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Predigt
zum Bettag, den 19. September 2010,
gehalten in der reformierten Kirche von Leimbach, Zürich, durch Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Das Evangelium – Kraft Gottes Predigttext:
"Ich schäme mich des Evangeliums nicht; eine Kraft Gottes ist es zur Rettung für jeden, der glaubt, für die Juden zuerst und auch für die Griechen. Gottes Gerechtigkeit nämlich wird in ihm offenbart, aus Glauben zu Glauben, wie geschrieben steht: Der aus Glauben Gerechte wird leben." Römerbrief 1,16-17 Liebe Gemeinde! Alltag in Sihlcity: Eine Firma feiert ihr Jubiläum, und da sind viele Gäste eingeladen. Eine Gelegenheit, sich von einer anderen Seite kennenzulernen; eine Gelegenheit auch, wieder einmal Geschäftspartner und Freunde zu treffen; eine Gelegenheit, unbeschwert den Kino-Abend und das Zusammensein bei Apero und Essen zu geniessen; eine Gelegenheit auch, das Firmenprofil zu überdenken und vorzustellen. All das schwingt mit an jenem schönen Sommerabend, und der Zufall will es, dass mich ein kirchlich Engagierter der jubilierenden Firma spontan einlädt, dabei zu sein. Etwa 150 Personen sind da. Beeindruckend. Alle schön gerüstet und in guter Laune; die Einladung in Sihlcity wird genossen; Smalltalks entwickeln sich; man redet über das Wohlergehen der Familien, über Schwieriges auch am Rande; aber der laue Sommerabend erfreut, und auf das Jubiläum darf man mit Stolz blicken. Grundstimmung unbeschwert; man will es schön haben. – Und das kann man in Sihlcity, wo ich arbeite. – Nach Apero und Kinofilm wird in den Papiersaal gewechselt für Apero riche; manche sitzen, viele stehen, spannende Plaudereien sind angesagt, langweilig will es niemandem werden. Bei dem vielen Virtuellen im Berufsleben wird die reale Begegnung in der Freizeit wieder vermehrt geschätzt, will mir manchmal scheinen. Beim Betreten des Papiersaals – der heisst so, weil er sich im alten Gebäude der Sihlpapierfabrik befindet – fragt mich ein Mann um die 50, was ich arbeite? "Ich arbeite hier in Sihlcity." – "Das ist interessant, bei welcher Firma?" höre ich den Mann fragen. "Oh, es ist nicht eine eigentliche Firma, aber wenn es eine wäre, hätte sie fast in jedem Dorf eine Filiale" höre ich mich witzeln, und dann sage ich ihm: "Ich arbeite gerade über dem Starbucks in der Kirche, als Pfarrer." – "Oh, erwidert mein Gegenüber, "ich singe in einem Kirchenchor mit." Und dann, fast beschwörend: "Aber wissen Sie, wenn ich davon erzähle, meinen viele, ich sei ein Stündeler oder soetwas. Dabei singe ich einfach gerne, und in der Kirche ist es besonders schön. Es gibt mir auch Kraft, und die Weihnachtslieder mag ich speziell gern. Da freue ich mich immer drauf!" "Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft..." Der Mann hatte sich geoutet, aber er hat auch zu verstehen gegeben, dass das nicht immer einfach ist in der heutigen Gesellschaft. Er wird nicht von allen verstanden. Viele, die das hören, müssen sich nämlich fragen, wo sie selbst stehen... und ob sie damit bestehen, vor sich und vor anderen, die ihnen lieb und wichtig sind. – Zuvor hatte ja auch ich mich geoutet, mit dem Vorteil, dass ich als Pfarrer einen gewissen Schutz geniesse und das auch zu meinen Aufgaben gehört, aber auch mit dem Nachteil, dass man denken könnte, ich tue dies eben gerade deshalb. Das alles aber war wohl schon immer so. Warum sonst hätte der Apostel Paulus darauf hinweisen müssen, dass er sich des Evangeliums nicht schämt, und auch schreiben müssen, warum nicht? Wir reden von Christus, und es geht ums Bekenntnis. Ums Bekenntnis im Alltag. Es geht auch um Authentizität, darum, dass wir uns selber sind und sein dürfen, wo immer wir uns befinden. Es geht um Christus, um den Gekreuzigt-Auferstandenen. Dass es irgend ein höheres Wesen oder ein Prinzip gibt, das leuchtet ja noch manchen ein, aber dort, wo die Kraft des Evangeliums sich erweist, dort schwingt eben auch das Skandalon mit, der Skandal, dass Gott sein Ja zum Gekreuzigten spricht und dass er auferstanden ist. Das schwer Fassbare, aber auch so Grosse, dass seine Kraft in den Schwachen mächtig ist, wovon Paulus ja auch schreibt, der Herr habe zu ihm gesagt: "Du hast genug an meiner Gnade, denn die Kraft findet ihre Vollendung am Ort der Schwachheit." (2. Korinther 12,9) So übersetzt die Zürcher Bibel. Das ist schwer verständlich, denn die Heiden hatten – wie auch unsere Gesellschaft heute – grosse, schöne und starke Götter, mächtige, die man nicht erzürnen durfte und die es zu fürchten und zu pflegen galt. Da tun sich "good news" von Gott nicht leicht. Paulus richtete seine Botschaft auch an die Gebildeten der griechisch-römischen Welt. Für sie war das Evangelium, die gute Nachricht, eine Torheit. Es ist aber eine Kraft jedem, der daran glaubt. Die Bibel sagt uns, wann Christus mit uns ist: Wo zwei oder drei in seinem Namen beisammen sind. Wo der Ruf des geringsten Bruders oder der Schwester vernommen und gehandelt wird – das habt ihr mir getan. Wo Niedrige erhöht und Hohe erniedrigt werden. Wo Verlust für Gewinn erkannt wird. Und wo der Tod ins Leben mündet. Das geht gegen die Logik dieser Welt. Es wird für Torheit gehalten. Es kommen mir Worte von Alfons Maria di Liguori in den Sinn: "Wer weiss? Wenn Gott uns grösseres Talent, bessere Gesundheit und mehr persönliche Ausstrahlung gegeben hätte, dann hätten wir vielleicht unsere Seelen verloren! Grosses Talent und Wissen haben viele aufgeplustert mit der Überzeugung ihrer eigenen Wichtigkeit; und in ihrer Überheblichkeit haben sie andere verachtet. Wie leicht geraten Menschen mit solchen Begabungen in die ernsthafte Gefahr ihres Seelenheils! Wie viele Leute von leiblicher Schönheit und mit robuster Gesundheit haben sich kopfüber in ein ausschweifendes Leben gestürzt! Wie viele gibt es andrerseits, die durch ihre Armut, Gebrechlichkeit oder körperliche Missbildung ihre Seelen gerettet haben und die - wenn ihnen Gesundheit, Vermögen oder körperliche Attraktivität zu eigen gewesen wären - ihre Seelen verloren hätten. Lasst uns also zufrieden sein mit dem, was Gott uns gegeben hat. Nur eines ist nötig, und das ist nicht Schönheit, nicht Gesundheit, nicht Talent. Das ist die Rettung der Unsterblichkeit unserer Seelen." Ja, "ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Kraft Gottes für jeden, der glaubt." Der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag, den wir heute feiern, mag uns das in Erinnerung rufen. Predigt und Gottesdienst und die Gemeinschaft, die wir im Abendmahl feiern, mögen uns die Gewissheit ins Herz legen, dass dem so ist. Und sie mögen uns anspornen, unseren Glauben zu festigen, zu leben und ihn zu bekennen. Ein grosser Schatz wurde uns geschenkt. Er ist unser Glück über diese Zeit hinaus in die Ewigkeit. Er ist die Liebe, die uns verbindet über Räume und Zeiten hinweg. Er ist unvergänglich. Er macht uns froh und frei. Er ist das wahre Leben. Amen. last update: 18.09.2010
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