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Interview mit Pfarrer Jakob Vetsch

Kerstin Bärtsch-Schnabel: Jakob Vetsch, was hat Sie zur Neuauflage Ihres interessanten Beratungsbuches bewogen?

Jakob Vetsch: Mein Ratgeber für das Leben zu zweit erschien erstmals im Jahre 1988 und war nicht mehr erhältlich. Viele Leute mögen das Buch, es wird auch von Zivilstandsämtern den Hochzeitspaaren als Geschenk überreicht, und so hat der Verlag mich gebeten, es zu überarbeiten.

Kerstin Bärtsch-Schnabel: Welche Themen sind überarbeitet worden und warum?

Jakob Vetsch: Der Inhalt als Ganzes ist nach wie vor aktuell. Das Buch wurde bereits im Geiste des neuen Eherechtes geschrieben, und ich staune selber, mit welcher Konsequenz ich schon damals eine gute Linie vertreten habe. Vieles hat sich in der Zwischenzeit bestätigt und wurde auch von anderer wissenschaftlicher Seite her erhärtet oder vertieft. Ich bin mit einigen engen Freunden alles durchgegangen, es gab wertvolle Ergänzungen, und die weiterführenden Literaturangaben sind dem neusten Stand angepasst worden.

Kerstin Bärtsch-Schnabel: In unserer neuen Kommunikationsgesellschaft, in der das Wort Kommunikation und ihre Formen ständigen Veränderungen unterliegen, wird die Bedeutung der Printmedien immer häufiger hinterfragt. Die elektronischen Medien rücken mehr und mehr in den Vordergrund. Warum gerade jetzt eine Buchneuauflage?

Jakob Vetsch: Bei meiner langjährigen Präsenz im Internet freut es mich ganz besonders, eines meiner vielen Bücher gerade zum jetzigen Zeitpunkt neu herausgeben zu dürfen. Ich habe schon in der Anfangszeit des Internets die Ansicht vertreten, daß Bücher nie überholt sein werden. Auch der moderne Mensch möchte immer wieder mal etwas, das er liest, in Händen halten können. Das wird so bleiben, davon bin ich überzeugt.

Kerstin Bärtsch-Schnabel: Für Sie als Seelsorger und Berater für vor allem junge Menschen zu den Themen Liebe, Partnerschaft, Ehe, Sexualität spielen inzwischen die neuen elektronischen Medien wie Internet, eMail, SMS und WAP eine wichtige Rolle. Wie werden diese in Ihrer Arbeit eingesetzt?

Jakob Vetsch: Ich durfte im Jahre 1995 die Internet-Seelsorge ins Leben rufen und 1999 ebenso die erste SMS-Seelsorge der Welt. Das sind sehr niederschwellige Angebote; die Anfrage fällt den Ratsuchenden leichter als auf den herkömmlichen Wegen. Es ist gut, ihnen dies anzubieten und ebenso in schriftlicher Form zu antworten. Trotzdem möchte ich das persönliche seelsorgerliche Gespräch nicht missen. Es soll die drei Wege der Seelsorge geben: from face to face (von Angesicht zu Angesicht), voice (Telefonseelsorge) und eMail/SMS (elektronische Brief- und Kurzbrief-Seelsorge).
Ins Buch sind Erfahrungen aus der Internet- und SMS-Seelsorge mit eingeflossen. Zum Beispiel im Kapitel "Wohin soll ich mich wenden?" Viele tun sich heute schwer damit, eine unglückliche Beziehung zu beenden und fröhlich weiter zu leben. Da braucht es oft Beistand.

Kerstin Bärtsch-Schnabel: Was sind die wichtigsten Fragen, mit denen junge Leute heute an Sie herantreten, und was hat sich verändert zur Situation von vor vierzehn Jahren, als Ihr Buch in Erstauflage erschien?

Jakob Vetsch: An erster Stelle stehen tatsächlich die Beziehungsfragen, ob es wirkliche Liebe gibt, wie man den richtigen Partner erkennen kann und wie man sich bei Liebeskummer verhält. Mir scheint, daß wir uns heutzutage schwerer damit tun, zueinander zu finden und beieinander zu bleiben. Ich weise auch viel mehr als früher auf die Wichtigkeit hin, daß beide dasselbe wollen in einer Partnerschaft und daß man sich recht früh darüber im Klaren sein sollte. So bewahrt man sich vor Enttäuschung und Leid.

Kerstin Bärtsch-Schnabel: Aus welchen sozialen Schichten kommen die Menschen, die bei Ihnen Hilfe suchen? Spielen Drogen und Aids eine immer größere Rolle, und wo haben sich die Schwerpunkte verschoben?

Jakob Vetsch: Da sind alle sozialen Schichten vertreten, wie das immer war, wenn es um die Liebe und das Leben geht (lächelt). Ich habe den Eindruck, daß Drogen- und Aidsprobleme weniger gravierend, aber dafür umso alltäglicher und breiter erscheinen. Bei Drogen denke ich auch an die übermäßige Einnahme von Alkohol; dies wird in unserer Gesellschaft verharmlost und unterschätzt. Übersehen wird oft auch die schwierige Rolle von Mitbetroffenen bei chronischen Krankheiten. Wir leben in unserer freien und offenen Gesellschaft immer noch mit entsetzlichen Tabus. Viele Menschen leiden im Stillen sehr, weil sie sich ihrer Probleme schämen. Aufzuzeigen, daß viele andere dieses Problem auch haben, daß sie nicht alleine sind, und sie ein Stück des Weges zu begleiten, das ist mir wichtig.
Überspitzt ausgedrückt sehnen sich alle nach einer schönen Beziehung; aber ebenso sehr haben alle ihre "liebe" Mühe damit. Diese Erscheinung tritt verstärkt auf.

Kerstin Bärtsch-Schnabel: Wem würden Sie die Lektüre Ihres Buches am meisten empfehlen?

Jakob Vetsch: Das Buch ist für Brautleute gedacht ... und für solche, die seit vielen Jahren verheiratet sind und eine Auffrischung suchen!

Zürich, 30. Juni 2002




last update: 11.04.2021