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Predigt zum Sonntag, 23. Juni 2013 um 09:30 Uhr in der Bühlkirche Zürich Wiedikon
und um 18:00 Uhr in der Wasserkirche Zürich, gehalten von Pfr. Jakob Vetsch Die Seligpreisungen Predigttext aus dem Evangelium nach Matthäus 5,1-12: "Als er nun die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg; und als er sich gesetzt hatte, traten seine Jünger zu ihm. Und er tat seinen Mund auf und lehrte sie: Selig die Armen im Geist – ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden – sie werden getröstet werden. Selig die Gewaltlosen – sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit – sie werden gesättigt werden. Selig die Barmherzigen – sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig, die reinen Herzens sind – sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften – sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt werden. Selig, die verfolgt sind um der Gerechtigkeit willen – ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und euch das Ärgste nachsagen um meinetwillen und dabei lügen. Freut euch und frohlockt, denn euer Lohn im Himmel ist gross. Denn so haben sie auch die Propheten vor euch verfolgt." Liebe Gemeinde "Täglich bete ich zu Gott, und jetzt hat er mir meinen Mann genommen! Ich kann nicht mehr glauben." Dieses Bekenntnis einer überraschend Witwe gewordenen Frau aus dem Quartier erscheint gleichermassen verständlich wie bestürzend. Ich habe das gehört als ich ein Knabe war, der immer das dicke Buch "Biblische Geschichten" für Kinder auf der Schlafzimmerkommode liegen hatte. Nicht dass ich viel darin gelesen hätte, aber ich habe – obschon ich oft einen gegenteiligen Eindruck vermittelte – gut zugehört in der Sonntagsschule und im Unterricht. Dann hab' ich eben manchmal die Bilder angeschaut und die Erzählungen vor dem inneren Auge wenigstens teilweise vorbeiziehen lassen. Und nun war er auf dem Prüfstand, der Glaube, obschon jenes Ereignis nicht mein engstes Umfeld betraf. Kann man weiterglauben wenn eine Katastrophe eintritt – und zweifellos das ist der Verlust des Menschen, der einem am nächsten steht. Oder umgekehrt: Warum schützt der Glaube nicht vor Schicksalsschlägen? Solche stellten sich später tatsächlich ein, und es kam mir zustatten, diese Fragen schon früh in meinem Herzen bewegt zu haben. Darauf achtete ich beim Lesen der Worte aus Psalm 90 (Vers 14): "Sättige uns frühe mit deiner Gnade,
dass wir frohlocken und uns freuen unser Leben lang." Oder wie es in der neuen Zürcher Übersetzung heisst: "Sättige uns am Morgen mit deiner Gnade,
so werden wir jubeln und uns freuen alle unsere Tage." Und ich las die Seligpreisungen Jesu – es sind übrigens deren neun. Man hat auch schon gesagt "Das 9x Selig". Und was mache ich für eine Entdeckung? Jesus spricht lauter Menschen „selig“, die das überhaupt nicht sein müssten, die im Gegenteil allen Grund zum Hadern mit ihrem Schicksal und mit Gott hätten! Lauter Menschen, die stachelige und schwere Erfahrungen machen, spricht Jesus "selig", und das ist nicht irgend eine Theorie, und er meint nicht irgendwelche Menschen oder speziell geschaffene Typen, nein er meint dich und mich, er meint uns die wir das hören, er meint auch die Nachbarin und die Frau aus dem Quartier und den Mann von unterwegs. "Beim Radiohören kam plötzlich deine Stimme", sagte mir einst ein Freund. Jesus meint Menschen, die ihn hören, die es aufnehmen und die danach tun. Wann und wo und wer, daran sollten wir uns nicht den Kopf zerbrechen. Jesus baut sein Reich hier und jetzt grad auf uns, die wir da sind. Gleich ob arm oder reich, klein oder gross, geschickt oder kompliziert – auf jeden von uns möchte Jesus sein Reich bauen, hier und jetzt, und er braucht uns alle dazu. In diesen Tagen sind mir wieder mal alte Texte zu Gesicht gekommen die Johann Valentin Andreae (1586-1654) bearbeitet hatte, jener Vorbote der Aufklärung und des Pietismus. Ins Auge gestochen ist mir ein Gedicht, das mit Worten an den kleinen Vogel dazu anhält, das einem Zugefallene anzunehmen und sich einzuordnen ins Leben. Ich lese die Zeilen: "Frew dich du liebes Vögelein,
Dein Schöpffer hoch zu loben, Dein Stimm erheb nun hell vnd fein, Dein Gott ist hoch erhoben, Dein Speiß hat er dir vorbereit, Gibt dirs zu recht bequemer zeit, Daran laß du dich genügen, Was wolstu doch unlustig sein, Was wolst vber Gott zürnen, Daß er dich wolt ein Vögelin sein, Wolst das Köpfflin verwirren, Daß er dich nicht ein Menschen gemacht, O schweig er hatt es baß bedacht, Daran laß du dich genügen. Was mach ich armer Erden Wurm, Wolt ich mit Gott thun rechten: Daß ich so in den Himmel stürm, Mit g'walt groß Kunst z'erfechten, Gott will sich ja nit bochen lan, Wer hie nit daugt mach sich davon, O Mensch laß dich genüegen. Daß er dich nit zum Keyser g'macht, Das laß du dich nit krencken, Sein Namen hetst villeicht veracht, Deß hatt er sein bedencken: Die Augen Gottes heller sein, Er sieht dir gar ins Hertz hinein, Drumb wirst Gott nit betriegen." So ein Text! So eine Verbindung von Beobachtung, Weisheit, Schlichtheit, Lieblichkeit und zukunftsorientiertem Glauben! Wenn wir in diesen Sommertagen das Singen der Vögel hören, mögen wir uns daran erinnern. Und dann eben die Seligpreisungen, zuerst an diejenigen, die aushalten, die Dulder: Die geistlich Armen, die Trauernden, die Sanftmütigen, die Hungernden und Dürstenden nach der Gerechtigkeit. Nachher an diejenigen, die etwas unternehmen, die Täter: Die Barmherzigen, die Reinherzigen, die Friedfertigen, die Verfolgten und die Geschmähten. Es sind im Ganzen neun nicht grad tolle Situationen respektive Eigenschaften, die einem oft Scherereien eintragen. Eben die sollen "selig" sein – sein, nicht werden. Jetzt schon sollen sie etwas spüren dürfen davon. Wie der kleine Vogel zwitschert, sobald er Erleichterung verspürt. Die deutsche Sprache sagt "selig", das kommt von "sal" und bedeutet "erfüllt". Die Volx-Bibel im Internet sagt mit der Sprache der Jungen "richtig glücklich" und die englische Sprache kennt dafür die Worte "blessed" und "happy", lateinisch "beatus" oder in der Mehrzahl "beati" (eben der Beat und die Beate, die glücklichen). Das Griechische sagt "makarios", rumänisch heisst es "ferice". Gerade beim Wort "selig" höre ich gerne auf die verschiedenen Namen, welche die Sprachen dem geistlichen Glück geben, das Jesus vergibt und das niemand und nichts uns nehmen kann. Es ist wie das Hören auf die Stimmen der kleinen Vögel, da ist so viel drin, ja man kann von Erfülltheit reden. Was wollen wir mehr? Und so loben und preisen auch wir unseren Gott, der ja so gross ist, viel grösser als wir uns ihn denken können. – Und was machen wir angesichts der Ungerechtigkeiten in dieser Welt und im Leben der einzelnen Menschen, angesichts von Zerstörung und Gewalt und Tod, die uns zu denken geben? Das können wir nicht vorschnell wegsingen, wegbeten oder wegreden, nein, da sind Würdigung und Schweigen angebracht; Mitleiden und Sympathie, Verständnis und Begleitung sind angesagt. Dasein für sich selber, sich selber sein – und dann auch für andere, das gehört dazu zur Gemeinschaft jener, die auf Gott hören und auf die Jesus sein Reich baut. Amen. last update: 25.06.2013
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