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Predigt vom Sonntag, 23. März 2014 um 18:00 Uhr in der Wasserkirche Zürich
Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche


Der Weg des Vertrauens

"Durch den Glauben gehorchte Abraham, als er berufen wurde, und brach auf an einen Ort, den er als Erbe empfangen sollte; er brach auf, ohne zu wissen, wohin er kommen würde. Durch Glauben wanderte er aus ins Land der Verheissung, ein Land, das ihm fremd war, und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheissung. Denn er wartete auf die Stadt mit den festen Fundamenten, deren Planer und Erbauer Gott ist.
Durch Glauben empfing auch Sara als Unfruchtbare die Kraft, Nachkommenschaft zu begründen trotz ihrem hohen Alter, weil sie den für treu erachtete, der die Verheissung gegeben hatte. Darum sind auch aus einem Einzigen und gar von einem, der nicht mehr zeugungsfähig war, Nachkommen hervorgegangen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, den niemand zählen kann."
Hebräerbrief 11,8-12

Liebe Gemeinde

Heute begehen wir den dritten Fastensonntag, der "Oculi" genannt wird. Erstaunlich, was für interessante Dinge im Online-Lexikon Wikipedia gelesen werden können. Unter "Fastensonntag" steht als Einleitung geschrieben: "Die Fastensonntage sind die Sonntage in der grossen Fastenzeit (lateinisch: Quadragesima). Diese wird in der katholischen Kirche auch als 'österliche Busszeit', in der evangelischen Kirche als 'Passionszeit' bezeichnet und umfasst 40 Werktage zwischen Aschermittwoch und Ostern (lat. Quadragesima, 'Vierzigster'). Sie ist eine Vorbereitungs- und Busszeit, in der der Leiden Christi gedacht wird, und dient der Vorbereitung auf das Hochfest Ostern. In der Fasten- bzw. Passionszeit liegen sechs Sonntage, die fastenfrei sind: die fünf Fastensonntage und der Palmsonntag."

Dieser aufschlussreichen Beschreibung folgen die einzelnen "Sonntage der Fastenzeit". "Oculi", eben der heutige, dritte Fastensonntag, heisst "Augen" und kommt vom Eröffnungsvers (Psalm 25,15) im lateinischen Gottesdienst:

"Stets blicken meine Augen auf den Herrn,
denn er allein kann meine Füsse aus dem Netz befreien."
("Oculi mei semper ad Dominum,
Quia ipse eruet de laqueo pedes meos.")

Es geht um den Herrn und darum dass er allein uns befreien kann aus den Verstrickungen und den Gefangenheiten des Alltagslebens. Es geht um den Herrn und sofort auch darum, dass es ein dynamischer Gott ist, einer der etwas tut, der uns etwas Gutes tun will, der uns frei machen möchte von den Zwängen und Ketten und Netzen. Darum ist es falsch, von Gott ein statisches Bild zu machen, denn er ist der lebendige Gott, der Gott des Lebens, des Ereignisses und der Bewegung.
Da steckt "Weg" darin, Wanderer sind wir, Pilger durch die Zeit in die Ewigkeit. In der evangelischen Perikopenordnung (Text-Kalender für den Gottesdienst) wird für den heutigen Sonntag denn spannenderweise die Geschichte von Abrahams Reise im hohen Alter vorgeschlagen. Wir haben in der Lesung (Genesis 12,1-9) und im Predigttext davon vernommen (Hebräerbrief 11,8-12). Das ist wahrhaft ein Weg, ein neuer Weg, ein Weg ins Unbekannte, ein Wegzug, aber auch ein Ankommen!

Die Geschichte ist bekannt. Wir mögen uns aber fragen: Warum eigentlich ist Abraham ausgezogen? Wie können wir diese biblische Erzählung des Alten Testaments, die als Vorlage auch dem Hebräerbrief des Neuen Testamentes diente, in unseren Lebenshorizont einbringen, ja, wozu ist sie dienlich für das heutige Leben? Und was will sie uns sagen, gerade in dieser Passionszeit, in der wir unser Leben überdenken, in uns gehen, Busse tun und uns so auf das schöne Osterfest vorbereiten? – Veränderungen wie Abraham sie unternommen hat, neue Wege, die er gegangen ist, solche Wechsel unternehmen wir ja meistens erst, wenn eingetroffene andere Umstände uns dazu zwingen, wenn z.B. die wirtschaftliche Situation sie erfordern, oder wenn uns die Gesundheit dazu zwingt, oder auch wenn die Liebe ruft...

Bei Abraham war das ganz anders, und schon der erste Satz der Geschichte im 1. Buch Mose (Genesis) und dann auch der Hebräerbrief drücken es mit einer Klarheit aus, die nichts zu wünschen übrig lässt: "Der Herr sprach zu ihm" und "als er berufen wurde". Er hörte: "Geh in das Land, das ich dir zeigen werde." Im Neuen Testament wird verdeutlicht: "Er brach auf, ohne zu wissen, wohin er kommen würde." Das ist ein starkes Stück, auch und gerade für den damaligen Menschen, dem das Land und die Einbindung in die Sippe sehr viel bedeutete, auch wirtschaftlich.
Er ging nur auf Gottes Wort hin. Aber nicht allein und mit der Verheissung des Segens im Herzen. Im Predigttext heisst es kurz und bündig, klar und eindeutig: "Durch Glauben wanderte er aus ins Land der Verheissung, ein Land, das ihm fremd war, und wohnte in Zelten."
Er war 75 Jahre alt. Seine Frau Sara hatte keine Kinder. Er jedoch "wartete auf die Stadt mit den festen Fundamenten, deren Planer und Erbauer Gott ist." Und gerade zu poetisch ergreifend heisst es da am Schluss, es seien "Nachkommen hervorgegangen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Ufer des Meeres, den niemand zählen kann." Das erinnert ans Lied:

"Weisst du wie viel Sterne stehen
an dem blauen Himmelszelt?
Weisst du wie viel Wolken gehen
weithin über alle Welt?
Gott, der Herr, hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht eines fehlet,
an der ganzen grossen Zahl,
an der ganzen grossen Zahl."

Und alles nur wegen dem Glauben, als dessen Vorbild, Idol, Abraham uns im Neuen Testament vorgestellt wird. Das griechische Wort für "glauben" (πιστεύω) bedeutet denn auch: trauen, vertrauen, sich auf etwas verlassen, auf etwas bauen, überzeugt sein, fest glauben.
Im jüdischen Gebetsbuch heisst es: "Wer eine Reise unternimmt, bete vorher folgendes: Möge es wohlgefällig vor dir sein, Ewiger, unser Gott und Gott unserer Väter, uns in Frieden zu geleiten, uns in Frieden dahinschreiten zu lassen, uns zu stützen und zum Ziele unseres Wunsches zu führen zum Leben, zur Freude und zum Frieden (...). Schicke Segen in das Werk unserer Hände und lass uns Gunst, Gnade und Erbarmen finden in deinen Augen und den Augen aller, die uns sehen, und erhöre die Stimme unseres Flehens, denn du, o Gott, erhörst das Gebet und bist gnädig."
Da ist ganz viel da, das mitkommt: der Glaube, das Vertrauen. Und es wartet ganz viel bei der Ankunft: die Erfüllung der Verheissung, das neue Land, Leben und Fruchtbarkeit, Freude und Frieden.

Spannend, was Matthias Claudius (1740-1815) einst seinem Vetter ("Eine Korrespondenz zwischen mir und meinem Vetter, angehend die Orthodoxie und Religionsverbesserungen", Werke, S. 211) dazu schrieb: "Wenn dem Abraham befohlen ward, aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft und aus seines Vaters Hause auszugehen in ein Land, das ihm erst gezeigt werden sollte; meinst Du nicht, dass sich sein natürlich Gefühl dagegen gesträubt habe, und dass die Vernunft allerhand gegründete Bedenklichkeiten und stattliche Zweifel dagegen hätte vorzubringen gehabt? Abraham aber glaubte aufs Wort und zog aus. (...) Hätte sich Abraham mit seiner Vernunft in Wortwechsel abgegeben, so wäre er sicherlich in seinem Vaterlande und bei seiner Freundschaft geblieben und hätte sich's wohl sein lassen. Das gelobte Land hätte nichts dabei verloren, aber er wäre nicht hineingekommen. Seht, Vetter, so ist's, und so steht's in der Bibel."

In der Passionszeit dürfen wir uns fragen, wo wir stehen und gehen in unserem Leben? Werden auch wir so klar von Gott angesprochen und berufen? Vertrauen wir seinen Worten? Folgen wir ihm nach, der uns in Jesus Christus, dem Gekreuzigt-Auferstandenen, begegnet?
Zugegeben, oft müssen wir lange warten, bis wir seine Berufung vernehmen und wir uns den Weg zeigen lassen. Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) hat darauf hingewiesen, als er zu Papier gab: "Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir sie brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen." So können Wartezeiten auch als Wartungszeiten, als Zeiten der Veränderung verstanden werden. In einer solchen Zeit leben wir jetzt. Wir dürfen sie als Chance auffassen um in uns zu gehen, auf sein Wort zu hören und ihm nachfolgen. Und das dürfen wir in seiner Gemeinde tun, in seiner Kirche. Wir dürfen ihn bitten, ihm danken und seinen Namen preisen.

Amen.



GOTTESDIENSTABLAUF

Orgel-Eingangsspiel

Grusswort:
"Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." (Johannes 8,30-31)

Lied 160,1-3 ("Tut mir auf die schöne Pforte")

Gebet zur Sammlung:
Guter Gott. Du bist die Quelle der Wahrheit und der Barmherzigkeit. Lass uns zu dir kommen, um aus diesem Quell zu trinken. Sieh' auf unsere Fragen, unsere Bitten, unsere Not. Schenke uns deine Vergebung, wo wir gefehlt haben und es aufrichtig bereuen. Gib uns dein freimachendes Wort. Es möge uns durch diese Fastenzeit leiten und führen. Rüste uns aus, damit wir uns recht vorbereiten auf Ostern, das Fest deiner Auferstehung. Amen.

Lesung: Genesis 12,1-9
"Der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zu einem grossen Volk machen und will dich segnen und deinen Namen gross machen, und du wirst ein Segen sein. Segnen will ich, die dich segnen, wer dich aber schmäht, den will ich verfluchen, und Segen sollen durch dich erlangen alle Sippen der Erde.
Da ging Abram, wie der Herr es ihm gesagt hatte, und Lot ging mit ihm. Abram aber war 75 Jahre alt, als er von Charan auszog. Und Abram nahm Sarai, seine Frau, und Lot, den Sohn seines Bruders, und all ihre Habe, die sie besassen, und die Leute, die sie in Charan erworben hatten, und sie zogen aus, um ins Land Kanaan zu gelangen, und sie kamen ins Land Kanaan.
Und Abram zog durch das Land bis zur Stätte von Schechem, bis zur Orakel-Terebinthe. Damals waren die Kanaaniter im Land. Da erschien der Herr dem Abram und sprach: Deinen Nachkommen will ich dieses Land geben. Und dort baute er dem Herrn, der ihm erschienen war, einen Altar.
Von dort zog er weiter ins Gebirge östlich von Bet-El und schlug sein Zelt auf. Bet-El im Westen und Ai im Osten, und dort baute er dem Herrn einen Altar und rief den Namen des Herrn an. Dann zog Abram weiter und weiter nach dem Südland."

Lied 825,1-5 ("Hilf, Herr meines Leben")

Predigttext: Hebräerbrief 11,8-12
"Durch den Glauben gehorchte Abraham, als er berufen wurde, und brach auf an einen Ort, den er als Erbe empfangen sollte; er brach auf, ohne zu wissen, wohin er kommen würde. Durch Glauben wanderte er aus ins Land der Verheissung, ein Land, das ihm fremd war, und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheissung. Denn er wartete auf die Stadt mit den festen Fundamenten, deren Planer und Erbauer Gott ist.
Durch Glauben empfing auch Sara als Unfruchtbare die Kraft, Nachkommenschaft zu begründen trotz ihrem hohen Alter, weil sie den für treu erachtete, der die Verheissung gegeben hatte. Darum sind auch aus einem Einzigen und gar von einem, der nicht mehr zeugungsfähig war, Nachkommen hervorgegangen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, den niemand zählen kann."

1. Zwischenspiel der Orgel

PREDIGT: Der Weg des Vertrauens

2. Zwischenspiel der Orgel

Gebet (Fürbitten und Unser Vater)

Lied 835,1-4 ("Gib uns Weisheit")

Mitteilungen

Lied 843,1-3 ("Vertraut den neuen Wegen")

Segen

Ausgangsspiel


Last update: 23.03.2014