CHRISTentum.ch
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der Schweiz
Predigt zum
Bettag, 21. September 2008, gehalten in der
Wasserkirche Zürich durch Jakob Vetsch Pfarrer Sihlcity-Kirche
Bittet, sucht,
klopft an!
Predigttext:
Bittet, so wird euch gegeben;
sucht, so werdet ihr finden;
klopft an, so wird euch aufgetan.
Denn wer bittet, empfängt;
wer sucht, der findet;
wer anklopft, dem wird aufgetan.
Matthäus 7,7-8
Zwei Kurzgeschichten zum Einstimmen in
die Predigt:
Das Bittgebet
Rüffel in einer Kirche des amerikanischen Mittelwestens: "Euer
Unglaube, Schwestern und Brüder, ist ein Skandal! Wir sind
hier versammelt, um ein Bittgebet an den Himmel zu richten, er
möge uns nach der langen Trockenheit Regen schicken. Und was
sehe ich? Nicht einer von Euch hat für den Heimweg einen
Schirm mitgebracht!"
Die
Seele in die Sonne halten
Dem Missionar einer Kirche in Neuguinea fiel ein Mann auf, der immer
nach dem Sonntagsgottesdienst noch längere Zeit in der Kapelle
auf dem Balken knien blieb, den man dort anstelle eines Knieschemels
gebrauchte. Er konnte nicht lesen. Er schaut nur mit auf der Brust
gekreuzten Armen zum Abendmahlstisch, der jetzt abgeräumt und
leer war.
Einmal nahm sich der Missionar ein Herz und fragte ihn, was er denn da
die ganze Zeit bete? Der antwortete nur lächelnd: "Ich halte
meine Seele in die Sonne."
Liebe Gemeinde!
Es drängt mich heute zu Euch zu reden über das
Jesuswort aus der Bergpredigt "Bittet, so wird euch gegeben;
sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch
aufgetan." Dem Wort haftet nach heutiger Kapitel- und
Verseinteilung eine gute Merkbarkeit an: Der erste Evangelist
Matthäus, Kapitel 7, Vers 7. Die Sieben gilt als Zahl Gottes;
in sieben Tagen hat er die Erde mit allem was darauf lebt geschaffen.
Der siebte Schöpfungstag war denn auch der Ruhetag, der Gott
gehört, bis ihn die Christen in Erinnerung an die Auferstehung
Jesu zum Sonntag, dem ersten Tag der Woche machten. Wir feiern heute in
unserem Land einen ganz besonderen Sonntag, den
Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, dem nun auch dieses
besondere Wort gehören soll.
Es strotzt nur so vor Aktivität: "Bittet! – Sucht!
– Klopft an!" Drei Imperative, drei Aufrufe, etwas zu
unternehmen. Eine Hörbarkeit schwingt da auch mit am Schluss
beim Anklopfen, eine Öffnung des Gemütes am Anfang
beim Bitten, ein Weg in der Mitte beim Suchen. Das Ganze wird
verstärkt mit der bestätigenden Wiederholung im
drauffolgenden Vers 8: "Wer bittet, empfängt; wer
sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan." Wahrlich
sonderbare Worte in sonderbarem Aufbau – und mit einer
Selbstverständlichkeit hört es sich an.
Da mag sich in uns die Protestantin oder der Protestant regen, der
sagt, das stimmt alles überhaupt nicht, sei vorsichtig,
Prediger, ich habe das allzu oft ganz anders erlebt, ich habe gebeten
und nichts erhalten, ich habe gesucht und nicht gefunden, ich habe
angeklopft und es wurde mir nicht aufgetan. Meine Gebete blieben
ungehört! Das ist meine Erfahrung, mögen wir
einwenden, wenn ich das mache, werde ich ja doch nur
enttäuscht, also ist es besser, ich lasse mich gar nicht
darauf ein und gebe mir keine Mühe. Und sag mal Prediger,
warum wird so vielen in dieser Welt nicht geholfen, warum
lässt Gott das zu, sie beten ja auch und es wird für
sie gebetet!
Da dürfen wir nicht vorschnell wegschauen, da dürfen
wir nicht zurechtbiegen oder gar vertrösten. Das
müssen wir aushalten, mittragen, mitschweigen, mit dabei sein
und sagen: wir wissen auch nicht warum. Und wenn wir das miteinander
tun, und wenn wir es miteinander vor und mit Gott – mit Jesus
am Kreuz – tun, dann kann eine neue Dimension in unser
gemeinsames Erleben eintreten, die eine Wandlung unserer Selbst und
unserer Situation bedeutet und auch anderen hilft.
Ich denke wieder an das Aktive, das im Jesuswort mitschwingt. "Betet,
freie Schweizer, betet!" heisst es in der
ersten Strophe unserer Landeshymne. Sind wir so frei? Sind wir so frei
zu beten? Laden wir ungeniert Gott ein in unser Leben, bitten wir ihn
für das Leben anderer?
Letzthin gestand ein Besucher der Sihlcity-Kirche ganz offen ein, dass
er sich geniere, sobald von Glaubensfragen die Rede sei. Das ist doch
etwas Persönliches. Meistens redet man nicht darüber.
Unser Bibelwort ruft uns dazu auf, solche Hemmnis abzulegen und
ungeniert zu bitten, suchen und anzuklopfen. Gott wartet nur darauf. Er
wird hören. Und er wird uns geben, was wir brauchen. Eine
grosse Zusage, die grosses Vertrauen braucht. Aber gerade darum betont
es Jesus in seiner Bergpredigt so sehr – er weiss, was es
dazu braucht.
In den letzten Tagen wurde mir eine Erzählung (nach John Kord
Lagemann) zugespielt, die ich Sie gerne wissen lasse:
Einmal sass ich bei einer Bahnfahrt neben einem jungen Mann, dem
sichtlich etwas Schweres auf dem Herzen lastete. Schliesslich
rückte er damit heraus, dass er ein entlassener
Sträfling und jetzt auf der Fahrt nach Hause sei. Seine
Verurteilung hatte Schande über seine Angehörigen
gebracht; sie hatten ihn nie im Gefängnis besucht und auch nur
ganz selten geschrieben. Er hoffte aber trotzdem, dass sie ihm
verziehen hätten.
Um es ihnen leichter zu machen, hatte er ihnen in einem Brief
vorgeschlagen, sie sollten ihm ein Zeichen geben, an dem er, wenn der
Zug an der kleinen Farm vor der Stadt vorbei fuhr, sofort erkennen
könne, wie sie zu ihm stünden. Hatten die Seinen ihm
verziehen, so sollten sie in den Apfelbaum an der Strasse ein weisses
Band anbringen. Wenn sie ihn aber nicht wieder daheim haben wollten,
sollten sie gar nichts tun, dann werde er im Zug bleiben und
weiterfahren, weit weg. Gott weiss, wohin.
Als der Zug sich seiner Vaterstadt näherte, wurde die Spannung
des ehemaligen Häftlings so gross, dass er es nicht
über sich
brachte, aus dem Fenster zu schauen. Ein anderer Fahrgast tauschte den
Platz mit ihm und versprach, auf den Apfelbaum zu achten.
Gleich darauf legte der dem jungen Sträfling die Hand auf dem
Arm. "Da ist er", flüsterte er, und die Tränen
standen ihm plötzlich in den Augen, "alles in Ordnung. Der
ganze Baum ist voller weisser Bänder".
In diesem Augenblick verschwand alle Bitternis, die ein Leben vergiftet
hatte. "Mir war", sagte der Mann später, "als hätte
ich ein Wunder miterlebt. Und vielleicht war’s auch eines".
Nicht alles Schwere kommt zu einem so guten Ende. Die Bergpredigt
öffnet unsere Herzen aber für eine neue Kraft, die
uns vom Christusglauben her zugesagt ist. Ich schliesse darum diese
Predigt mit einer Inschrift, welche einst vor einem Spital in England
angebracht wurde:
Herr, ich habe dich um Kraft gebeten,
um Erfolg zu haben;
du hast mich schwach werden lassen, damit ich gehorchen lerne.
Ich habe dich um Gesundheit gebeten, um grosse Dinge zu tun;
ich habe die Krankheit erhalten, um Besseres zu tun.
Ich habe dich um Reichtum gebeten, um glücklich zu sein;
ich habe die Armut erhalten, um weise zu sein.
Ich habe dich um Macht gebeten, um von den Menschen geschätzt
zu werden;
ich habe die Ohnmacht erhalten, um Verlangen nach dir zu
verspüren.
Ich habe dich um Freundschaft gebeten, um nicht allein leben zu
müssen;
du hast mir ein Herz gegeben, um alle meine Geschwister zu lieben.
Ich habe nichts gehabt von dem, was ich erbeten hatte;
ich habe alles gehabt, was ich erhofft hatte.
Fast gegen meinen Willen sind meine ungesagten Gebete erhört
worden.
Ich bin der Beschenkteste aller Menschen.
Dank dir, Herr!
Amen.
Eingangsgebet
Guter Gott
Am Abend dieses Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettages
kommen wir in dein Haus zu dir.
Wir kommen zu dir um dir zu danken für das Leben, das du uns
gibst, für das Land, in dem wir leben dürfen,
für die Menschen, die du uns schickst.
Wir kommen zu dir um dich zu bitten um deine Nähe, deine
Vergebung, deine Kraft – für uns und unsere
Nächsten, für unser Land, für die Kirchen
und Religionen.
Wir kommen zu dir, um Busse zu tun, um unser Leben dir hinzulegen.
Schau es an mit deinen Augen der Güte, weise uns den Weg in
die kommende Woche und rüste uns mit allem Nötigen
aus, den guten Weg mit dir, deinem Sohn Jesus Christus und dem Heiligen
Geist zu gehen.
Wir kommen zu dir um dich zu preisen und zu loben mit unseren Liedern
und Gebeten, um dein lebendiges Wort zu hören und um das Mahl
deiner Liebe entgegenzunehmen, miteinander zu teilen und uns zu
stärken.
Sei du mit uns in dieser Stunde und segne unsere Feier.
Amen.
Fürbitten
Guter Gott
Hab Dank für dein Wort an uns und das Mahl der Liebe, das wir
feiern durften. Hab Dank für diese Feier mit Gebeten, Liedern
und Musik. – Gestärkt und ermutigt dürfen
wir in deinem Frieden in diese neue Woche hinein gehen. Erhalte uns in
deinem Frieden und lass uns ein mutiges Zeugnis von dir, lebendiger
Gott, von deinem Sohn Jesus Christus und dem Heiligen Geist geben.
Wir bitten dich für alle, die entmutigt, benachteiligt und
vergessen sind – sei du besonders bei ihnen und wende ihr
Schicksal.
Wir bitten dich für unser Land und alle Nationen, für
die Menschen, die Entscheidungen zu fällen haben, dass sie in
deiner Weisheit geleitet werden.
Wir bitten dich für alle, die von Krankheit heimgesucht werden
und für ihre Angehörigen, dass sie Stärkung
und Hoffnung in dir erfahren dürfen.
Wir bitten dich für unsere Kinder und Jugendlichen, dass sie
das Licht des Lebens entdecken und sich entfalten können, dass
sie Zukunft und Lebenssinn erhalten und finden.
Um all das bitten wir dich, guter Gott, der du bist:
"Unser Vater ..."
last update: 15.08.2015