Fragment
In des japanischen Einsiedlers Yoshida Kenkôs Buch
"Tzurezuregusa"
aus dem 14. Jh. finden wir folgendes vermerkt: "Während es manchen
hässlich dünkt, wenn die Bücher einer Reihe ungleich aussehen,
sagte der Bischof Kôyu: Alles immer gleichmässig und vollständig
zu halten ist die Art zweitrangiger Meister. Gerade das Unvollkommene
ist
schön.
Ein prachtvolles Wort! Bei allen Dingen ist Vollständigkeit schlecht.
Das noch nicht Vollendete liegenlassen, wie es ist, hat besonderen Reiz
und gibt ein frohes und entspanntes Gefühl. Auch bei den Bauten im
Kaiserpalast lässt man, so hat mir jemand erzählt, irgendwo etwas
unfertig. Die buddhistischen und konfuzianischen Schriften der alten
Weisen
enthalten übrigens viele Kapitel und Abschnitte, die gar nicht
dastehen."
Und wer einen Blick auf die japanische Zen-Keramik wirft, der findet
alsbald Schalen aus den Raku- und Shino-Werkstätten, die gerade durch
ihr bewusst Abgeschabtes, Buckliges, durch Vermeidung von simpler
Glätte
und Niederschläge von Brennspuren oder durch scheinbar linkische
Pinselführung
sinnträchtig werden - durch ihre Unvollkommenheit.
Yoshida Kenkô: "Betrachtungen aus der Stille / Tzurezuregusa"
Vollkommenes Glück und Zufriedenheit freilich dürfen wir in
diesem Leben nicht erhoffen. Es muss immer etwas geben, das uns auch
inmitten
der Freuden daran erinnert, dass wir für eine vollkommenere Freude
geschaffen sind, die wir nicht hier auf Erden finden werden.
Johannes XXIII.
last update: 27.09.2015
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