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Schätze
"Ich will dir Schätze geben" Eine Abschiedspredigt sollte wohl zusammenfassen, um was es ging. Bilanz kann sie nicht sein. Denn wir haben es nicht mit Messbarem zu tun. Wie es einem so geht, machte ich in Gedanken hin und her, und es ist mir vieles in den Sinn gekommen, wie Euch jetzt in dieser Stunde auch. Aber was für einen Text sollte ich nehmen? Welche Worte der Bibel würden ausdrücken, was wir miteinander getan haben die 14 Jahre? Das schien mir gar nicht so leicht ... Nun, ich schaute nach dem Abschnitt, welcher das Kirchenjahr für diesen Sonntag vorsieht, und ich fand die wundervollen Worte aus dem Prophetenbuch Jesaja (45,1-7): "So spricht der Herr zu seinem Gesalbten, zu Cyrus, den ich bei seiner rechten Hand ergriff, dass ich Völker vor ihm unterwerfe, und Königen das Schwert abgürte, damit vor ihm Türen geöffnet werden und Tore nicht verschlossen bleiben: Ich will vor dir hergehen und das Bergland eben machen, ich will die ehernen Türen zerschlagen und die eisernen Riegel zerbrechen und will dir heimliche Schätze geben und verborgene Kleinode, damit du erkennst, dass ich der Herr bin, der dich beim Namen ruft, der Gott Israels. Um Jakobs, meines Knechts, und um Israels, meines Auserwählten, willen rief ich dich bei deinem Namen und gab dir Ehrennamen, obgleich du mich nicht kanntest. Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, kein Gott ist ausser mir. Ich habe dich gerüstet, obgleich du mich nicht kanntest, damit man erfahre in Ost und West, dass ausser mir nichts ist. Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der Herr, der dies alles tut." Wenn auch diese Worte des Herrn in eine ganz andere Situation zu Cyrus gesprochen wurden, blieben sie mir doch haften: "Ich will dir Schätze geben ... obgleich du mich nicht kanntest ... obgleich du mich nicht kanntest!" Redet hier nicht schon im Alten Testament der gnädige Gott Jesu, der helle Gnade übt an Menschen, die ihn gar nicht kennen? der Schätze bereithält und an uns denkt, bevor wir an ihn denken und ihn loben und preisen können? Sind diese Worte nicht eine gute Botschaft, reines Evangelium, frohe Nachricht von Gott, dem wir nicht gleichgültig sind und der Gutes an uns tun möchte? "Ich will dir Schätze geben ... obgleich du mich nicht kanntest ... obgleich du mich nicht kanntest!" Wir haben diese Schätze immer wieder erhalten: Als wir dem Vorkommen der Tiere in der Bibel nachforschten ("Wolf und Lamm"); als wir sahen, wie Gott durch Kinder spricht ("Davids Harfenspiel"); als wir hinter den geschaffenen Lichtern von Sonne, Mond und Sternen den glänzenden Morgenstern - Jesus Christus - entdeckten ("Staunend sah er den Sternenbogen"); als wir mit Franz von Assisi durch die verschlungenen Menschenpfade den lichten Weg erkannten, der auch die Wahrheit und das Leben ist; und als wir Perlen aus dem Dichterwerk von William Wolfensberger herausgriffen und sie im Lichte der Heiligen Schrift betrachteten ("Leid und Reife") - um einige Anhaltspunkte zu nennen. Bei all dem nicht allein zu sein, das war uns wichtig. Kirche kann diese Geborgenheit vermitteln, diese Gemeinschaft, die unterwegs ist, die Gott nicht hat, die aber immer wieder Gottes Nähe erfährt - gerade ein bisschen zu wenig, um träge und zufrieden stille zu stehen, gerade genug aber auch, um Hinweis auf Gott zu sein, ja um vom Dasein und vom Wirken Gottes auf Erden zu zeugen. Und das hat mit einzelnen Menschen - mit ihren Gesichtern und Händen, mit ihren Füssen und Bewegungen - zu tun, aber es hängt nicht von ihnen ab. Das Angebot Gottes bleibt, sein lebendiges Wort bleibt in Ewigkeit, die Gemeinde bleibt, die Kirche bleibt. Hier in Gretschins und überall auf der ganzen Welt. Woimmer wir uns aufhalten. Auf die Gemeinschaft mit Gott und seinen Menschenkindern müssen wir nicht verzichten. Im Gegenteil: wir sollen sie in Anspruch nehmen! "Ich will dir Schätze geben ... obgleich du mich nicht kanntest ... obgleich du mich nicht kanntest!" Drei solche einzelnen Schatzerfahrungen möchte ich nun herausgreifen: 1.) Im deutschsprachigen Internet habe ich einen Satz von Father John Ealey portiert, der am 8. Mai 1996 in der englischen Zeitung "The Times" erschien: "If the Son of God were alive today, he would be on the net communicating with people all over the world." ("Wenn der Sohn Gottes heute leben würde, wäre er im Netz und würde sich mit Menschen über die ganze Welt hinweg verständigen.") The Times, 8. Mai 1996 Vor drei Wochen, am 29. September 1996, hat mir ein
Internet-Benutzer geschrieben, er sei ganz und gar nicht
einverstanden mit Father John Ealey, denn: "The Son of God
IS alive today. He IS on the net and, through others, He
is communicating with people all over the world." (´"Der
Sohn Gottes LEBT heute. Er IST im Netz, und Er verständigt
sich, durch andere, mit Menschen über die ganze Welt
hinweg.") 2.) Eine Katechetin mitten in der Stadt Zürich arbeitete
vor einiger Zeit mit ihren 3.-Klass-Schülern am Thema
"Weg". Sie wissen, dass Jesus gesagt hat: "Ich bin der Weg
und die Wahrheit und das Leben". 3.) In unserer Kirchgemeinde versorgen Leute von der
Bibelverteilungsgesellschaft der Gideons die Präparanden
regelmässig mit kleinen, handlichen Neuen
Testamenten. "Ich will dir Schätze geben ... obgleich du mich nicht kanntest ... obgleich du mich nicht kanntest!" Drei Beispiele haben wir gehört: Der behinderte, ältere Internaut, der völlig unvermittelt - und wohl auch für ihn selber überraschend - zu einem ganz gewaltigen Jesus-Bekenntnis findet, das wir nun im ganzen Netz bekanntmachen; die Stadtschüler, die ihren Heimweg liebhaben; und die Präparandin, die das Gideons-Bibelchen ihrer Nachbarin besorgen möchte, sowie der Präparand, der das ganze Neue Testament durchgelesen hat und interessant findet. Und die Zusage Gottes an uns Menschen bleibt: Er will uns Schätze geben, auch wenn wir ihn nicht kennen. Aber wir dürfen und sollen ihn kennenlernen - und dies auch weitergeben! Das rettet Menschen in Seine Gemeinschaft hinein, und es verbindet uns über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg. Ich habe zu danken: Euch allen für alles! Besonders all
denen, die ihren Pfarrer nicht allein lassen und die durch
ihre Gegenwart und ihr Dabeisein mithelfen, die immensen
Schätze des Glaubens, die Gott für uns bereithält, zu
heben. Denen, die mich im Gebet unterstützen. Meinen
Mitarbeitern für die hervorragende Arbeit. Sowie meiner
ganzen Familie, die sehr viel für mich und die Gemeinde
getan hat. Ich schliesse mit Worten von Ernesto Cardenal aus dem soeben erschienenen Bändchen "Das Gesetz der Liebe" (kiefel, 1996, S.42): "In der ganzen Natur finden wir die Initialen Gottes, und alle erschaffenen Wesen sind Liebesbriefe Gottes an uns. Die ganze Natur steht in Flammen der Liebe, geschaffen durch die Liebe, um die Liebe in uns zu entzünden. Und es gibt keinen anderen Grund für die Existenz aller Wesen; sie haben keinen anderen Sinn und können uns keine andere Befriedigung gewähren als dies: in uns die Liebe Gottes zu entzünden. Die Natur ist wie ein Schatten Gottes, ein Widerschein und Abglanz Seiner Schönheit. Der stille blaue See ist ein Widerschein Gottes. Seine Fingerabdrücke finden sich auf jedem Partikel der Materie. In jedem Atom wohnt ein Bild der Dreifaltigkeit, eine Figur des dreieinigen Gottes. (Und darum macht uns Deine Natur so verrückt, o mein Gott!) Und auch mein eigener Körper ist erschaffen für die Liebe zu Gott. Jede einzelne meiner Zellen ist ein Hymnus auf den Schöpfer und eine immerwährende Liebeserklärung."
Predigt 30. Januar 1994 - Pfarrer Jakob
Vetsch "Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost
sie zunichte machen und wo Diebe einbrechen und stehlen!
Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motte
noch Rost sie zunichte machen und wo Diebe nicht
einbrechen und stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da wird
auch dein Herz sein." Liebe Gemeinde! Der Mensch, der ins Leben hinausgeht, um die Welt zu
entdecken, sieht Schönheiten und Schätze, an denen er
Gefallen findet. Das ist ein erster, wichtiger Schritt.
Die Sinne zu schärfen für das Schöne und Gute, die Schätze
dieser Erde überhaupt wahrnehmen können und ihnen Sorge
tragen, frei sein für das, was die Natur uns zu bieten hat
und was wir daraus zu machen vermögen, das Leben gestalten
mit den zur Verfügung stehenden Mitteln, das braucht es,
das müssen wir können. Zu uns Menschen ist ja von Anbeginn
her gesagt: "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die
Erde und machet sie euch untertan, und herrschet über die
Fische im Meer und die Vögel des Himmels, über das Vieh
und alle Tiere, die auf der Erde sich regen!" Und das
sollen wir auch so halten. König Darius also schaut ins Grab, in die Vergänglichkeit hinein, ins Nichts, und die Armut soll ihn diesen Schritt der Umkehr in eine neue Welt, in ein neues Reich hinein lehren, ein so ganz anderes Reich, als er es sich gewohnt ist, mit einem ganz anderen Reichtum. "Sammelt euch Schätze im Himmel!" ruft Jesus, sammelt euch Schätze der Unvergänglichkeit, der Ewigkeit! Das ist so etwas ganz anderes, ein Hinweis auf ein anderes, neues Leben. Und die eigentliche Lehrmeisterin ist nicht die grosse Königin Semiramis, deren Weisheit Darius darauf lenkt, die eigentliche Lehrmeisterin heisst Armut. Armut bedrückt, sie ist ein Mangel, etwas das weder sein
sollte noch müsste, wenn wir mit den Gütern dieser Erde
umzugehen wüssten. Armut kann aber für den, der zu weit
gegangen ist, dem es den "Ärmel hineingenommen" hat, der
nicht mehr frei ist und am Lebenssinn vorbeischiesst, die
Lehrmeisterin zum wahren Leben sein. So erscheint Armut
nicht als Mangel, sondern als Qualität, als Wegweiser zum
Leben für denjenigen Menschen, der sonst am Leben
vorbeieilte und es verlieren würde. Der Sohn aus begütertem Hause, Franz von Assisi, verzichtete zum Leidwesen seines Vaters auf Stand und Besitz und verschrieb sich in der Nachfolge Jesu ganz der Armut, von der er als seiner "edlen Herrin" zu reden pflegte. Und der bedeutendste indische Dichter und Philosoph der Neuzeit, Rabindranath Tagore, sagte: "Am reichsten sind die Menschen, die auf das meiste verzichten können." Dieses andere Denken Gottes wird uns schon offenbar im Jesus-Kind in der Krippe, das den Reichtum in der Armut zeigt, die Gottheit in der Wehrlosigkeit und im Ausgestoßensein. Das Kleine ist gross. Als Arme sind wir reich. Wenn wir mit leeren Händen kommen, dann kann Gott uns geben. "Sammelt euch Schätze im Himmel!" sagt Jesus. Und wenig später redet er in seiner Bergpredigt weiter: "Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Sorget euch nicht um euer Leben, was ihr essen oder was ihr trinken sollt, noch um euren Leib, was ihr anziehen sollt! Ist nicht das Leben mehr als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung? Euer himmlischer Vater weiss ja, dass ihr all dieser Dinge bedürft. Suchet vielmehr zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit! dann werden euch alle diese Dinge hinzugefügt werden." Schätze im Himmel, die unvergänglich sind und einem nicht
genommen werden können, sammeln wir in der Nachfolge Jesu.
Wir sammeln sie, wenn wir uns auf Gott verlassen, wenn wir
umkehren und eine Umkehr der Werte vornehmen. Wir sammeln
sie in der unsichtbaren Welt, die ewig ist, im Reiche
Gottes. "Es ist dir gesagt, o Mensch, So wird uns Jesus lieb, und wir wachsen in den Reichtum hinein, der vor den Augen dieser Welt nichts gilt, aber unvergänglich ist im Reiche Gottes. Amen.
Predigt:
last update: 14.05.2021 |