Rabbi Levi Jitzhak trifft eines Tages einen Bauern, dessen Wagen
umgefallen ist und der sich müht, ihn aufzurichten. Ohne den Rabbi zu
erkennen, bittet er ihn um Hilfe. Sie strengen sich weidlich an, aber
es klappt nicht. "Lass es sein", sagt der Rabbi, "ich kann nicht." Der
Bauer schaut ihn jedoch streng an und sagt: "Du willst nicht, du willst
wohl nicht!" Das trifft den Rabbi hart. Sie mühen sich wieder und
wieder, und
es gelingt. "Siehst Du Bruder", meint der Bauer, "du konntest es doch!"
Der Rabbi staunt. "Wie konntest du so fest daran glauben?", will er
wissen. Und er bekommt zur Antwort: "Würde dich Gott mir in den Weg
geschickt haben, wenn er keine Absicht damit verbände?" So lernen sie
beide miteinander und aneinander. Dem Einen bestätigt sich seine
Überzeugung, dem Anderen tut sich eine ganz neue Tür auf. Er
kommt auf einen Weg und zu einem Glauben, mit dem er so nicht gerechnet
hätte.
Aus Israel
Auf den Handtüchern, die den Mitgliedern der Kendoabteilung der
kaiserlichen Universität in Tokio ausgehändigt werden, steht das
Motto: "Spiele auf dem Weg." (...) Miyamoto Musashi, der grosse Meister
des
Schwertes, nannte sich selbst Niten-Doraku, was wörtlich "Liebhaber in
zwei Himmeln" bedeutet. Das Wort "Doraku" (wörtlich: Weg-Genuss)
mag wohl die Gemütsverfassung andeuten, die er als Meister besass.
Diese Stufe des "Spielens auf dem Wege", dieser Gemütszustand des
Weg-Genusses, heisst im Buddhismus auch Horaku (...) Die Kunst des
Meisters ist über alles absichtsvolle Wollen und alles mühevolle
Streben hinaus. Sie
ist zu einem natürlichen Genusse geworden. So ist auch das Kreuzen
der Klingen zwischen Meistern kein "Kampf" mehr. Hier sind dann zwei
Menschen
in einem Reich ineinander verschmolzen, in das sie beide eingegangen
sind.
Karlfried Graf Dürckheim, Wunderbare Katze und andere Zentexte,
1964