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Predigt zu Auffahrt, 2. Juni 2011, gehalten in der
St. Anna-Kapelle Zürich von Pfarrer Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche


Auffahrt UND Ausfahrt!

Predigttext:
Der Herr gewährt Segen
Ein Wallfahrtslied. Von David.
"Sieh, wie gut und schön ist es,
wenn Brüder beieinander wohnen.
Wie das köstliche Öl auf dem Haupt,
das herabrinnt in den Bart,
in den Bart Aarons,
der herabwallt auf den Saum seiner Gewänder.
Wie der Tau des Hermon, der herabfällt
auf die Berge Zions.
Denn dort gewährt der Herr den Segen.
Leben bis in Ewigkeit."
Psalm 133

Liebe Gemeinde!

Neu angekommen im Quartier, stehe ich in einer Papeterie und bestelle einen Stempel. "Wann kann ich ihn abholen?" frage ich den Inhaber des Geschäftes. "Morgen Freitag, vor Sonnenuntergang!" Ich stutze ob dieser ungewöhnlichen Zeitangabe. Mein Gegenüber merkt das und präzisiert: "Um diese Jahreszeit wird das hier etwas vor 4 Uhr sein, Sie können aber bis viertel nach kommen!" Fasziniert, beeindruckt verlasse ich den Laden. Klar, nach Sonnenuntergang beginnt der Sabbat! Da wird die Arbeit niedergelegt und gefeiert. Wie habe ich es mit Feiertagen? Geht mir durch den Kopf. Spannend!

Wir feiern Auffahrt, Himmelfahrt Christi. Es hat sich ein bisschen eingebürgert in den letzten Jahren, dass ich in der lieben St. Anna Kapelle zum Auffahrtsprediger geworden bin. Ich mache das gerne, mit Abendmahl, die Feier der Vergebung und der Gemeinschaft.

Diesmal hat sich aber im Vorfeld etwas ganz Besonderes zugetragen. In der Kirche von Sihlcity traf die Anfrage von einer mir bis dahin unbekannten Zeitschrift ein. Sie heisst "Firtig" und das Redaktionsteam wollte einen Artikel für die Ausgabe von Auffahrt. Es handle sich hier um die einzige Feiertagszeitschrift der Schweiz, hiess es. Und auf der Homepage präsentiert sich das Blatt sehr modern und aufgeschlossen. Ich gewann den Eindruck, es spricht auch Jugendliche an.
Prima, ist ja schön, dass die etwas von uns wollen, dachten mein Kollege und ich, und wir machten uns gleich an die Arbeit, weil der Zeithorizont sowieso schon knapp war. Die Botschaft knapp und bündig, die Sprache im Horizont der möglichen Leserschaft, wie das so schön heisst. Das Spontanergebnis möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ich lasse Sie nun wissen, was wir denen geschrieben haben:

"Zur Idee 'firtig.ch' herzliche Gratulation. Mit dem 'Firtig' ist das nämlich heutzutage so eine Sache. Wie mit dem 'Firabig' auch. Als ich dem Team der Internet-Seelsorge in Ungarn ein Briefing gab, wurde ich gefragt, wie ich mich erhole? Da hab ich eben auf den 'Firabig' verwiesen, der bedeute mir sehr viel und da lasse ich mich nicht stören, da könne der Kaiser von China kommen, weil eben: Der 'Firabig' sei mir heilig! – Da neigte sich der Dolmetscher mir zu und klärte mich auf: 'Das Wort Feierabend kennen wir nicht, ich muss es übersetzend umschreiben.' Wenn ein Wort in einer anderen Sprache nicht bekannt ist, wird es zum Fremdwort, dessen Bedeutung man mit der Zeit kennt. Als das Team dann nach getaner Arbeit den Sitzungsort verliess, rief mir ein junger katholischer Priester lachend zu: 'Feierabend!' Er hat das Fremdwort verstanden.
Denselben Eindruck habe ich nun manchmal bei uns: Nämlich dass das Wort 'Firtig', eben 'Feiertag' mehr und mehr zum Fremdwort geworden ist! Oder dass es anders verstanden wird, nämlich als 'Freiertag' – und nicht mehr als 'Feiertag' ... Können wir noch richtig feiern? Und bedeuten uns diese Feierstunden und Feiertage noch etwas? Oder wissen wir nur noch, was frei haben ist, und auch da liegt nicht mehr der eigentliche Begriff von Freiheit drin? Sind wir gar abhängig geworden von den geschäftigen Mechanismen des Alltages und der Freizeit? Mir scheint es.
Schon vor Jahren hab ich in einer Predigt zu Auffahrt – das ist die Feier der Himmelfahrt von Jesus Christus – die Frage aufgeworfen, ob sich Auffahrt zur Ausfahrt reduziert habe? Nichts gegen Ausfahrt! Ich jedenfalls habe die schönen Sonntagsfährtchen meiner Kindheitszeit in herzlicher Erinnerung. Das haben wir genossen. Es war dann eben nicht nur freier Tag, sondern auch Feiertag. Und ich freue mich auch heute sehr, wenn ich an Sonn- und Feiertagen sehe, wie ganze Familien, inklusive Grosi und Nini, miteinander an Sonntagen und sonnigen Tagen unterwegs sind. Da wird wirklich auch gefeiert! Nämlich die Gemeinschaft, das miteinander Unterwegs sein, das Zusammengehören, das einander Helfen – Formen, die sich mit der Individualisierung verloren haben und die es neu zu entdecken gilt. 'Jede(r) denkt an sich, nur ich an mich.' Das ist im Zeitalter der modernen sozialen Netzwerke überholt, und wir spüren, dass es auch veraltet geglaubte soziale Netzwerke aufzupolieren gilt.
In der Kirche von Sihlcity merken wir das ganz besonders. Sie wird von den Kirchgemeinden der Stadt Zürich ökumenisch getragen und betrieben, und sie ist gegenüber allen Glaubensrichtungen offen. Manchmal erscheinen muslimische Familien zum Gebet. Eine Buddhistin sitzt auf dem Meditationskissen. Ein Jude liest im aufliegenden hebräisch/deutschen Buch. Schweizerinnen und Schweizer jeden Alters kommen. Ein Kind zündet eine Kerze an, schön auf Augenhöhe. Christus ist weit! Da dürfen alle kommen. Die Länge oder die Kürze unseres Lebens genügt vermutlich nur dafür, dass wir uns ein bisschen verstehen lernen. Drei der fünf Weltreligionen, die ihr Zeichen an der Türe der Kapelle von Sihlcity haben, gehen auf Abraham zurück – the abrahamic family!
'Kommet her zu mir alle.' Hat er mal gesagt. Die Auffahrt von Jesus kann uns zeigen, dass er nun zur Rechten Gottes sitzt. Da ist also Power drin! Diesen Power schon mal ausprobiert?!"

So also haben wir das den Jungen gesagt, in der Zeitschrift "Firtig". Ich möchte es auch uns zurufen: Christus ist weit! Alle sind willkommen! Da ist Kraft drin! – Haben wir diese Kraft schon mal ausprobiert?!
Ich bin mir in dieser Gesellschaft hier sicher. Wir haben es getan. Und dann machen wir die unaussprechliche Erfahrung, dass Gott ja noch viel grösser ist als wir ihn uns denken konnten! Dass er es ja noch viel besser meint mit uns als wir es uns je ausgemalt hätten! – Ja, auch wir in diesem Kreis machen diese Erfahrung. Wir haben ihn zu klein gedacht. Wir haben ihn zuwenig in unsere Herzen gelassen. Wir sind wieder mal reingefallen auf unsere Illusion, wir hätten die Erkenntnis schon.
Solche Erfahrungen beunruhigen uns manchmal. Sie erschrecken uns bisweilen sogar. Und nachher erfüllt uns eine so grosse Freude, dass wir lachen über uns und denken: Wir konnten wir nur. – Und schaut, das finde ich etwas vom Schönsten an unserem Glauben: Wenn wir das Herz erhalten, über uns selber zu lachen, weil Gott ja so gross ist, und weil er es so unendlich gut mit uns meint!

Amen.



Sammlungsgebet

Guter Gott

Auffahrt, ein Feiertag, mitten in der Arbeitswoche.
Er reisst uns aus dem gewohnten Rhythmus heraus.
Er bringt unsere Woche durcheinander.
Er bringt uns auch ein bisschen freie Zeit,
ein Aufatmen, Ruhe oder Raum für das Hobby.

Er ruft uns zu dir für die Feier des Wortes,
der Anbetung, des Abendmahls, der Musik.
Er macht uns innehalten, Pause einlegen,
reden mit dir, hören auf dich.
Er bringt uns Gottesdienst und Gemeinschaft.

Auffahrt, ein Feiertag, der uns zusagt,
du warst hier auf Erden,
du bist aber auch aufgefahren
zum Vater im Himmel
und sitzest zu seiner Rechten.

Alles also nicht umsonst.
Wir haben einen Fürsprecher im Himmel.
Uns wird vergeben.
Wir sind frei.
Ja, wir sind freie Kinder Gottes,
durch Jesus Christus. – Amen.


last update: 14.02.2016