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Predigt vom 21. August 2005, gehalten von Pfarrer Jakob Vetsch in der Kirche von Matthäus-Zürich DER GUTE SAMARITER Lukas-Evangelium 10,29-37 Jacopo da Ponte, genannt Bassano: Der gute Samariter, Gemälde, Galleria Capitolina, Rom Auch Kunstschaffende leisten ihren Beitrag an die Verkündigung des Wortes, aber oft nicht mit Worten, sondern bildlich oder figürlich. Sie zeigen das Wort Gottes ohne Worte, meist als Handlung, Bewegung; und so soll es ja auch sein: Wort Gottes will nicht verhallen, es will nicht starr sein, sondern lebendig; es will Gestalt annehmen, in Fleisch und Blut übergehen, Fleisch werden, wie in Jesus Christus das Wort Fleisch wurde, so bei Johannes aufgeschrieben. Viele, man kann sagen die meisten Künstler beschäftigen sich früher oder später mit dem Wort Gottes, mit der Bibel und ihren Geschichten, weil sie fasziniert, weil sie die Grundwahrheiten vom Leben enthält, in einer dichten und unvergänglichen Form. Wer sich mit dem Leben auseinandersetzt, kommt nicht an der Bibel vorbei; an diesem Buch der Bücher, das die stärkste Wirkung auf den Menschen hat. Das gilt nicht nur für den christlichen Kulturkreis, sondern weit darüber hinaus: Mahatma Gandhi hat sich sehr von Jesus inspirieren lassen, für die Muslime ist er ein Prophet, und das Christentum hat sich auch in den kommunistischen Ländern von damals erhalten. Der letzte Chef der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, wurde in den Achtzigerjahren in Paris von Journalisten gefragt, ob er getauft sei. "Ja, und ich finde nichts Außergewöhnliches daran", war seine Antwort. Seine Mutter war gläubige Christin und hatte ihren Sohn taufen lassen. Das sind für mich Hoffnungsschimmer für unsere Welt, deren Friede so bedroht ist, und in der es noch so viel zu tun gibt. Vor vielen Jahren bin ich einem Gemälde begegnet. Es stammt von Jacopo da Ponte, genannt Bassano, und trägt den Titel "Der gute Samariter". Bassano war ein italienischer Maler des 16. Jahrhunderts, der hervorragende Fresken geschaffen hat. Die Bildmitte beherrscht der vornüber gebeugte Helfer. Er ist auf den Knien und neigt sich dem Verletzten zu. Dieser erfährt buchstäblich Zuneigung. Zwischen den Beiden, als praktisch sichtbare Verbindung, die Utensilien auf dem Boden: Öl und Wein. Das Verbandszeug in den Händen, ist der Helfer ganz in sein Tun versunken. "Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein", heisst es im Neuen Testament an einer Stelle. Der Helfer ist ganz bei seiner Arbeit. Er schaut niemandem in die Augen. Wohl aber sind links und rechts zwei Augenpaare auf ihn gerichtet: Der Verletzte (zur Linken) lässt sich willig helfen, schaut dankbar zum Helfenden auf; und ein Hund (zur Rechten) guckt neugierig hin, was sich da tut, vielleicht ahnt er sogar, dass da etwas Heiliges geschieht. Bei der Geburt Christi waren auch Tiere dabei, das sagen die Künstler uns immer wieder, denn die Erlösung und das Heil gelten der ganzen Schöpfung und aller Kreatur. Das Glück gilt nicht nur Teilen davon. Wo geholfen wird, kommt es allen zugute. Rechts oben entdecken wir aber eine Gestalt, die sich davon macht, aus dem Bild hinaus huscht. Sie wird bald nicht mehr "im Bild sein". Hat sie Dinge zu tun, die sie für wichtiger hält? Oder fehlt ihr die Zeit? Hört sie einen anderen Ruf? Wir wissen es nicht. (Wenn wir vom Predigttext ausgehen, muss es ein sehr gläubiger Mensch sein ... ) Die Grundstimmung des Bildes ist Zuneigung, gelebte Liebe, getanes Wort. Es wird beherrscht vom Ganz-da-sein für den Nächsten, vom Helfen und Sich-helfen-lassen, vom Aushalten des Augenblicks, von der Erkenntnis auch, was jetzt und hier am Nächsten zu tun ist. "Die wichtigste Zeit ist der Augenblick. Der wichtigste Mensch ist derjenige, mit dem dich der Augenblick zusammenführt. Und die wichtigste Tat ist, diesem etwas Gutes zu tun." So hat es einmal jemand gesagt. Der gute Samariter kann das, weil auch ihm geholfen wurde, und weil er darauf vertraut, dass auch ihm wieder geholfen werden wird, wenn er es braucht. Der Helfer auf unserem Bild, und der, dem geholfen wird, bilden (wenn wir die Augen ein wenig zukneifen, sehen wir es) einen Kreis, eine Bewegung, etwas Unendliches. Sie lehren uns, dass wir eigentlich nur das besitzen, was wir weiterreichen können. Ich mag dieses Bild, und ich habe es viele Jahre bei mir behalten. Bassano hat es aufgrund der biblischen Erzählung vom barmherzigen Samariter gemalt. Sie gehört zum Sondergut des Evangelisten Lukas, von dem man sagt, er sei Arzt gewesen. Jedenfalls gilt sein besonderes Interesse den Verletzten, den Verlorenen. Bei ihm lernen wir Jesus als den Heiland kennen, der gekommen ist, das Verlorene zu suchen und zu retten. Die Erzählung Jesu, der Evangelist Lukas und eben auch Bassano mit seinem Bild betonen, dass niemand auf der Strecke bleiben muss, niemand einsam (wenn auch vielleicht allein). Sie sagen: Da hast Du ein Vor-Bild. Und da kannst du mit dabei sein, in diesem schönen Kreislauf des Lebens. Der Barmherzige Samariter, von Ernst Schäublin 1934 (Der Bauer/Maler aus Klosters. Bündner Kunstmuseum, Chur 1985, Seiten 18-19) last update: 15.07.2024 |
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