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Predigt vom 4. Februar 2007 in der Matthäuskirche Zürich,
gehalten von Pfarrer Jakob Vetsch – "Jesus heilt" – Johannes-Evangelium 4,46-54


Heil-ung!

So kam Jesus wieder nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser in Wein verwandelt hatte. Da war ein königlicher Beamter, dessen Sohn in Kafarnaum krank darniederlag. Als dieser hörte, Jesus sei von Judäa nach Galiläa gekommen, ging er zu ihm und bat, er möge herabkommen und seinen Sohn heilen; denn er lag im Sterben.
Jesus sagte zu ihm: "Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht."
Der königliche Beamte bat ihn: "Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt."
Jesus erwiderte ihm: "Geh hin! Dein Sohn lebt."
Der Mann glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte, und ging.
Bereits unterwegs kamen ihm die Knechte entgegen und meldeten, dass sein Sohn am Leben sei.
Er erkundigte sich nun bei ihnen nach der Stunde, in der es mit ihm besser geworden sei. Sie sagten ihm: "Gestern um die siebte Stunde verließ ihn das Fieber."
Da erkannte der Vater, dass es zu der Stunde war, in der Jesus ihm gesagt hatte: "Dein Sohn lebt." Und er wurde gläubig mit seinem ganzen Haus.
Dieses zweite Zeichen wirkte Jesus, nachdem er aus Judäa nach Galiläa zurückgekehrt war.
Johannes 4,46-54

Wer nun hat den Jungen gerettet? War es der besorgte Vater, der zu Jesus gekommen war, seine Hoffnung, sein Vertrauen, sein Glaube? War es Jesus mit seiner Heilkraft, ja seiner Fernheilkraft, weil es ihm um den Knaben ging, um den Glauben des Vaters oder darum ein Zeichen zu setzen? Rettete die Begegnung der Beiden den Jungen? Das Zusammenkommen des Vaters mit Jesus, besteht darin die Kraftquelle?
Vielleicht dürfte man gar nicht so fragen, wer von den Beiden hat nun den Jungen gerettet. Aber diese Frage öffnet unseren Blick dafür, dass die Heilung des Jungen etwas mit Jesus und dem Vater zu tun hat, also auch mit der Begegnung des Vaters mit Jesus zusammenhängt. Denn in jener Stunde verließ den Sohn das Fieber, steht geschrieben.
Es ist also verheißungsvoll, wenn Väter und Mütter und auch Großväter und Großmütter Jesus begegnen. Diese Stunde bedeutet Segen und Heil für ihre Kinder wie auch für sie selbst. Es ist überhaupt verheißungsvoll, wenn Menschen Jesus begegnen. Da treffen Welten aufeinander, da findet Gott Menschen, da finden Menschen zu Gott. Das bedeutet zu einander und zu sich selbst finden, ganz, heil, gesund werden, glücklich sein und Zufriedenheit genießen.

Wir mögen jetzt zu Recht einwenden, nicht jede Krankheitsgeschichte mündet in Heilung. Auch den Apostel Paulus plagte "ein Dorn für das Fleisch", wahrscheinlich eine Epilepsie. Er bat Gott mehrmals inständig um Gesundheit, aber er bekam die Antwort: "Meine Gnade ist genug für dich, denn die Kraft erreicht ihre Vollendung in Schwachheit." (2. Korinther 12,9a) Trotzdem wusste er um sein Heil, um seine Ganzheit in Gott. Gesundheit ist das höchste der irdischen Güter, aber sie ist nicht alles. Es gibt auch das Eins-sein mit Gott, es gibt den Frieden, es gibt das ewige Leben!
Ich traf sehr kranke Menschen, die einen unaussprechlichen Frieden und eine große Seligkeit ausstrahlten. Ich traf aber auch Gesunde, die sehr unglücklich und unzufrieden waren. Das Glück geht seine eigenen Wege, ungeachtet der äußerlichen Verfassung, des Reichtums oder der Armut, ungeachtet auch der Stellung in der Gesellschaft. Klar ist, dass Frieden und Glück, Glaube, Hoffnung und Liebe dem ganzen Menschen gut tun.

Eine beliebte TV-Sendung hieß mal "Spiel ohne Grenzen". Teilnehmer aus europäischen Ländern trafen zusammen. Das Spiel verband viele Menschen über die Landesgrenzen hinweg. Die Realität sieht oft anders aus: Schmerzliche Grenzen trennen im Alltag, nicht nur Landesgrenzen.
In unserer biblischen Erzählung ist das nicht so. Ein königlicher Beamter wendet sich für seinen Sohn an einen Wanderprediger. Die Not macht den Mächtigen zum Ohnmächtigen. Er vertraut sich einem mächtigen Ohnmächtigen an. Die Rollen sind vertauscht. Grenzen dominieren nicht mehr wie noch kurz zuvor. Auch die Rasse wäre jetzt belanglos, Partei und Konfession Nebensache.
Not kennt keine Grenzen. Es gibt auch die grenzenlose Not. Glaubende und hoffende Menschen kann sie zur vertieften Geschwisterschaft führen. Das ist so, weil Gott schon lange vor uns diesen Weg gebahnt hat. Er hat Grenzen überschritten. Er führte Mose mit seinem Volk aus Ägypten heraus ins gelobte Land hinein. Er wurde Mensch. Er rief die Weisen aus dem Morgenland. Er begleitete Joseph und Maria mit dem Jesuskind nach Ägypten in die Sicherheit. Und er ließ die Gute Botschaft des Evangeliums über die ganze Erde hinweg erklingen.
Gott überschreitet in heilsamer und in heilender Weise Grenzen. Wir dürfen mit ihm gehen und im Nächsten die Schwester oder den Bruder erkennen, welcher Hautfarbe auch immer, welcher Stellung, welcher Lebenslage.

Eine Legende erzählt von einem Unfall, der sich in der Nähe einer Kirche ereignete. Menschen waren zwar zugegen, aber die standen unschlüssig da und redeten viel. Den Verletzten wurde nicht geholfen. Da eilte ein Mädchen ins Gotteshaus und bat Jesus um Hilfe. Der zog sich die Nägel aus den Händen und den Füssen, begab sich an die Unglücksstelle, verband die Wunden der Verletzten und rettete einem Sterbenden das Leben. Die umherstehenden Menschen wunderten sich, mit welcher Leichtigkeit der Mann anderen half. In diesem Moment erkannte ihn eine Frau und es fiel allen wie Schuppen von den Augen. Was aber taten sie? Sie ergriffen Jesus, trugen ihn in die Kirche zurück und schickten sich an, ihn wieder ans Kreuz zu nageln. Sie konnten es sich einfach nicht vorstellen, dass es Jesus auch außerhalb der Kirche geben soll. Das aber ließ sich Jesus nicht gefallen. Er sprang vom Altar herab und tauchte in der Menschenmenge unter.
Jesus lässt sich nicht in zu enge Vorstellungen pressen. Er passiert Grenzen. Auch die des Todes. Im besten Sinn ein Grenzgänger also. Wenn wir ihm nachfolgen, tun wir das auch. Wir bleiben zwar verwundbar, wir wissen aber auch um Heil und Heilung! Wir haben zwar Angst in der Welt, wir wissen aber auch um die Auferstehung!

Das Gegenteil vom Tod ist die Be-weg-ung, ja der Weg, den jener königliche Beamte unter die Füße genommen hatte: der Weg zu und das Vertrauen in Jesus. Gott kennt unsere Lebensgeschichte. Bei ihm sind alle unsere Tage aufgeschrieben. Wir sind Wanderer und was bleibt sind Glaube, Hoffnung und Liebe. Das Ziel ist in jedem Fall das ewige Leben. Also doch: Ein "Happy-End" für das "Spiel ohne Grenzen". Auch wenn es zwischendurch ganz anders aussehen mag. Das ist unsere Hoffnung, die uns ganz viel Kraft gibt.
Lasst uns nicht zaudern und zögern, lasst uns nicht hin und her machen, lasst uns nicht vor dem Bösen resignieren. Es ist noch viel zu tun!


last update: 28.09.2015