Martin von Tours
oder: vom rechten Gebrauch des Schwertes
Der elfte November ist der Martinstag (Anfang des Bauernwinters).
Der heilige Martin wurde um 316 im heutigen Ungarn geboren.
Als Soldat soll er seinen Mantel mit dem Schwert
in zwei Stücke gehauen haben,
um ihn mit einem frierenden
Bettler zu teilen.
Martin teilt seinen Mantel - An der Westfassade vom
Basler Münster
(Ende 13. Jh., Kopie)
Martin teilt seinen Mantel mit dem Bettler - Auf der
100-er CHF-Note
MARTIN TEILTE SEINEN MANTEL
Eine Predigt von
Pfarrer Jakob Vetsch
"Die Volksmenge fragte Johannes: Was sollen wir tun? Er antwortete und
sprach zu ihnen: Wer zwei Röcke hat, gebe einen dem, der keinen hat;
und wer Speise hat, tue ebenso!" (Lukas 3,10-11)
In der Nacht darauf aber träumt Martin. Er sieht Christus, und dieser
trägt als Kleid das Stück seines Mantels, das er gestern dem Armen
gegeben hat. Der Traum wühlt ihn auf, lässt ihn nicht los, und
verändert sein Leben: Er begehrt mit seinen achtzehn Jahren die Taufe
und wird Christ. Bald darauf verlässt er den Dienst der Waffen
endgültig und verschreibt sein Leben der Liebe Christi.
Die Geschichte mit dem Mantel aber trug sich nicht in Ungarn zu,
sondern in Frankreich. Das gehörte damals zu den nordwestlichen
Provinzen des riesigen Römerreiches, zu Gallien. Aber die grossen
Zeiten des Asterix waren längst vorbei, die Römer hatten die Herrschaft
fest in ihrer Hand. Es gab schon Christen im Land, und Martin muss auch
etwas von Christus gehört haben, dessen Liebe für die Menschen so gross
war, dass er sein Leben dafür gab. Wahrscheinlich hat er auch von
seinen seltsamen Worten vernommen: "Liebe deine Feinde" oder "Selig
sind die Sanftmütigen" oder "Stecke dein Schwert weg, denn wer das
Schwert nimmt, der wird durch das Schwert umkommen" oder "Was ihr für
einen meiner Geringsten getan habt, das habt ihr für mich getan."
Solche Worte sind jetzt ganz in sein Leben eingetreten. Er hat den
richtigen Gebrauch des Schwertes gelernt und stellt sich in den Dienst
der Kirche. Später wird er Bischof von Tours und zu einem grossen
Vorbild für viele Christen. Der Martinstag, der elfte November, war
früher der Beginn des Bauernwinters und ein wichtiger Zinstag. Einer
unserer Reformatoren trägt seinen Namen, denn er wurde am zehnten
November 1483 geboren und einen Tag darauf, am elften, getauft: Martin
Luther. Nach einem arbeitsreichen, bewegten
Leben kritzelte der initiative Mann kurz vor seinem Tod auf einen
Zettel:
"Wir sind Bettler, das ist wahr."
Es fielen Feinde in Gallien ein. Die Römer nannten sie Barbaren und
fürchteten um ihre Kultur. Der Kaiser wollte den tüchtigen Martin
wieder für seine Streitmacht anheuern und versprach ihm einen sehr
guten Lohn. Aber Martin lehnte ab mit den Worten: "Ich bin ein Ritter
Christi.
Mit dem Schwert darf ich nicht länger kämpfen."
Diese Botschaft ist brisant. Sie sagt aber etwas aus über Christus und seine Wirkung im Leben des Menschen Martin: Der christliche Gebrauch des Schwertes ist nicht das Töten, sondern das Teilen, nicht der Tod, sondern das Leben! Man darf nicht nur das schöne Bild vom Teilen des Mantels sehen, es gehört auch jenes dazu, dass Christus ins Leben von Martin eingetreten ist und sein Leben völlig verändert hat. Es geht also zum einen darum, das Gute zu tun, zum andern aber auch darum, für den Frieden zu arbeiten.
Martin möchte zum
Kaiser, um sich für seine armen Nachbarn und deren Kinder einzusetzen.
Der Kaiser muss das geahnt haben. Er hält die Tore des Palastes
geschlossen, weil er nicht helfen will. Ein zweites und ein drittes Mal
kommt Martin vergebens.
Das setzt Martin zu. Er zieht er sich einen Sack über, streut Asche auf
seinen Kopf und fastet eine Woche lang. Nachher begibt er sich, weil
ihn ein Engel geheissen hat, wieder zum Palast und kommt, durch
verschlossene Tore, bis vor den Kaiser. Der Kaiser sieht ihn kommen,
wird zornig, dass Martin eingelassen wurde, und bleibt trotzig auf
seinem Stuhl sitzen.
So, der christliche Kaiser bleibt also sitzen. Steht vor dem Bischof
nicht einmal auf! Die goldenen Legenden runden die Geschichte ab, indem
sie berichten, was jetzt geschieht: Plötzlich bedeckt ein Feuer den
königlichen Thron und brennt den Kaiser ans Hinterteil, sodass er
aufstehen und bekennen muss, Gottes Macht gespürt zu haben. Er umarmt
Martin und bewilligt ihm alles, bevor dieser zu Wort kommt.
Die drei Martinsgeschichten sind gut dafür: Das Teilen, das Nein-Sagen und das Türen-Einrennen. Alles in der Nachfolge Christi und mit Gottes Hilfe.