CHRISTentum.ch
Ein Portal für das Christentum in der Schweiz
WER MIT DEM HERZEN SIEHT - Ratgeber für das Leben zu zweit

Partnerschaft

Hans (62) arbeitet selbständig in seinem Einmannbetrieb. Seine Frau Liselotte (60) erfährt von seinen teuren Anschaffungen für das Geschäft erst, wenn sie ins Haus geliefert werden. 
Peter (32) hat sich einen größeren und schöneren Wagen auf Abzahlung gekauft. Als er damit zu Hause vorfahrt, ist seine Frau Marianne (28) enttäuscht, weil sie nichts davon wußte und angesichts der prekären finanziellen Lage ohnehin dagegen gewesen wäre.
Sybille (46) ist mit ihren Freundinnen zum Tanzen gegangen. Die Männer haben sie in dem Glauben gelassen, sie tätigten Abendeinkäufe und gingen nachher noch in ein Caféhaus. 
Diese Beispiele sind extrem. Sie kommen aber häufiger vor, als man annimmt. Und sie zeigen etwas auf, das grundsätzlich gilt: Wo das Vertrauen fehlt, da kann sich keine Partnerschaft entwickeln, und Partnerschaft ist ein Ereignis, ein Vorgang, eine Aktion, die sich immer wieder zwischen zwei Menschen abspielt. Sie ist kein Zustand, der ein für alle Mal erreicht wäre, sondern eine Dynamik. 
Gerade angesichts oben genannter Beispiele tun wir gut daran, einseitige Schuldzuweisungen zu vermeiden. Zum einen sind wir glücklicherweise nie zu "Richtern" bestellt, zum andern müßten wir schon die ganze Geschichte kennen. Wie wir gesehen haben, heiratet man nicht grundlos und zufälligerweise einen Partner, sondern es ist eine Auswahl, hinter welcher subtile Vorgänge stecken, deren wir uns nie völlig bewußt sein können. Das soll uns aber nicht davon abhalten, sie zu ergründen, denn sie geben uns Hinweise darauf, welche Aufgaben zwei Menschen aneinander und miteinander zu erfüllen haben.
Nicht selten verbinden sich verschiedenartige Persönlichkeiten. Wie heilsam dies aufs Ganze gesehen auch sein mag, so sehr kann es im alltäglichen Leben zu entsetzlichen Spannungen führen! Wenn die Erwartungen und Empfindungen nicht ausgesprochen werden können und sich keine Verständigungsmöglichkeiten ergeben, sind Mißverständnisse die notgedrungene Folge. Falls es jedoch mit viel Taktgefühl, Liebe und Offenheit gelingt, einander gegenseitig zu verstehen, sind die unterschiedlichen Veranlagungen eine wertvolle Ergänzung, die wesentlich zum Gelingen aller Vorhaben beitragen.

Schwierig ist es, wenn der eine Teil vom Widerspruch des andern lebt. Selbst wenn es sich merkwürdig anhört, ist dies oft zu beobachten. Helene (42) beklagt sich über das mangelnde Interesse ihres Mannes Ernst (44) an Glaubensfragen. Er weigert sich grundsätzlich, praktizierender Christ zu werden, läßt es aber seit vielen Jahren ohne weiteres zu, daß seine Frau mit Hingabe Religionsunterricht gibt. An jenen Morgen nimmt er ihr sogar einen Teil ihrer Hausarbeiten ab und kümmert sich um die Kinder. Aber selber mal in die Kirche mitkommen - nein, auf gar keinen Fall! Warum hat der abweisende Ernst seinerzeit ausgerechnet die fromme Helene und kein anderes Mädchen geheiratet? Weil er indirekt von ihrem Glauben lebt! Würde sich Helene anders verhalten, wäre ihm nicht mehr wohl. Natürlich ist da viel Durchhaltevermögen, Verständnis und Geduld nötig sowie der unerschütterliche Glaube, daß auch diese Geschichte zwischen Gott und Mensch zum guten Ziele geführt wird. 
Daß der Widerspruch des einen dem andern in der Ehe noch ein Stück Kraft verleiht, das ist oft auch bei Alkoholikern der Fall. Charlotte (68) trägt diese Last seit Jahren mit ihrem Fritz (70). Wenn er betrunken nach Hause kommt, hört er sich die Vorwürfe seiner Frau ruhig an, er würde sich nie unterstehen, ihr ernsthaft zu widersprechen. Bloß einige Erklärungen pflegt er bereitzuhalten. Als Charlotte jedoch einmal kein Wort des Vorwurfes äußert, wird er fuchsteufelswild, ruft aus, ob er denn nicht willkommen sei, und schickt sich an, das Haus wieder zu verlassen. Fritz lebt vom Widerspruch seiner Frau, allerdings nur ein kleines Stück. Für ihn aber ist das wichtig, und auch hier braucht es viel Zuneigung, dies durchzustehen. 
So erfüllen Ehepartner oft auf rätselhafte Weise aneinander und miteinander ihre Aufgabe. Nicht jede ist einfach zu lösen! Vielfach gestaltet sich ein Verhältnis recht schwierig, und es soll doch weiterbestehen, denn der letzte Tag ist noch nicht angebrochen und die Geschichte noch nicht zu Ende. 

Es gibt auch immer wieder schöne Überraschungen: Klara (75) ist seit drei Jahren vollständig gelähmt. Ihr um zwei Jahre älterer, aber noch sehr rüstiger Mann Christian will sie auf jeden Fall bei sich zu Hause haben. Auf eine rührende Art besorgt er nun den Haushalt und kümmert sich liebevoll um seine kranke Frau. 
Nicht immer ergeben sich Rollenverteilungen so harmonisch wie bei diesem erfahrenen Ehepaar. Besonders in der ersten Zeit tut sich beinahe jedes Paar schwer, bis die "Hörner" - wie man so schön sagt - ein wenig abgestoßen sind und einigermaßen geregelt ist, was wer von wem erwarten kann. Wunschvorstellungen, die in den andern hineinprojiziert werden, und Traumbilder, die man sich vom andern macht, lösen sich in Luft auf. Zurück bleibt die Realität. Diese nimmt sich da, wo Liebe herrscht, letztlich aber viel schöner aus als jedes Luftschloß! Bis man dies jedoch erkannt und akzeptiert hat, ist es ein weiter Weg.
Es ist viel leichter, den anderen stets verändern zu wollen, als es mit sich selber zu versuchen. Aber es bringt nichts. Darum ist es doch besser, zuerst einmal kräftig bei sich selbst zu beginnen. Denn nur da kann man ganz sicher sein, daß eine Veränderung auch wirklich gelingt. Bei mir muß ich den Anfang machen, jetzt und hier, dann gerät tatsächlich etwas in Bewegung eine Bewegung, die sich auf jene Menschen auswirken wird, mit denen ich umgehe! 

Bewegung ist mühsam, Etablissement bequem. Während Jahrhunderten war die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau diskussionslos geregelt: Er sorgt für den Lebensunterhalt und fallt die Entscheidungen; sie besorgt den Haushalt und erzieht die Kinder. Da diese Aufgabenteilung geradezu zwanghaft wurde, hat man ihren absolut verstandenen Sinn zu Recht in Frage gestellt. Zumindest werden nun in einer Partnerschaft alle wichtigeren Entscheidungen zusammen gefällt und gemeinsam getragen, und auch an der Kindererziehung beteiligen sich möglichst beide Partner aktiv. Das heißt nun nicht, daß alle natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau verwischt werden sollen, aber daß die Abgrenzung der Aufgaben, der Rechte und Pflichten keineswegs mehr so strikt ist, wie das früher der Fall war. In gegenseitiger Befruchtung bringen die Partner auf allen Ebenen das ein, was sie einbringen können. Optik und Erleben werden auf diese Weise ungemein bereichert! Wenngleich man selbstverständlich nicht um eine Teilung der Aufgaben herumkommt, so soll doch über das gegenseitige Interesse hinaus möglichst vieles gemeinsam machbar, manches gelegentlich austauschbar sein. Das fördert das Verständnis und nimmt das Gefühl, man kämpfe allein auf seinem Posten. Es befreit auch vor eigener, enger Rollenauffassung. Es geht also nicht nur um den Gedanken der Gleichberechtigung, sondern um eine substantielle Bereicherung! In eine Diskussion wird eine Frau wieder andere Gesichtspunkte einbringen können als ein Mann. Darum sollten meiner Auffassung nach in sämtlichen Gremien, die Entscheidungen für beide Geschlechter treffen, Männer und Frauen gut gemischt vertreten sein. Da wir von einer solchen Zielvorstellung noch ziemlich weit entfernt sind, kommt der Erörterung aller gesellschaftlichen und persönlichen Probleme in der Partnerschaft eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. So wissen die Partner voneinander, wie sie denken, und im kleinen wird behutsam eingeübt, was sich im großen bewähren soll. 
Etliche hängen noch den Vorstellungen der Haustafeln im Epheserbrief (5,22-25) nach: "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter! Denn der Mann steht über der Frau, so wie Christus über der Gemeinde steht. Ihr Männer, liebt eure Frauen so, wie Christus seine Gemeinde geliebt hat! Er hat sein Leben für sie gegeben." Abgesehen davon, daß diese Aufforderungen sorgfältig und sehr ernsthaft in den Christusglauben eingebettet sind, handelt es sich um zeitbedingte Aussagen, um die wir heute neu zu ringen haben. Im gleichen Abschnitt werden die Sklaven zum Gehorsam gegen ihre Herren angehalten, und es würde wohl niemandem in den Sinn kommen, die Abschaffung der Sklaverei als unbiblisch zu betrachten! Der Grundsatz lautet vielmehr: "Als ihr auf den Namen Christi getauft wurdet, seid ihr mit Christus eins geworden. Es hat darum nichts mehr zu sagen, ob einer Jude ist oder Nichtjude, ob er Sklave ist oder frei, ob Mann oder Frau. Durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zusammen ein einziger Mensch geworden." (Galater 3,27-28) Der Christusglaube überwindet also alle religiösen, sozialen und geschlechtlichen Schranken. Es kann das Sinnvolle gelebt werden. Dies in allen Bereichen anzustreben ist unsere Aufgabe. 
Augustinus zitierte den Talmud sinngemäß wie folgt: Die Frau wurde dem Mann nicht aus dem Kopf genommen, daß sie ihn nicht beherrsche. Sie wurde ihm aber auch nicht aus dem Fuß genommen, daß sie ihm nicht zu Füßen liege. Sie wurde ihm aus der Seite genommen, damit sie ihm zur Seite stehe! Das ist noch heute ein brauchbares Bild für Partnerschaft: Seite an Seite, miteinander, um sich zu ergänzen und im gegenseitigen Du Erfüllung zu finden.