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Predigt zum Gottesdienst
am Sonntag, den 12. Februar 2012
um 18:00 Uhr, gehalten in der Wasserkirche, Zürich, durch Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Von der Freude in Jesus Christus Predigttext: "Alles, was mir Gewinn war, habe ich dann um Christi willen als Verlust betrachtet. Ja, in der Tat, ich halte das alles für wertlos im Vergleich mit der überragenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen mir alles wertlos wurde, und ich betrachte es als Dreck, wenn ich nur Christus gewinne und in ihm meine Heimat finde." Philipperbrief 3,7-9a Liebe Gemeinde! "Freue dich stets im Herrn – und Widrigkeiten dürfen dich nicht daran hindern." Auf dieses Wort der Heiligen Klara von Assisi bin ich beim Verfassen des Rastwortes für die Kirche im Einkaufs- und Freizeitzentrum Sihlcity gestossen: "Freue dich stets im Herrn – und Widrigkeiten dürfen dich nicht daran hindern." Das ist dann also schon immens schwierig, dieses sich trotzdem Freuen, von dem die Heilige spricht! Aber wir begegnen dieser Einstellung beim Bibellesen immer wieder. Das Alte Testament empfiehlt, sich bei aller Mühsal des Lebens gütlich zu tun: "Wenn irgendein Mensch bei all seiner Mühe isst und trinkt und Gutes geniesst, ist auch dies ein Geschenk Gottes." So lesen wir es im weisen Prediger Salomo (Kohelet 3,13). Im Neuen Testament ist von einer geistlichen Freude die Rede, die einem durch niemanden und durch nichts geraubt werden kann, die Freude in Jesus Christus: "Freut euch im Herrn allezeit! Nochmals will ich es sagen: Freut euch! Lasst alle Menschen eure Freundlichkeit spüren. Der Herr ist nahe." (Philipperbrief 4,4-5) Das ist also schon sehr schwer zu verstehen, dass wir allezeit einen Grund zur Freude haben sollen. Und so hat es mich wieder einmal Wunder genommen, wer denn diese Klara eigentlich war, die das einst geschrieben hat – das von der Freude trotz aller Widrigkeiten. Als noch nicht mal 20-Jährige verliess die junge Frau ihr wohlbehütetes Elternhaus und legte in der kleinen Kirche Portiunkula ein Gelübde ab. Franziskus gab ihr ein rudimentäres Gewand und schnitt ihr zum Zeichen des Gehorsams die Haare kurz. Nur sechzehn Tage nachher folgte ihr die Schwester Agnes, und sie führten ein Leben in freigewählter Armut. Später war ihre Ordensregel "einfach das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu beachten" die erste in der Geschichte, welche eine Frau – eben die Klara – für Frauen geschrieben hatte. Richtige Aussteigerinnen waren das also, die Klara und die Agnes. Für ihre Eltern muss das ein grosser Schock gewesen sein, und sie mussten sicher viel Hänseleien und Plagereien durch die vornehme Gesellschaft einstecken. Franziskus war das ja auch, ein Aussteiger, und er muss auch starke Gründe dafür gehabt haben. Wenn das Leben so gar keinen Sinn mehr macht; oder wenn die vorhandenen Möglichkeiten und Güter einen am Leben des Lebensentwurfes hindern und belasten – ja, dann sind Änderungen angesagt, dann riecht es auch nach Umkehr und Busse tun. Die haben das gemacht. Und in Christus haben sie eine Umwertung der Werte gefunden. Das ist nicht neu, aber ein weiser jüdischer Rabbi hat einmal zu bedenken gegeben: "Wer nicht jeden Tag etwas erneuert, der zeigt, dass er auch nichts Altes hat." (Ahron aus Karlin, chassidischer Rabbi, 1802-1872) Die Legende berichtet, ein Bruder habe mal die Demut von Fanziskus auf die Probe stellen wollen und ihm unterwegs fragend zugerufen: "Woher dir, woher dir, woher dir?" Der heilige Franz entgegnete: "Was sagt da Bruder Masseo?" – "Woher kommt es, dass dir die ganze Welt nachzulaufen scheint, und alle wollen dich sehen, dich hören, dir folgen? Du bist kein schöner Mann, du hast nicht viel Wissenschaft und Weisheit, du bist nicht adlig – woher also dir? Wie kommt es, dass dir die ganze Welt nachläuft?" Wie Franz das hörte, war er freudig im Geist bewegt. Er hob sein Antlitz gegen den Himmel und stand so eine geraume Weile, das Gemüt zu Gott erhoben. Als er dann wieder zu sich kam, warf er sich auf die Knie, um Gott zu loben und ihm Dank zu sagen. Dann wandte er sich voll Inbrunst zu Bruder Masseo und sprach: "Du willst wissen, woher mir solches kommt? Willst wissen, wieso gerade mir? Willst wissen, und zwar genau, woher das kommt, dass alle Welt mir nachläuft? – Das ist mir vom heiligen Auge Gottes ausersehen worden, das an jedem Ort die Guten und die Schlechten sieht, und da dieses selige, heilige Auge Gottes unter den Schlechten keinen grösseren Sünder erschaut als mich, den schlimmsten und gemeinsten – und weil der Herr für das wunderbare Werk, das Er vollbringen wollte, keine armseligere Kreatur erspähte, darum hat Er mich ausgewählt." Die Antwort von Franziskus muss so eindrücklich gewesen sein, dass es Masseo richtig schauerte. Er wusste fortan, dass er es hier mit einem echten Jünger Jesu zu tun hatte. Ja, und jetzt frage ich, woher diese Gnade, diese Kraft, der Mut, das Leben anders zu leben als bisher; das Leben anders zu leben als es vom Umfeld erwartet würde; anders vielleicht auch, als man/frau es selber geplant hätte? Wo ist das Fundament, wo der Ansporn zu so etwas? Wir erfahren es vom Apostel Paulus, der uns gerade noch zugerufen hat: "Freut euch im Herrn allezeit!" Und wir merken es an nichts besser als an der gängigen Übersetzung eines einzigen Worte im Text, den wir als Predigttext vernommen haben: "Alles, was mir Gewinn war, habe ich dann um Christi willen als Verlust betrachtet", diktierte Paulus (Philipperbrief 3,7ff.). Er bekräftigte: "Ja, in der Tat, ich halte das alles für wertlos im Vergleich mit der überragenden Erkenntnis Jesu Christi, meines Herrn." Er wiederholte: "... um dessentwillen mir alles wertlos wurde." Er steigerte nochmals: "Ich betrachte es als Dreck, wenn ich nur Christus gewinne und in ihm meine Heimat finde." Nun zu dem einen Wort, an dem wir deutlich merken, wie diese Botschaft in unser Umfeld übertragen wurde. Es ist gefallen das Wort "Dreck". Das griechische Wort dafür heisst "Skübalon" [σκύβαλον] und es wird im Neuen Testament übersetzt mit Unrat, Dreck, ja sogar mit Kot. Was ist denn das? So mögen wir denken. Bibelausleger verraten, es handle sich um einen vulgären, Abscheu erregenden Ausdruck, aber es wird immer ein bisschen umschrieben, sodass man sich nicht wirklich daran stösst. Es ist also ein unanständiges Wort, das man nicht sagen sollte, und so verliert die Botschaft an Kraft. Aber das Wort steht in der Bibel, unmissverständlich. Unsere Jugendlichen und die Umgangssprache verwenden es oft. Sie merken es, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: Paulus wollte uns sagen, was er bisher für Gewinn gehalten hat, betrachtete er nun als "Scheisse", wenn er nur Christus gewonnen hat! Er redete ausdrücklich von seiner Begegnung mit seinem Herrn. An anderen Stellen sprach er von "dem" Herrn, oder von "unserem" Herrn. Was er in seinem früheren Leben für wertvoll gehalten hatte, war ihm nun in der Christus-Freude also geradezu "Scheisse", Pardon, wir können auch beim Unrat, dem Dreck oder dem Kot bleiben. Aber es soll nichts an Kraft verlieren. Liebe Schwestern und Brüder! Es geht um Gewinn und Verlust, um Wert und Wertlosigkeit, um Dreck und Freude. Um jene Freude geht es, die in der Begegnung mit Christus, dem Gekreuzigt-Auferstandenen, erfahren werden und die einem durch nichts und niemanden genommen werden kann. Es geht um die Freude im Herrn Jesus Christus, an der uns keine Widrigkeiten hindern dürfen, wie Klara von Assisi sagte. Die gibt es. Es geht um die Christus-Heimat, die ewiges Leben hat. Hier und jetzt. Das ist ein langer und mühsamer Weg, der aber mit unendlicher Freude endet, bis man die Worte sagen kann, die eine Trauernde ausgesprochen hat: "Das Loch, in das ich fiel, wurde zur Quelle, aus der ich lebe." Oder wie es eine Therapeutin ausdrückte: "Das Geschenk liegt in der Wunde." Ein Geschenk ist das, reine Gnade, wenn wir das erhalten und miteinander pflegen dürfen. Wie weit und gross ist Gott, der sich uns in Jesus Christus gezeigt hat – und in jedem Tag neu zeigt. Amen. last update: 11.02.2012
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