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Jakob Vetsch

LEID UND REIFE

PREDIGTEN ZU TEXTEN
VON WILLIAM WOLFENSBERGER

BuchsDruck und Verlag
ISBN 3-905222-73-6

Verwiesen aus dem Elternhaus, abgelehnt durch die Geliebte,
gemieden am ersten Arbeitsort und - ein früher Tod.
Das Schicksal eines feinen Poeten,
dessen Werk noch Jahrzehnte später veröffentlicht
und von vielen Lesern geschätzt wird.
Von Leid und Reife handelt das Buch von Jakob Vetsch

zu beliebten Texten von William Wolfensberger.

Inhalt

Vorwort ~ Warum gerade Wolfensberger?

* * *

Geführte Hände

Der Gott am Jabbok

Das Fest des Herrn

Die Perle

Baum-Gleichnis

Der Weg

Die stille Wahrheit

Joos - der gute Hirt

Das Geld des lieben Gottes

Die beide Püürli

Der Schatz

Das arme Geigerlein

* * *

Wolfensberger - Das Werk


William Wolfensberger (1889-1918)
Leid und Reifezeit

Kaum ein Leben wie das des frühvollendeten Rheinecker Pfarrers und Poeten William Wolfensberger zeigt, wie sehr Leidenszeit zur Reifezeit werden kann. Menschliche Enttäuschungen, Engagement, Aufopferung, Krankheit und hohe Begabung zeichnen sein Leben aus. Noch im achten Jahrzehnt nach seinem Tod ist sein Werk bei vielen unvergessen.

William Wolfensberger wurde am 17. Juni 1889 im damals noch nicht eingemeindeten Zürich-Hottingen geboren. Mit seiner Heimatstadt, deren ganze Atmosphäre er leidenschaftlich liebte, fühlte er sich zeitlebens stark verbunden. Auch später noch schlenderte er gerne in deren Gassen und Strassen herum und verweilte häufig vor ihren Buch- und Kunstläden.

Verlust des Elternhauses

Der Kaufmannssohn Wolfensberger, mit einem energischen, empfindsamen Geist und einem eher schwächlichen Körper ausgerüstet,  studierte vorerst Germanistik und wandte sich dann gegen den Willen seines Vaters der Theologie zu. Da ihm deswegen das Haus verschlossen wurde - "I wott kein Pfaff i dr Familie!" tönte es dem Sohne zornig entgegen - , absolvierte er sein Studium, das er mit dem Erteilen von Privatstunden finanzierte,  unter grössten Entbehrungen. Am 16. November 1913 durfte er als 24-Jähriger in der Kirche von Zürich-Oberstrass seine Ordination zum Pfarrdienst feiern. 


Ordination in der Kirche von Zürich-Oberstrass
Foto: Jakob Vetsch, 1995

Unerfüllte Liebschaft

In die Zeit von William Wolfensbergers germanistischem Semester mit all seinen inneren Kämpfen um den richtigen Weg fiel auch noch die schicksalshafte Begegnung mit einer von ihm sehr verehrten Frau. Diese jedoch erwiderte seine leidenschaftliche Liebe nicht, und so trug er das Leid der unerfüllten Liebe neben dem Leid des verlorenen Elternhauses still mit sich.
Dieses Leid liess den jungen Mann aber auch reifen. Erfüllung und Freude fand er - neben Zeiten schwerer innerer Krisen - schon früh im Schaffen von Gedichten und literarischen Skizzen, die er zunächst in Zeitungen und Zeitschriften, später in eigenen Buchwerken veröffentlichen konnte. Einem Freund schrieb er: "Wenn es möglich wäre, wenn es wahr wäre, dass ich ein Werk schaffen könnte! Wie wollte ich dankbar sein!" Und ein ander Mal: "Alles sind einfältige Sachen, die nichts sein wollen als Geschichtchen, und doch dünkt mich alles wichtiger als mein ganzes Studium. In Wissenschaft kann ich nichts leisten." Das will nicht heissen, dass er sein Studium nicht ernst genommen hätte, aber es war für ihn nur der Weg zum Pfarrerberuf.
Seine erste Stelle versah der frischgebackene Prädikant denn vom Frühling 1914 bis Weihnachten 1916 im abgeschiedenen Münstertal; und zwar in den oberen Dörfern Fuldera, Tschierv und Lü, wo er sich merkwürdig rasch einlebte und nach einer langen pfarrerlosen Zeit die Predigthörer und vor allem die Kinderherzen im Nu gewann. In Fuldera übte er auch noch die Ämter des Gemeindepräsidenten, des Kassiers und Aktuars aus, und da der Lehrer zu dieser Zeit des ersten Weltkrieges wochenlang im Militärdienst weilte, übernahm Wolfensberger zeitweilig auch den Unterricht an der acht-Klassen-Schule mit 30 Wochenstunden. Die Gemeinde dankte ihm den selbstlosen Einsatz mit dem Ehrenbürgerrecht. "Ist´s nicht rührend?" schrieb er seinem Studienkollegen und späteren Biografen Robert Lejeune an den Heinzenberg.


Das Dorf Fuldera im Münstertal
Foto: Jakob Vetsch, 1995

Verlorene Gemeinde

Das Glück war dem engagierten Seelsorger und Prediger hingegen nicht lange Zeit hold. Zur Tilgung einer auf der kleinen Gemeinde schwer lastenden Schuld setzte er sich für eine Verteilung der unvermeidlichen Steuerlasten ein, welche auf die Tragfähigkeit der einzelnen Gemeindeglieder abstellte und demgemäß den starken Schultern viel, den schwächeren weniger zumutete. Dieses Ansinnen, das in der heutigen Praxis eine Selbstverständlichkeit darstellt, stieß damals bei den tonangebenden Männern des Dorfes auf so heftigen Widerstand, dass sich unter ihrem Druck die Kirche entleerte, die wenigen Verbliebenen höchstens noch im Schutze der Nacht das Pfarrhaus aufsuchten und die Schulkinder, die ihm so zugetan waren, den in Misskredit Geratenen nicht mehr grüßten. Das ganze muss Wolfensberger wie ein böser Traum vorgekommen sein. Nach harten Monaten hielt er diese Ablehnung durch die Gemeinde nicht mehr aus und verließ sein geliebtes Münstertal an Weihnachten 1916 - nachdem er noch in Tschierv mit der Gemeinde gefeiert hatte - bei Nacht und Schnee über den Ofenpass... Zum Verlust des Elternhauses und zur unerfüllten Liebschaft kam nun noch das dritte Leid der verlorenen Gemeinde hinzu.


Die Kirche von Tschierv GR
Foto: Jakob Vetsch, 1995

In seiner zweiten Gemeinde Rheineck, wo seine Predigten geschätzt und seiner literarischen Tätigkeit Verständnis entgegengebracht wurde, hat sich William Wolfensberger ebenfalls mit letzter Hingabe eingesetzt, bis er nach knapp zwei Jahren Amtszeit im Grippejahr 1918 am 6. Dezember durch einen seiner schon früher erlittenen Krankheitsanfälle hinweggerafft wurde.

Helles Licht

Wenige Tage vorher hatte er seinem Freund noch die Worte geschrieben: "Und doch weiss ich schon heute, dass all dies sein musste, und ich spüre, dass bald ´die Zeit erfüllt sein wird´, wo die Gegengabe da ist... Bloss das allein hilft, zuletzt mit sich selber ins reine kommen zu können und den Einklang zu finden mit der einen Macht, die einen mit Mutterarmen zieht und die noch in der Ferne ist, aber immer näher rückt; mit ihr Kontakt gefunden zu haben heißt hell werden und strahlen."
Der 29-jährig Frühvollendete hat ein reifes literarisches Werk hinterlassen. Seine ergreifenden Erzählungen, die vielfach aus dem eigenen Erleben geschöpft sind, schildern Menschen, denen er begegnet ist und die ihn beeindruckt haben. Er entfaltet darin von seinem biblischen Wissen her Wahrheiten, die weit über seine Zeit auch in die unsrige hineinsprechen. Noch nach seinem Hinschied wurden seine schriftlichen Erzeugnisse bis in die 60-er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein veröffentlicht und von vielen Lesern, die ihn gekannt oder auch nicht gekannt haben, geschätzt.

Literatur: William Wolfensberger, Ausgewählte Werke, Herausgegeben von Robert Lejeune, Frauenfeld 1964




last update: 05.03.2016