Alphons Maria di
Liguori - Eine Bettagspredigt
Was hülfe es dem Menschen ...
Predigt von Jakob
Vetsch, Pfr., gehalten am Bettag,
den 17.09.1995, in Wartau-Gretschins SG,
und am 24.09.1995 in
Azmoos-Trübbach SG
"Was wird es einem Menschen nützen, wenn er die
ganze Welt gewänne,
aber seine Seele einbüsste?" (Matthäus
16,26)
Letzthin kamen mir beim Stöbern Worte eines mir
bis dahin Unbekannten
in die Hände, die sich so lasen:
"Wer weiss? Wenn Gott uns grösseres Talent,
bessere Gesundheit
und mehr persönliche Ausstrahlung gegeben hätte, dann
hätten
wir vielleicht unsere Seelen verloren! Grosses Talent und Wissen haben
viele aufgeplustert mit der Überzeugung ihrer eigenen
Wichtigkeit;
und in ihrer Überheblichkeit haben sie andere verachtet. Wie
leicht
geraten Menschen mit solchen Begabungen in die ernsthafte Gefahr ihres
Seelenheils! Wie viele Leute von leiblicher Schönheit und mit
robuster
Gesundheit haben sich kopfüber in ein ausschweifendes Leben
gestürzt!
Wie viele gibt es andrerseits, die durch ihre Armut, Gebrechlichkeit
oder
körperliche Missbildung ihre Seelen gerettet haben und die -
wenn
ihnen Gesundheit, Vermögen oder körperliche
Attraktivität
zu eigen gewesen wären - ihre Seelen verloren hätten.
Lasst uns
also zufrieden sein mit dem, was Gott uns gegeben hat. Nur eines ist
nötig,
und das ist nicht Schönheit, nicht Gesundheit, nicht Talent.
Das ist
die Rettung der Unsterblichkeit unserer Seelen."
"Who knows? Perhaps if God had given us greater talent,
better health,
a more personable appearance, we might have lost our souls! Great
talent
and knowledge have caused many to be puffed up with the idea of their
own
importance and, in their pride, they have despised others. How easily
those
who have these gifts fall into grave danger to their salvation! How
many
on account of physical beauty or robust health have plunged headlong
into
a life of debauchery! How many, on the contrary, who, by reason of
poverty,
infirmity or physical deformity, have become saints and have saved
their
souls, who, given health, wealth or physical attractiveness had else
lost
their souls! Let us then be content with what God has given us. "But
one
thing is necessary", and it is not beauty, not health, not talent. It
is
the salvation of our immortal souls."
Hier sagt es einer doch ganz deutlich: Man kann die
Seele verlieren,
das Seelenheil verscherzen. Wenn man Dingen hinterherläuft,
die man
für wichtiger hält und die es doch nicht sind! Und
diese Gefahr
ist umso grösser, desto besser es geht und je weniger
Hindernisse
sich uns in den Weg stellen. Sobald es glatt geht und alles rund
läuft,
wird es heikel. Die Prättigauer sagen: "Wenn's em
Esel z'wohl
würd, gait er uf's Iis!"
Hohe Begabung, tadellose Gesundheit und blendendes Auftreten
können
dazu verführen, der Seele grossen Schaden
zuzufügen. Erfolg
in allen Dingen kann dazu verleiten, die Seele preiszugeben! Je mehr
wir
von Gott erhalten haben, desto höher ist unsere Verantwortung,
mit
seinen Gaben behutsam umzugehen. Und das geht uns alle an, die wir in
unserem
Land - und hier bei uns ganz besonders - bevorzugt in Sicherheit und
Frieden
leben dürfen. Wer von uns hätte sich nicht schon
versündigt,
weil er das für selbstverständlich hielt und seinem
Gott viel
zu wenig Dankbarkeit, Lob und Preis erwies? Wer von uns hätte
sich
nicht schon versündigt, weil er das für
selbstverständlich
erachtete und über andere unbarmherzig hergezogen ist? Und wer
von
uns hätte sich nicht schon versündigt, weil er das
für selbstverständlich
annahm und Leidenden nicht geholfen hat? Wir kennen doch diese
Situationen
und sie tun uns leid. Es tut uns leid. Wir wollen das nicht auf uns
sitzen
lassen, wir wollen heute Busse tun.
Da kommt nun einer daher und hat den Mut, offen und frei zu
erklären:
"Nur eines ist nötig, und das ist nicht Schönheit,
nicht Gesundheit,
nicht Talent. Das ist die Rettung der Unsterblichkeit unserer Seelen."
Ist das nicht ungeheuer gewagt, bodenlos frech? Steht das nicht unseren
Idealen und Zielen diametral entgegen? Wird damit nicht genau das
abgelehnt,
was wir uns und anderen wünschen, einander als gute
Wünsche mitgeben
zum Geburtstag, zum Neujahr, an Jubiläen?
Das muss jemand mit einer ganz bestimmten Erfahrung geschrieben haben.
Der kann das nur so sagen, weil er etwas durchgemacht hat. Der hat
etwas
erlebt! Der weiss etwas, weil ihm etwas - vermutlich Peinliches -
widerfahren
ist. Und mich begann es nun wunderzunehmen: Wer ist das? Der Name, der
jenen Zeilen angebracht war - Alphons di Liguori -, sagte mir nichts,
rein
gar nichts... So machte ich mich auf die Suche und wurde
fündig: Der
Schreiber dieser kecken Zeilen heisst Alphons Maria di Liguori. Ein
Heiliger,
nicht sehr gepflegt von der katholischen Kirche, weithin unbekannt,
fast
bedeutungslos geworden. Sein Leben ist tatsächlich spannend
verlaufen
und entbehrt der vermuteten Peinlichkeit nicht. Alphons war das
älteste
Kind eines Edelmannes und Admirals mit dem Namen di Liguori und wurde
am
27. September 1696 in Marianella bei Neapel geboren. Es wurde ihm eine
ausgezeichnete Erziehung zuteil, da sich der erfolgreiche Vater in
seinem
Sohn noch zu übertreffen gedachte. Nicht einmal
17jährig, wurde
er Doktor der Rechte. Als 19-jähriger galt er als
äusserst gesuchter
Rechtsanwalt. Er übte diese Tätigkeit zehn Jahre lang
mit Leib
und Seele aus, bis er auf dem Höhepunkt seiner Karriere
infolge gemeiner
Intrigen seinen ersten Prozess als Verteidiger verlor. Tief verletzt,
dass
sich die Gerechtigkeit trotz allen guten Absichten nicht durchsetzen
konnte,
sagte er sich: "Welt, ich kenn' dich!" Durch eine grosse
Gnade vernahm
er im Schock den Ruf: "Verlass die Welt, und schenk dich mir!" Dieses
Erlebnis
war für ihn so einschneidend, dass er seinen Degen abgab,
feierlich
den Rechten seiner Erstgeburt entsagte und das geistliche Kleid anzog.
Er zog sich nicht aus der Härte des Lebens zurück,
wohl aber
nahm er Abschied von der Welt der Bevorrechteten, die sich der Religion
bedienten.
Schon vorher muss er in seinem innersten Kern ein überzeugter
Christ gewesen sein, ist doch das Ereignis überliefert, sein
türkischer
Sklave habe sich spontan zur Taufe gemeldet, mit der
Begründung: "Ist
Alphons so gut zu mir, wie gut muss dann sein Gott sein!" 1726 empfing
er als 30-jähriger die Priesterweihe. Er verwendete jetzt
seine ganze
Zeit auf das Gebet und das Studium und für das Seelenheil
seines Nächsten.
Er trat einer Vereinigung von Priestern bei, die auf dem Land
missionierten,
den Glauben lehrten und predigten. Kanzel und Beichtstuhl waren nun
seine
Hauptaufenthaltsorte. Alphons wurde bald zum gesuchtesten und mildesten
Beichtvater, da er es verstand, das Evangelium von der Güte,
der Liebe
und der Freiheit Gottes in die Menschenherzen zu legen. 1732
gründete
Alphons eine eigene Genossenschaft - die der Redemptoristen -, mit der
er der religiösen Unwissenheit unter dem Volk entgegentreten
und den
Verlassensten beistehen wollte. Kaum hatte er jedoch dieses gute Werk
in
Angriff genommen, sah er sich den abscheulichsten Anwürfen
ausgesetzt.
- Gott macht es seinen Mitarbeitern nicht leicht. Alles Gute und
Gottgewollte
erfährt Widerspruch und Anfechtung, und nur unter Leiden kann
es gedeihen.
- Es war, als wären seinen Gegnern alle Mittel recht, um ihn
von seinem
Weg abzubringen. Heimlich und offen wurde Alphons geschmäht,
und es
wurde versucht, weltliche und geistliche Führer gegen seine
Vereinigung
einzunehmen. Sein eigener Vater und der Erzbischof von Neapel, ja sogar
manche seiner Mitarbeiter widersetzten sich seinen Plänen.
Schließlich
erreichte Alphons, dass ihm der Bischof von Salerno ein kleines Haus in
Scala bei Amalfi zur Verfügung stellte. Dort schuf er mit
einigen
Gefährten die Urzelle seines Ordens. Noch heute leben dort die
Redemptoristen-Brüder.
Von diesem Ausgangspunkt aus verbreitete sich sein Glaubensgut
über
viele Länder bis nach Amerika. Dies alles geschah in
grösster
Armut, unter Fasten und Opfern. Alphons verfaßte Regeln
für
seine Kongregation, die im Jahre 1749 durch den Papst
bestätigt wurden.
Gegen seinen Willen wurde er zum Oberen gewählt und viele
Jahre später
mit 66 Jahren zum Bischof von St.Agatha im Königreich Neapel
eingesetzt.
Mit den Worten: "Gott will, dass ich Bischof sei, gut! Ich
will es
sein!" stürzte er sich voll Eifer in die neue
Aufgabe, die ihn
schwer belasten sollte. Er reorganisierte das ganze Bistum,
gründete
Vereine und Bruderschaften zur Behebung der Sittenlosigkeit, suchte
Uneinigkeiten
beizulegen und half, wo er nur konnte. Die vielen seelischen
Erschütterungen,
die aufreibende Missionsarbeit, seine literarische Tätigkeit,
die
mühevolle Leitung seiner stark angefeindeten Kongregation, die
Verwaltung
seines Bistums und seine strenge Lebensführung hatten seine
Kräfte
aufgezehrt und seine Gesundheit untergraben. Zu seinen seelischen
Kämpfen
kam nun das Kreuz unsäglicher körperlicher Schmerzen
hinzu: Eine
Lähmung der Nackenwirbel bereitete ihm unendliche Qualen,
sodass er
nicht mehr in der Lage war, die Abendmahlsfeier abzuhalten. Seine
Ergebung
aber war wunderbar, da er sich ganz der Liebe Gottes verschrieben
hatte.
Taub und fast blind, gekrümmt von der Gicht, bat Alphons
schließlich
im Alter von 80 Jahren um Enthebung von seinem Bischofsamt und zog sich
in sein Kloster Nocera dei Pagani zurück. Kurz vor seinem Tode
erlitt
er neue Prüfungen, da sein Werk durch bösartige
Verleumdungen
in grosse Gefahr geriet. Er fiel beim Papst in Ungnade, Mitarbeiter
verließen
ihn, als Oberer wurde er abgesetzt, die Genossenschaft drohte
auseinanderzubrechen.
Doch auch hier errang sein Gottvertrauen zuletzt wieder den Sieg. Trotz
alledem hatte Alphons ein Alter von über 90 Jahren
erreicht.
Am 1. August 1787 wurde er von seinem lebenslangen Kreuzweg durch einen
friedlichen Tod erlöst, den er ein Jahr früher
vorausgesagt hatte.
52 Jahre später verlieh ihm seine Kirche die Ehre eines
Heiligen.
Dadurch hat ihn aber gerade auch jene Kirche für sich
eingenommen,
die ihm mit ihrer Härte und Gesetzlichkeit so sehr zu schaffen
gemacht
und in der er in einer winterlichen Zeit einen neuen Frühling
eingeleitet
hatte...
Wir haben nun von einem Leben der Busse gehört,
der steten Prüfung
und der immerwährenden neuen Hinwendung zu Gott. Auch und
gerade im
Leben von Menschen, die sich der Nachfolge Christi verschrieben haben,
gibt es viel Ungereimtes, Anfechtungen und Schweres. Gerade darin liegt
der Schatz, die Chance des Lebens verborgen! Denn:
"Was wird es einem Menschen nützen, wenn er die ganze Welt
gewänne,
aber seine Seele einbüsste?" - oder bei Luther: "Was
hülfe es
dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne und
nähme doch Schaden
an seiner Seele?"
Weil wir jetzt das Leben des Schreibers kennen,
hören wir vielleicht
seine Sätze nochmals neu, und wir tragen sie in unser eigenes
Leben
hinein, nehmen sie an, bringen sie jetzt und hier bei uns zum Leuchten,
damit wir Gott nahe sein dürfen und dadurch unsere und anderer
Seelen
gerettet sind:
"Wer weiss? Wenn Gott uns grösseres Talent, bessere Gesundheit
und mehr persönliche Ausstrahlung gegeben hätte, dann
hätten
wir vielleicht unsere Seelen verloren!...Wie leicht geraten Menschen
mit
solchen Begabungen in die ernsthafte Gefahr ihres Seelenheils!...Wie
viele
gibt es andrerseits, die durch ihre Armut, Gebrechlichkeit oder
körperliche
Mißbildung ihre Seelen gerettet haben und die - wenn ihnen
Gesundheit,
Vermögen oder körperliche Attraktivität zu
eigen gewesen
wären - ihre Seelen verloren hätten.... Nur eines ist
nötig,
und das ist nicht Schönheit, nicht Gesundheit, nicht Talent.
Das ist
die Rettung der Unsterblichkeit unserer Seelen."
last update: 12.08.2015
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