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Kränkung Eine gute Herkunft hat ihm geschenkt: die Anlage zur
Freundlichkeit, zum Vertrauen. Seine gute Sehnsucht ist gewesen: das
barbarische Verlangen nach Ungleichheit, höchster Vernunft und
Einsicht. Hinzuerworben hat er nur die Erfahrung, dass die Menschen
sich an einem verginge, dass man selbst
sich auch an ihnen verging und dass es Augenblickte gibt, in denen man
grau
wird vor Kränkung - dass jeder gekränkt wird bis in den Tod von
den anderen. Und dass sich alle vor dem Tod fürchten, in den allein
sie sich retten können vor der ungeheuerlichen Kränkung, die das
Leben ist. Wir alle schleppen Kränkungen aus unserer Kindheit mit. Ihr
Gift hat Langzeitwirkung. Noch immer schreibt der 50jährige gegen die
schlechte Deutschnote von damals an. Der alte Krieger baut immer wieder
Fronten
auf, die er dann im Durchmarsch nimmt, bis er erschöpft zusammenbricht.
Immer noch sucht die Frau die Vaterliebe bei neuen Männern oder will
die Anerkennung der Mutter doch endlich noch ergattern durch immer
engmaschigere Fürsorge um die Altgewordene ... Kränkungen beschädigen
unser
Selbstwertgefühl, sie können aber auch unseren Widerstand aktivieren
und uns Auswege suchen lassen. Der grösste Jammer ist wohl, wenn wir
die niedermachenden Stimmen von damals nicht mehr unterscheiden können
von uns selbst und wir uns selbst dauernd kleinmachen. Dann ist ein
Sortieren
mit therapeutischer Hilfe nötig. Meist aber wissen wir, woher unsere
Macke kommt, fallen aber immer wieder in den alten Fehler zurück. Wohl
wahr: Nichts ist schwerer, als sich selbst zu erziehen. Doch du, ich,
wir
sind es doch wert, etwas glücklich zu werden. Wir sollen aufhören,
uns selbst immer wieder ein Bein zu stellen. Wenn ich nicht für mich
bin - wer dann? Auch die anderen hätten viel davon, wenn ich von meinen
Kränkungen genesen würde. Ich müsste sie nicht mehr weitergeben.
Ich könnte neuen Menschen neu begegnen, hätte Platz für neue
Freuden und mal endlich neue Fehler.
last update: 26.08.2015 |