Lüge
Kein
Verständnis für's Lügen
An einem Winterabend waren wir wie üblich in der warmen Küche
versammelt, um den Rosenkranz zu beten. Onkel Zaverio betete vor. Das
Abendessen
war recht kärglich ausgefallen, und es gelang mir nicht, andächtig
zu beten. Santa Maria, mater Dei: ora pro nobis...
Plötzlich fiel mir ein, dass die Mutter unter dem Bett in ihrem
Zimmer einen Korb mit getrockneten Feigen aufbewahrte. Sie ging sehr
sparsam
damit um; nur zu besonderen Anlässen rückte sie welche heraus.
Ich war damals sechs oder sieben Jahre alt. Und ich war ein eher
schüchterner,
ängstlicher Junge. Doch der Hunger gab mir Mut: Ich schlich aus der
Küche und stieg auf Zehenspitzen die Holztreppe zum Schlafzimmer
hinauf.
Wie eine Katz kroch ich unters Bett, nahm eine Handvoll Feigen und
verschlang
sie klopfenden Herzens. Dann kehrte ich, ohne mir etwas anmerken zu
lassen,
in die Küche zurück, wo die anderen immer noch Rosenkranz beteten.
Hinterher fragte mich Mama: "Angelino, wo bist du gewesen? Du wirst
doch keine Feigen gestohlen haben?" - "Nein, Mama", antwortete ich.
"Ich
habe keine Feigen gestohlen."
Ich hatte nicht bedacht, dass die alte Holztreppe knarrte... Die Mutter
hatte meinen Streich in allen Phasen mitverfolgt! Es war heiss in der
Küche,
und die Gewissensbisse, dass ich gestohlen und gelogen hatte, taten ein
übriges: Mir wurde übel, ich lief hinaus und musste mich übergeben.
Als ich wiederkam, wusch mir die Mutter mit etwas Wasser den Mund ab
und
sagte: "Angelino, es tut mir leid, dass du die Feigen gestohlen hast.
Doch
das kann ich verstehen; du hattest Hunger. Aber ich habe kein
Verständnis
dafür, dass du mich angelogen hast. Ich hoffe, dass du nie wieder
lügst."
Onkel Barba Zaverio brummte: "Diese Kinder! Naschsüchtige Lümmel...,
Lügner und Diebe wachsen da heran! Wo soll das nur enden?"
Ich wäre am liebsten im Boden versunken, so schämte ich mich.
Dann beschloss ich, am nächsten Morgen zu beichten, und malte mir
meine Sünde so schlimm wie möglich aus: Ich würde mich nicht
nur des Diebstahls, der Lüge und des Ungehorsams bezichtigen, sondern
auch der Bequemlichkeit, weil ich nicht den ganzen Rosenkranz gebetet
hatte.
"Barba", fragte ich Onkel Zaverio, "nimmst du mich morgen früh
mit zur Messe? Ich will bei Don Francesco beichten." - "Gern. Ich hoffe
nur, dass du eine gute Beichte ablegst!"
Zum Angelus, frühmorgens um fünf, war ich schon in der Kirche,
um meine Sünden zu bekennen. Mein Herz klopfte vor Aufregung. Don
Francesco war sehr verständnisvoll: Auch er meinte, es sei nicht so
schlimm, dass ich die Feigen genommen hätte, wenn ich hungrig gewesen
sei. Aber ich solle mein Leben lang nicht mehr lügen. --
Mgr. Capovilla schliesst: "Papst Johannes hat den Rat seines Pfarrers
sehr ernst genommen. Er bekannte mir einmal, seither habe er nie wieder
wissentlich gelogen. Und eine weitere bleibende Wirkung hat diese
Geschichte
gehabt: seine unüberwindliche Abneigung gegen Feigen..."
Renzo Allegri,
Johannes XXIII., Ein Lebensbild, Verlag
Neue Stadt, München 1994, S. 20-22
Lügen haben kurze Beine.
Sprichwort
Eine Lüge ist wie ein Schneeball,
je länger man ihn wälzt,
um so grösser wird er.
Martin Luther
Hohe Schwüre zeigen tiefe Lügen
an.
Martin Luther
Ein offenbar Lügen ist keiner
Antwort wert.
Martin Luther
Eine halbe Wahrheit - ist eine
ganze Lüge.
Jüdische Weisheit
Eine Lüge, die nicht mit einer
Wahrheit anfängt, wird nicht
geglaubt.
Jüdische Weisheit
Es gibt kein Glück, das der
Wahrheit, kein Elend, das der Unwahrheit
gleichkommt.
Mahatma Gandhi
Selbst die geringste Unwahrheit
verdirbt den Menschen, wie ein Tropfen
Gift einen ganzen See verdirbt.
Mahatma Gandhi
Damit auch nur ein Diamant
gefunden wird, müssen Hunderte Tonnen
Erde und Stein in harter Arbeit ausgegraben werden. Wenden wir auch nur
einen Bruchteil dieser Arbeit auf, um den Schutt der Unwahrheit
wegzuräumen
und nach dem Diamanten der Wahrheit zu suchen?
Mahatma Gandhi
Unwahrheit zerstört die Seele;
Wahrheit stärkt sie.
Mahatma Gandhi
03.05.2015
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