loch in der Wand und reparierte
es.
Als der jüngere Engel fragte: "Warum?" antwortete der
ältere
Engel:
"Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen."
In der nächsten Nacht rasteten die beiden im Haus eines
einfachen,
aber gastfreundlichen Bauern und seiner Frau. Nachdem sie das wenige
Essen
mit ihnen geteilt hatten, liessen sie die Engel in ihrem Bett schlafen.
Als die Sonne am nächsten Tag den Himmel erklomm, fanden die
Engel
den Bauern und seine Frau in Tränen. Ihre Kuh, deren Milch ihr
Einkommen
gewesen war, lag tot auf dem Feld. Der jüngere Engel wurde
wütend
und fragte den älteren Engel, wie er das habe geschehen lassen
können?
"Der erste Mann hatte alles, trotzdem halfst du ihm", meinte er
anklagend.
"Die zweite Familie hatte wenig, und du liessest die Kuh
sterben."
"Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen", sagte der
ältere Engel. "Als wir im kalten Keller ruhten, bemerkte ich,
dass
Gold in der Wand versteckt war. Weil der Eigentümer so von
Gier besessen
war und sein glückliches Schicksal nicht teilen wollte,
versiegelte
ich die Wand so, dass er es nicht mehr finden konnte. Als wir dann in
der
letzten Nacht im Bett des Bauern schliefen, kam der Engel des Todes, um
seine Frau zu holen. Ich gab ihm die Kuh statt dessen. Die Dinge sind
nicht
immer das, was sie zu sein scheinen."
Mit Vertrauen wirst Du erkennen, dass manch Ergebnis zu deinem Vorteil
ist. Du wirst es bemerken, wenn ein wenig Zeit verstrichen
ist...
Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des Jahres stand: "Gib mir
ein Licht, damit ich sicheren Fusses der Ungewissheit entgegengehen
kann!"
Aber er antwortete: "Geh nur in die Dunkelheit, und lege deine Hand
in die Hand Gottes; das ist besser als ein Licht und sicherer als ein
bekannter
Weg."
Alte Legende
Wo zwanzig Teufel sind, da sind auch hundert Engel.
Martin Luther
Der Mensch ist weder Engel noch Tier, und das
Unglück will es,
daß, wer den Engel spielen will, das Tier spielt.
Blaise Pascal
Man sagt: nackte Macht, nackte Gewalt; man sagt nicht:
nacktes Recht,
nackte Güte. Die Engel entledigen sich nie ihrer Kleidung.
Peter Noll
Wie es mit der Musik dort steht, wo Sie sich jetzt
befinden, ahne ich
nur in Umrissen. Ich habe die Vermutung, die ich in dieser Hinsicht
hege,
einmal auf die Formulierung gebracht: ich sei nicht schlechthin sicher,
ob die Engel, wenn sie im Lobe Gottes begriffen sind, gerade Bach
spielen
- ich sei aber sicher, daß sie, wenn sie unter sich sind,
Mozart
spielen und daß ihnen dann doch auch der liebe Gott besonders
gerne
zuhört.
Karl Barth, Dankbrief an Mozart
last update: 03.08.2015
|