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Treue, Seitensprung oder offene Ehe?

Wir haben gesehen, daß es Tierarten - zum Beispiel unter den Vögeln - gibt, die ein ganzes Leben paarweise zusammen verbringen. Auf einem andern Blatt steht, wie es um die menschliche Treue bestellt ist, ob der Mensch von Natur aus monogam, also grundsätzlich auf einen Partner ausgerichtet ist. Während die einen leidenschaftlich an dieser These festhalten, bestreiten sie die anderen erbittert. In Wohngemeinschaften und mit der sogenannten offenen Ehe wurden neue Modelle erprobt; viel häufiger und bedeutsamer einzuschätzen sind jedoch heimliche Seitensprünge und außereheliche Liebschaften. Wie also steht es um die Ehe? Ist die eheliche Treue bloß ein Wunschbild oder gar eine Lüge? Oder handelt es sich hier um eine Zielvorstellung, die für viele nicht einmal den Versuch wert ist? 
Wir rufen uns nochmals in Erinnerung, daß die Ehe ein kostbares Gut ist und des Schutzes bedarf. Wir denken daran zurück, daß das Vertrauen kein einmal erreichter Zustand, sondern ein Wachstumsprozeß ist. Und wir halten uns vor Augen, daß die Ehe an erster Stelle stehen soll. Diese in vorhergehenden Kapiteln gewonnenen Erkenntnisse gilt es hier zu berücksichtigen. 

Die Bibel räumt der Ehe eines der zehn Gebote ein: "Zerstöre keine Ehe!" Oder wie man früher übersetzte: "Du sollst nicht ehebrechen!" (5. Mose 5,18) Die Ehebrecher gehören zu jenen, denen der Eintritt in das neue, himmlische Jerusalem einst verwehrt sein wird: "Die Verworfenen, die Zauberer, die Ehebrecher und die Mörder müssen draußen vor der Stadt bleiben. Dort sind auch die Götzenanbeter und alle, die das Falsche lieben und tun." (Offenbarung 22, 15) Das sind unmißverständliche und harte Worte. Hier geht es um etwas sehr Wichtiges. Man mag über die zehn Gebote denken, wie man will, eines steht fest: Sie berühren allesamt ganz entscheidende und deshalb auch empfindliche Lebensbereiche. Die zehn Gebote stecken Grenzen ab, innerhalb derer es sich gut leben läßt. Man kann gegen jedes einzelne der zehn Gebote verstoßen. Wir haben die Freiheit dazu. Aber es wird uns nicht guttun, sondern unser Leben erschüttern, durcheinander- und in Gefahr bringen. 
In der Bergpredigt hat Jesus das Gebot noch ausdrücklich verschärft, indem er es von der Tat auf den bloßen Gedanken an die Tat ausdehnte: "Ihr wißt, daß es heißt: Zerstöre keine Ehe! Ich aber sage euch: Wer die Frau eines anderen auch nur ansieht und sie haben will, hat in Gedanken schon ihre Ehe zerstört. Wenn dich dein rechtes Auge verführen will, dann reiß es aus, und wirf es weg! Es ist besser für dich, du verlierst ein Glied deines Körpers, als daß du ganz in die Hölle geworfen wirst. Und wenn dich deine rechte Hand verführen will, dann hau sie ab, und wirf sie weg! Es ist besser für dich, du verlierst ein Glied deines Körpers, als daß du ganz in die Hölle kommst." (Matthäus 5,27-30) Jesus war sich im klaren darüber, daß ein intensiver Gedanke annähernd gleich stark auf die Seele wirkt wie die vollzogene Tat. Ebenso übt er einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf denjenigen aus, dem er gilt, sofern ihn jener annimmt. Gedanken können ihre Wirkung haben! Darum hat sie Jesus so konsequent in seine Überlegungen einbezogen. Auch seine Worte sind klar und kompromißlos. Niemand kann ihnen ausweichen, denn wer will behaupten, seine Gedanken seien immer rein gewesen? Also ist schon auf Reinheit der Gedanken zu achten. 
Wer nun annimmt, Jesus habe Fehlbare wacker verurteilt und bestraft, sieht sich hingegen angenehm getäuscht. Wie eindeutig er in seinen grundsätzlichen Aussagen auftritt, so mild gibt er sich in bezug auf den konkreten, einzelnen Menschen: "Die Gesetzeslehrer und Pharisäer führten eine Frau herbei, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie so, daß sie von allen gesehen wurde. Dann sagten sie zu Jesus: Diese Frau wurde ertappt, als sie gerade Ehebruch beging. In unserem Gesetz schreibt Mose vor, daß eine solche Frau gesteinigt werden muß. Was sagst du dazu? Mit dieser Frage wollten sie ihm eine Falle stellen, um ihn anklagen zu können. Aber Jesus bückte sich nur und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nicht aufhörten zu fragen, richtete sich Jesus auf und sagte zu ihnen: Wer von euch noch nie gesündigt hat, der soll den ersten Stein auf sie werfen. Dann bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie das hörten, zog sich einer nach dem anderen zurück; die Älteren gingen zuerst. Zuletzt war Jesus allein mit der Frau, die immer noch dort stand. Er richtete sich wieder auf und fragte sie: Wo sind sie geblieben? Ist keiner mehr da, um dich zu verurteilen? Keiner, Herr, antwortete sie. Gut, sagte Jesus, ich will dich auch nicht verurteilen. Du kannst gehen; aber tue es nicht wieder!" (Johannes 8,3-11) 
Jesus verurteilt die Frau nicht, aber er heißt ihre Tat auch nicht gut. Er sagt zu ihr: "Tue es nicht wieder!" Damit gibt er ihr eine Chance, er läßt ihr Leben offen. Jesus geht es um das Leben dieser Frau, nicht um irgendwelche übergeordneten Prinzipien, Machtdemonstrationen oder Rechthaberei. Das Leben der Frau ist ihm wichtig genug. Er hat ihre Zukunft im Auge. Mit ihrer weiteren Lebensweise kann sie zeigen, daß sie dieser Güte würdig war. Die nüchterne und sachliche Reaktion Jesu ist sehr wichtig, weil bei sexuellen Problemen oft verdrängte Wünsche, versteckter Neid und die Abwehr eigener unbewußter Triebe mitspielen. 

Untreue beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Geschlechtliche. Sie tritt auch im geistigen Bereich auf, praktiziert auf platonische Weise.
Darüber hinaus kann es einer Ehe auch ganz erheblich zusetzen, wenn das Geschäft, ein Hobby oder Freunde wichtiger sind. Eine Ehekrise kann auch ausgelöst werden, wenn die Bedürfnisse des Partners ignoriert statt ernst genommen werden. Und noch etwas: Auf der Flucht vor sich selbst bleibt immer auch der Partner auf der Strecke! 
Georg (52), erfolgreicher Geschäftsmann und passionierter Alpinist, bestimmt seit vielen Jahren das Leben seiner Ehe und Familie. Seine etwas jüngere Frau Lydia (46) muß ihn entweder entbehren oder ihn zu gesellschaftlichen Anlässen begleiten, die sie weniger interessieren. Wenn sie Georg darauf anspricht, lacht er nur und geht nicht auf sie ein. Eine Eheberatung findet er unnütz, für ihn ist die Welt ja völlig in Ordnung. Eines Tages hält es Lydia nicht mehr aus. Sie sucht sich einen Freund und schlägt Georg die Scheidung vor. Er fällt aus allen Wolken. Nun drängt Georg auf eine Eheberatung, aber Lydia findet, es sei zu spät! 
An diesem Beispiel sehen wir, wie schwierig es ist, die Ursache für Eheprobleme zu finden. Meistens liegen sie viele Jahre zurück und keineswegs nur bei einem der Partner. Darum ist eine Ehe auf Verschnauf- und Denkpausen angewiesen. Sie braucht hie und da eine Rast, bei der offen miteinander diskutiert und abgetastet werden soll, ob man sich noch wirklich gemeinsam unterwegs befindet. 

Jürg (49) hat seit einiger Zeit eine heimliche Geliebte. Als Ruth (48) davon erfährt, ist sie sehr enttäuscht, denn auch sie hat sich schon mit dem Gedanken getragen, sich einen Freund anzulachen. Obwohl sie Jürg eine Riesenszene macht und ihm die Liebschaft vergällt, erliegt sie einige Zeit danach ihrer Versuchung. So völlig sicher ist sie sich ja doch nicht, ob Jürg nun tatsächlich treu ist und bleibt. Jürg kommt ihr auf die Schliche und fleht sie an, den Freund aufzugeben. Sie verspricht es ihm auch, führt das Verhältnis aber trotzdem weiter. Als Jürg Jahre später wegen einer bösen Krankheit im Sterben liegt, plagt Ruth das Gewissen, und sie fragt sich, ob sie ihm jetzt alles sagen soll! 
Wenn das Vertrauen einmal in Frage gestellt ist - und dazu braucht es nicht viel -, ist sehr viel Offenheit und Geduld auf beiden Seiten erforderlich, um es wieder herzustellen. Mißtrauen verscheucht die Liebe. Der Angelpunkt ist das ehrlich empfundene Eingeständnis, einen Fehler begangen zu haben, und die ebenso ehrlich gemeinte Bereitschaft zu verzeihen. Keine Ehe - und sei sie noch so gut kommt ohne die Vergebung aus. Denn ausgerechnet an jenen Menschen, mit denen wir täglich zusammenleben, werden wir am meisten schuldig. Mit dem Nachbarn kann man aus Distanz viel eher fehlerfrei umgehen als mit dem eigenen Ehepartner. Gerade an jenen Menschen, die wir am meisten lieben, werden wir auch am meisten schuldig. Verzeihen aber gehört zur Liebe, ist ein Bestandteil der Liebe. Wo die Liebe stark genug ist, wird es an Vergebung nicht fehlen, wobei die Liebe auf Dauer ohne Treue nicht auskommt. Liebe ohne Treue ist ein Schmuck ohne den, der ihn trägt. 
Aufschlußreich finde ich übrigens die Herkunft des Wortes Treue. Es entstammt dem indogermanischen "deru", und das heißt "Eiche, Baum". Treu sein bedeutet demnach: Eiche, Baum sein. Oder anders ausgedrückt: aus gutem Holz sein, Lebensbaum sein, verwurzelt und fest sein. Wer in der stechenden Sommerhitze schon einmal Zuflucht im wohligen Schatten eines Baumes gefunden hat, der weiß um dieses behagliche Geborgenheitsgefühl! Derjenige, der Treue übt, steht mitten im Leben, es ist Verlaß auf ihn, und man kann sich anlehnen an ihn wie an einen Baum. Wir reden ja auch von "bäumigen" Menschen und meinen damit treue, gute Menschen. 

Und wie steht es mit der "offenen Ehe"? Klappt das, wenn beide Partner in gegenseitigem Einverständnis ab und zu einen Freund oder eine Freundin haben? Wie verständlich solche Bemühungen, die den Ehebruch vermeiden wollen, auch sind, so sehr sind sie über längere Zeit hinweg doch zum Scheitern verurteilt. Denn was die "Offenheit" bewahren will, das zerstört sie: die Ehe. Alle drei Grundvoraussetzungen für ein harmonisches Eheleben werden nämlich preisgegeben: Die Ehe genießt keinen Schutz mehr. Das Vertrauen wird aufs Spiel gesetzt. Die Partnerschaft steht nicht mehr an erster Stelle. 
Alle Kraft erwächst im Widerstand. Alles Leben spielt sich innerhalb vorgegebener Grenzen ab und verläuft nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Wo sie verwischt und übersehen werden, da herrscht auf einmal Willkür, Zufall und Gefühlsverwirrung. Da wird niedergerissen statt aufgebaut. In einem solchen Klima fühlen sich die beiden Partner kaum mehr wohl - und Kinder schon gar nicht. 
Also doch: die Übung der Treue. Denn Treue ist eine Entscheidung, die Kraft erfordert. Kraft aber wird größer, wenn man sie nutzt. Das weiß jeder Sportler. Und so ist die Übung der Treue für die Entwicklung des Menschen allgemein wichtig. Dies wird sich auf seine ganze Persönlichkeit auswirken, weil sie gefördert wird. Die Ehe ist eine Schule, in welcher für das ganze Leben gelernt werden kann. Die Treue ist ein Hauptthema in dieser Schule!