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Predigt zum Sonntag, 9.
Oktober 2011, in der ref. Kirche Enge,
und zum Sonntag, 16. Oktober 2011, in der Matthäus-Kirche Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche, Zürich Von der Stille der Seele und der Hilfe von Gott Predigttext: Psalm 62,2 "Zu Gott allein ist meine Seele still, von ihm kommt meine Hilfe." Liebe Gemeinde "Stille Wasser sind tief." Dieses beliebten Bonmots bediente sich schon der Reformator Martin Luther, und er führte es weiter aus: "Gleich wie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt, kann sie in einem bewegten, rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden. Darum, willst du erleuchtet werden durch das Evangelium, so gehe hin, wo du stille sein und das Bild tief ins Herz fassen kannst. Da wirst du finden Wunder über Wunder." Das Wunder des Lebens, der Schöpfung und der Erlösung in der Stille zu finden – was unserem unruhigen Herzen ja so oft widerstrebt – das geht in der Geschichte der Menschheit weit zurück. Es hat mich hellhörig gestimmt, als ich die Worte las, dass Indianer ihre Kinder als erstes stille zu sitzen lernen. Luther Standing Bear vom Stamm der Dakota, vermittelte: "Wir lehrten unsere Kinder, stille zu sitzen und Freude (!) daran zu haben. Wir lehrten sie, ihre Sinne zu gebrauchen, die verschiedenen Gerüche aufzunehmen, zu schauen, wenn es allem Anschein nach nichts zu sehen gab, und aufmerksam zu horchen, wenn alles ganz ruhig schien. (...) Die wahrhaft höfliche Art und Weise, ein Gespräch zu beginnen, war eine Zeit gemeinsamen stillen Nachdenkens; und auch während des Gespräches achteten wir jede Pause, in welcher der Partner überlegte und nachdachte. (...) In Unglück und Leid, wenn Krankheit und Tod unser Leben überschatteten, war Schweigen ein Zeichen von Ehrfurcht und Respekt; ebenso, wenn uns Grosses und Bewundernswertes in seinen Bann schlug. Für die Dakota war das Schweigen von grösserer Kraft als das Wort." Wie unterschiedlich wir das doch wahrnehmen! Wenn ein Gespräch ins Stocken kommt, empfinden wir das oft als Peinlichkeit. Einen Austausch nicht unmittelbar zu beginnen, gilt als Unbeholfenheit. Wartezeiten werden als "tote Zeiten" abgebucht. Das Leben heisst "action", da muss immer etwas laufen, Stillstand wird als Rückschritt angeschaut und nicht als Chance betrachtet. – Nullwachstum, wer will denn so etwas? Es hat auch in unserer Zeit Menschen gegeben, die gewarnt haben vor Aktivismus und unendlichem Wachstum. Einer davon war der Zürcher Professor Peter Noll, der uns seine "Diktate über Sterben und Tod" hinterlassen hat, vor mittlerweile rund 30 Jahren diktiert und niedergeschrieben. Hier seine Worte: "Lärm kann alles zerstören. Die Hölle kann man sich so vorstellen: ständig einen laufenden Motor neben sich. Ohne Möglichkeit der Gewöhnung oder Betäubung." Manchmal denke ich: Das Leben ist keine Radiosendung. Wenn am Radio eine längere Pause einträte, so wäre es keine Sendung mehr. Kürzere Pausen der Stille, nachdenkliche Musik und Oasen für die Seele, etwa im Erzählen von Geschichten, all das tut aber auch beim Radiohören wohl. – Das Leben ist auch kein Fernsehfilm. Es ist nicht so, dass ohne Bilder das Leben wegbliebe. Die Worte des Indianers hallen nach: " ... schauen, wenn es allem Anschein nach nichts zu sehen gab, und aufmerksam zu horchen, wenn alles ganz ruhig schien." Es ist ja nicht so, dass wir dann nichts mehr sehen oder dass wir dann nichts mehr hören. Wir sehen und hören nur anderes, vielleicht eben tieferes, wichtigeres. Mit dem Gottesdienst nehmen wir viel Hektik weg. Die Kirchen sind wohl noch die stillsten Orte, an die wir uns begeben können in der Unruhe des Alltags. Das Läuten der Glocken, die Musik, die Lieder, das Gebet, die Predigt – sie alle sind darauf angelegt, aus dem Hier und Jetzt, aus der Stille, zu schöpfen. Laotse, chinesisch "Alter Meister", bezeichnete die Stille als die grösste Offenbarung. Da redet das Leben zu uns. Da kann die Seele ihre Nahrung erhalten. Da kann Gott Gemeinschaft mit und unter uns stiften. Der Einsiedler Seraphim von Sarow schrieb gar: "Wenn wir still sind, kann der Teufel in unser Herz nicht eindringen. Darin liegt die Weisheit des Schweigens." Ich denke aber auch an den Dichterpfarrer William Wolfensberger, als er von den Kämpfen des Jakob im Alten Testament schrieb: "Es gibt sehr fromme Menschen, welche glauben, das göttliche Leben und der Segen der Ewigkeit fallen einem in den Schoss. Sie meinen, in seiner Art lasse sich auch das Letzte und Höchste erlisten und erstehlen. Sie sind wie Jakob, der den Segen des Erstgebornen an sich riss und dennoch Zweitgeborner blieb. Bist du Jakob, so nimm es auch hin als dein Geschick: Du kommst um den Jakobsweg nicht herum. Und sind wir nicht alle Zweitgeborne? Zwischen Beerseba und Haran war es, auf der Flucht unterwegs. Eine ruhelose Seele ist unterwegs. Hatte er nicht den Segen Gottes auf seinem Haupte? Wie denn: Ist Ruhelosigkeit die erste Segnung, welche wir erhalten? Hatte er nicht Gottes Segen erlistet, um es besser, bequemer, schöner zu haben?" "Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Herr." (lat.: Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te, Domine., conf. I 1) So hat es der Kirchenlehrer Augustinus einst in seinen Bekenntnissen (lat. Confessiones) festgehalten. Ja, auch die unruhigen Zeiten kennen wir, den Jakobsweg auch, und es ist selten so, dass Gläubige ihn nicht zu gehen hätten. Unser Leben ist BeWEGung, es ist Ein- und Ausatmen, und es wohnt ihm auch eine Richtung inne, die Gott in unsere Herzen gelegt hat. Wegen all dem tun sie uns vielleicht so wohl, die trivialen Worte des Psalmensängers David: "Zu Gott allein ist meine Seele
still,
von ihm kommt mir Hilfe." Das sagt einer, der es erfahren hat. Er richtet seine Seelenstille nach turbulenten Zeiten in Richtung Gott. Lapidar hält er fest: "Von IHM kommt mir Hilfe." "Stille sitzen und Freude daran haben", das können wir, wenn die Arbeit getan ist; das können wir, wenn Zeiten der Ungewissheit und der Not durchgestanden sind; das können wir, wenn wichtige Dinge sich geklärt haben; das können wir, weil wir wissen, alle Hilfe kommt letztlich von Gott, vom Schöpfer und Erlöser des Lebens, wie wir das in Jesus Christus erfahren. Wir können diese Erfahrung in einer Weite machen, die nicht geahnt ist und auch nicht gedacht werden kann. Dort, wo die Liebe die Angst besiegt, wo der Kleinmut von der Demut abgelöst wird. Im Jetzt. Und im "Es ist vollbracht", wie Jesus am Kreuz gesagt hat. Die Seele zu Gott hin stille zu halten, bedeutet nicht Untätigkeit. Es ist aber ein Ausdruck erfahrener Hilfe, vollendeter Dankbarkeit und des Erreichens einer Wegstrecke. Ich bin froh, immer wieder in diese Stille gerufen zu werden. Die Stille, in der die Seele hört und sich nährt. Die Stille, die sich dann mit Kraft und Sinn füllt, um das Alltagsleben mit seinen Forderungen und Herausforderungen wieder in Angriff zu nehmen. – Im Wissen, dass es nicht unendliches Wachstum sein muss, nicht Maximierung, sondern einfach das, was recht und gut ist. Sodass noch Oasen der Zeit und der Ruhe und des Friedens blieben. Amen. Sammlungsgebet Guter Gott Aus ganz verschiedenen Orten rufst du uns hierher zum Ort der Andacht und der Stille. Nach ganz unterschiedlichen Wochenabläufen holst du uns in diese Sonntagsfeier hinein zum Hören deines Wortes in Predigt, Gebet, Lied und Musik. Vor dich bringen wir was unsere Herzen und Sinne bewegt, und in der Stille sagen wir es dir (...) Erhöre unsere Gebete! Erhöre unsere Bitten und Danksagungen, unser Loben und Preisen. Du bist so gross und unendlich gut. Wir wissen das durch unseren Herrn Jesus Christus, deinen Sohn und unseren Bruder und Erlöser. Amen. Fürbitten Guter Gott Wir danken dir für die Fröhlichkeit und den Trost deines guten Wortes an uns. Wir nehmen es mit in den Alltag. Es kräftigt und ermutigt uns sehr. Wir denken auch an andere und legen vor dich unsere Fürbitten: Für alle Gehetzen und Ruhelosen, Verfolgten und Verbitterten, Unverstandenen und Misshandelten erbitten wir Linderung und Gerechtigkeit. Für die Erkrankten und Notleidenden bitten wir um deinen Beistand und um Menschen, die sie verstehen und helfend zur Seite stehen können. Für unsere Jugend bitten wir dich, Herr, um Sinnhorizonte und das Gefühl, dass sie nötig sind für das Erhalten und die Zukunft des Lebens, der Kirche und der Gesellschaft. Für unser Land bitten wir dich um weise und gerechte Entscheide und um gute Volksvertreter, denen es um das Land und die Natur, um den Menschen und um das Gute geht. Um all das bitten wir dich, der du bist "Unser Vater ..." last update: 08.10.2011
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