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Der schönste Tag des Lebens

Manche mögen jetzt denken, der Titel sei übertrieben. Viele Paare - wie immer ihr Ehealltag später ausgesehen hat - werden mir aber recht geben. Der Hochzeitstag ist ein ganz besonderer Tag. Das sagt schon der Begriff "Hochzeit" aus. Da wird "hohe Zeit" erlebt, in welcher der Mensch im Zenit seines Lebens steht. Es sollte einmal einer das Leben des Menschen zusammenfassen, und er tat es wie folgt: "Er wurde geboren, heiratete und starb." Dazwischen hat sich natürlich viel anderes Wichtiges ereignet, aber Geburt, Heirat und Tod sind die Marksteine im Leben der meisten Leute. Und die Heirat steht in der Mitte! 
Da spürt der Mensch, wie sich seine Kräfte entfalten und sich neue Möglichkeiten eröffnen. Er empfindet seine Zukunft gewissermaßen hautnah. Seine Bestimmung, hinzugehen und Frucht zu tragen, zeichnet sich ab. Chancen, Hoffnungen und zarte Gefühle laufen an diesem Tag zusammen wie die Bäche zu einem Fluß. 
Wo so viel auf dem Spiel steht, möchte man nicht allein bleiben. Dankbarkeit, Freude und Erwartungen wollen mit den Familien und den Freunden geteilt sein - und vor Gott gebracht werden, damit er seinen Segen dazu gebe. Um all dies geht es am Hochzeitstag, zu diesem Fest und speziell im Traugottesdienst.
Es gibt Paare, die sich da voll und ganz hineinstürzen, und wieder andere, denen es bei so einem wichtigen Tag fast bange wird. Beides ist vielleicht ein wenig extrem. Denn zweifellos ragt dieser Tag aus allen anderen Tagen heraus, aber was da versprochen wird, das soll ja nicht minder für jeden Tag des Zusammenseins gelten. So sehe ich auch das Jawort in der Kirche, das zueinander vor Gott und seiner Gemeinde gesagt wird. Es ist ein ganzherziges Ja, mit dem die volle Persönlichkeit des Partners angenommen und die eigene Person dem anderen geschenkt wird. Aber es soll nicht ein isoliertes Ja sein, sondern das Versprechen, dieses Wörtchen stets zu wiederholen. Denn jeder Tag einer Ehe ist auf dieses Ja angewiesen. Es ist ein Ja, nicht nur für eine bestimmte Zeit, sondern ein Ja für das Leben und ein Ja zum Leben! Da soll sich infolge eines Entschlusses nicht nur etwas schließen und abrunden - nämlich die Partnersuche -, sondern sich zugleich etwas öffnen, ein neuer Weg bereiten. Die beiden Eheleute sollen sich mit ihren Anlagen und Fähigkeiten entfalten dürfen in einer Weise, die ihnen entspricht. Ein Bund wird eingegangen, wohl der engste Bund, den Menschen untereinander eingehen können. Und dieser enthält nicht nur ein Versprechen, er beinhaltet auch eine Zusage, die Zusage von Gott, daß dieser Bund auch erfüllt und gelebt werden kann. 
An den abendlichen Festen staune ich manchmal, wenn mit viel Humor zwei "Lebenslängliche" mit entsprechenden "Steckbriefen" gesucht werden. Auf einem Hochzeitskärtchen habe ich einmal eine Braut entdeckt, die ihren Bräutigam verzweifelt mit Handschellen in die Kirche zerrt! Solche Dinge wollen wir freilich nicht überbewerten. Dahinter steckt aber die volkstümliche und durchaus realistische Auffassung, daß die Ehe zum Gefängnis und Verlies werden kann. Das kann sie tatsächlich werden, aber sie muß und soll es nicht! Denn Menschen "freien" einander, um sich gegenseitig zu befreien und nicht zu knechten. Wenn letzteres einträfe, dann wäre etwas mißverstanden worden, dann wäre also etwas schief gelaufen. Die Ehe als Befreiung und zugleich als eine Bindung mit Verbindlichkeit das ist eine Gratwanderung, eine Aufgabe, welche die Kräfte in jedem Lebensabschnitt wieder neu fordert, eine Gabe aber auch, die stets neue Kräfte freisetzt. 
Erforderlich dazu sind Ehrlichkeit mit sich selbst und Offenheit zueinander. Oft werden Probleme erst ausdiskutiert, wenn sie einem über den Kopf wachsen. Dann aber sind sie schwerer zu lösen, weil sie sich verfestigt haben. 
"Trauung" hat mit "sich trauen" und "sich vertrauen" zu tun. Dieses Vertrautsein und dieses Vertrauen sind bei der Eheschließung erst im Ansatz da, und fertig hat man sie nie in der Hand. Vertrauen muß wachsen und stets aufs neue erprobt werden. Nachher aber bedeutet es eine Verbindung und eine Kraft, die nicht mehr aus der Welt geschaffen werden kann, weil sich etwas ganz Entscheidendes, etwas Bleibendes zwischen zwei Menschen ereignet hat. 

Das Gespräch zwischen dem Fuchs und dem kleinen Prinzen in Antoine de Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" zeigt uns, wie das gemeint ist:
In diesem Augenblick erschien der Fuchs. 
"Guten Tag", sagte der Fuchs. 
"Guten Tag", antwortete höflich der kleine Prinz. 
"Wer bist du? Du bist sehr hübsch." 
"Ich bin ein Fuchs", sagte der Fuchs. 
"Komm und spiel mit mir", schlug ihm der kleine Prinz vor. 
"Ich kann nicht mit dir spielen", sagte der Fuchs. "Ich bin noch nicht gezähmt!" 
"Ah, Verzeihung!" sagte der kleine Prinz. Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu: "Was bedeutet das: zähmen?" 
"Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache", sagte der Fuchs. "Es bedeutet: sich vertraut machen." 
"Vertraut machen?" 
"Gewiß", sagte der Fuchs. "Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt ..." 
"Ich beginne dich zu verstehen", sagte der kleine Prinz. 
"Das ist möglich", sagte der Fuchs. Er verstummte und schaute den Prinzen lange an: "Bitte, zähme mich!" 
"Was muß ich da tun?" sagte der kleine Prinz. 
"Du mußt sehr geduldig sein", antwortete der Fuchs. "Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Mißverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bißchen näher setzen können."
So machte denn der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die Stunde des Abschieds nahe war: 
"Ach!" sagte der Fuchs, "ich werde weinen." 
"Das ist deine Schuld", sagte der kleine Prinz, "ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, daß ich dich zähme. Adieu ..." 
"Adieu", sagte der Fuchs. "Hier ist mein Geheimnis. Es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar." 
"Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar", wiederholte der kleine Prinz, um es sich zu merken. 
"Die Menschen haben diese Wahrheit vergessen", sagte der Fuchs. "Aber du darfst sie nicht vergessen. Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast."

Diese kurze Geschichte wird in Traugottesdiensten immer wieder gern gehört. Sie spricht das tiefe Empfinden aus, daß Vertrauen behutsam wachsen muß und Verantwortung nach sich zieht, Verantwortung in dem Sinne, daß eine Beziehung entstanden ist, die ihre Bedeutung und ihr Gewicht kennt. 
Der Hochzeitstag besiegelt diese - nicht leichte - Aufgabe. Er wird darum dementsprechend feierlich begangen: schöne Kleider, Blumen, kirchliche Trauung, Festessen, Musik. Rechtlich gesehen gilt der Ehevertrag, der auf dem Standesamt geschlossen wird, aber die meisten Paare wünschen auch eine Feier in der Kirche. Die einen gehen ganz in der Organisation überschwenglicher Festivitäten auf, anderen bedeutet das ein Alptraum. Das Wahre wird wohl in der Mitte liegen! 
Dieser Tag soll den beiden, die heiraten, entsprechen. Er soll ihnen gehören, und vor allem darf der Aufwand den Sinn nicht erdrücken. Wo viel Aufhebens gemacht und ausgefallene "Gags" geboten werden, da stehe ich manchmal unter dem unguten Eindruck, daß Dinge verdrängt statt verarbeitet werden. 
Bei einer so wichtigen Sache wie bei der Heirat rächt sich Ungeduld. Es ist viel besser, den Zeitpunkt heranreifen zu lassen, bis man sich über die Vorstellungen und Ansprüche an diesen Tag im klaren ist. Denn ein wirklich gelungenes Fest läßt sich nicht so ohne weiteres organisieren. Es muß von innen heraus entstehen, nicht nur beim Brautpaar, sondern auch bei den Familien und Freunden, die sich zusammenfinden und mitfeiern. Ein frühzeitiger Kontakt mit dem Pfarrer wird sich ebenfalls bewähren. Wenn er die Trauleute kennt, kann er die Feier sehr persönlich gestalten. Falls es das Paar wünscht, kann die Feier auch im kleinen Rahmen ohne großen Aufwand begangen werden - sie muß nur sinnvoll und echt sein! 
Wenn sie das ist, dann ist unsere Bezeichnung für den Hochzeitstag als schönsten Tag des Lebens nicht übertrieben. An ihn wird man sich gern erinnern, um für jede neue Lebenslage wieder Kraft und Freude zu schöpfen.