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WER MIT DEM HERZEN SIEHT - Ratgeber für das Leben zu zweit

"Wohin soll ich mich wenden?"

Mit dieser alten Frage, die ihre Vertonung in der Deutschen Messe von Franz Schubert gefunden hat, sieht sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens von Zeit zu Zeit konfrontiert. Hie und da ist man froh, wenn man den Kummer einem verständnisvollen Außenstehenden erzählen kann, der die Probleme aus einer gewissen Distanz unbeschwerter anzugehen vermag. Aber aufgepaßt: Eheschwierigkeiten einem andersgeschlechtlichen Freund oder einer Freundin darzulegen erweist sich als heikel. Nicht selten wurde aus dem Tröster der Liebhaber oder aus der Trösterin die Geliebte - und neue Probleme standen ins Haus, statt die alten gelöst zu haben! Es können jedoch auch natürliche Hemmungen sein, die einen daran hindern, Ehekrisen im Freundeskreis zu erörtern. 
Ein Mann in den Sechzigern verriet mir einmal, wie er die meisten seiner Berufs- und Lebensprobleme lösen konnte: Immer, wenn ihn etwas störte, griff er zu Stift und Papier, notierte alles und dachte darüber nach. Aus diesem inneren Abstand heraus fand er oft die Lösung des Problems! Von der Seele Geschriebenes vermag zu entkrampfen, so daß gute Einfalle Platz zur Entfaltung haben. Das eigene Ich kann in vielen Fällen der beste Ratgeber sein. Nur ist diese Methode nicht jedermanns Sache, und manchmal sind einfach Dritte nötig. 

Also: "Wohin soll ich mich wenden?" Vielleicht wohnt in der Nähe eine Vertrauensperson, die ein offenes Ohr für die Anliegen von Mitmenschen hat. Es kann sich um ein Behördenmitglied handeln, um einen Arzt oder Seelsorger, die sich Zeit nehmen und der Schweigepflicht unterstehen. Es lohnt sich, Zeit dafür einzusetzen, denn wenn die Sorgen sich über körperliche Beschwerden Beachtung verschaffen, erfordern sie noch viel mehr Aufwand! Vielleicht bevorzugt man eine Fachkraft und wendet sich an eine kirchliche oder sonst öffentliche Familien- und Eheberatungsstelle. Diese verfügt über wertvolle Erfahrung, denn man steht mit seinen Problemen ja nicht allein da - andere leiden oft im verborgenen unter ähnlichen. Für bedrängte Frauen gibt es nun in fast allen größeren Städten Frauenhäuser, die Frauen und Kindern nicht nur Gehör, sondern auch Zuflucht bieten. Wer solche Schritte für nicht nötig hält oder sie noch nicht wagt, der kann sich dem Sorgentelefon anvertrauen, das es jetzt speziell auch für Jugendliche gibt. Viele Kinder und junge Leute befinden sich in einer unsagbaren Not, die sie niemandem aus dem Bekanntenkreis schildern können aus meist begründeter Angst vor den Erwachsenen! Es ist wichtig, sich dessen bewußt zu sein und Kinder stets von neuem diskret auf solche Hilfeleistungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. Die Telefonnummer der "Dargebotenen Hand" steht auf der ersten Seite des Telefonbuches wie jene des Störungsdienstes, des Sanitätsnotrufes oder der Straßenhilfe. Ein Anruf kostet fast nichts, man vergibt sich nichts, und die Stimme am anderen Ende bringt Geduld und Verständnis auf. Sie ist auch bereit, Kontakt zu Leuten herzustellen, die schnell zur Seite stehen. 
Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen ist ein erster Schritt zur Bewältigung des Problems, ein erster Schritt in eine bessere Zukunft! Hoffnungslosigkeit breitet sich erst da aus, wo der Wille schwindet. Darum ist ein Funken von Lebensmut unabdingbar. Das Vertrauen und die Zuversicht auf Gott wirken diesbezüglich rettend. Menschen können uns auf dem Weg führen, sie vermögen uns zu stützen, sie helfen uns auf, wenn wir gefallen sind, aber gehen muß seinen Weg schließlich jeder selber! Die unverzichtbare Kraft dazu verleiht letztlich der Schöpfer und Erhalter des Lebens. Der Glaube daran, daß er uns kennt und um unsere Zukunft weiß, läßt uns die Schritte auf dem Lebensweg vertrauensvoll wagen. Es ist gut, wenn ein solcher Glaube nicht erst in ausgesprochenen Notsituationen aufgebaut werden muß. Das könnte zuviel auf einmal bedeuten. Die Auseinandersetzung mit Glaubensfragen und der Aufbau von Vertrauen in den Grund der Lebensdinge sind als eine notwendige Vorsorge für Krisenzeiten und Schicksalsschläge zu betrachten. In seiner größten Not konnte Hiob (19,25) ausrufen: "Ich weiß, daß Gott, mein Anwalt, lebt! Er spricht das letzte Wort hier auf der Erde." Sich an Gott wenden heißt, den mächtigsten Fürsprecher des Lebens um Hilfe zu bitten. Eigentlich ist das ganz logisch: Derjenige, der mich ins Leben rief, steht mir auch in der Weiterführung dieses Lebens bei. In ihm hat alles Leben - auch meines seinen Grund und sein Ziel. Also weiß er auch um den Weg, und er wird ihn mir auch zeigen, wenn ich darauf höre, was er mir zu sagen hat. 
Recht realistisch und lebensnah verfaßt sind die Lieder des Kirchengesangbuches. Viele, die im Umgang mit der Bibel nicht so geübt sind, finden darin Hilfe. Mir fallt dabei zum Beispiel die fünfte Strophe des Liedes "Wer nur den lieben Gott läßt walten" ein:

"Denk nicht in deiner Drangsalshitze, 
daß du von Gott verlassen seist, 
daß ihm nur der im Schoße sitze, 
den alle Welt für glücklich preist. 
Die Folgezeit verändert viel 
und setzet jeglichem sein Ziel."

Daran denke ich oft, wenn ich betrübt bin: "Die Folgezeit verändert viel ..." Nach Sturm und Regen muß die Sonne wieder scheinen!