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Predigt zum Eidgenössischen Dank, Buss- und Bettag,
16. September 2012 in der Wasserkirche Zürich,
gehalten von Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Zürich

Kumpanen Christi – Vom Abendmahl


Predigttext: 1. Korintherbrief 11,23-26

"Ich habe nämlich vom Herrn empfangen,
was ich auch an euch weitergegeben habe:
Der Herr, Jesus, nahm in der Nacht, da er ausgeliefert wurde,
Brot, dankte, brach es und sprach:
'Dies ist mein Leib für euch. Das tut zu meinem Gedächtnis.'
Ebenso nahm er nach dem Essen den Kelch und sprach:
'Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.
Das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.'
Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt,
verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis dass er kommt."


Liebe Gemeinde

"Mit dem Abendmahl kann ich nichts anfangen, mit der Predigt schon!" Ein Mann mittleren Alters sagt das vor einem Feiertag mit bestimmtem Tonfall. Er will ehrlich sein. Auf ein ziemlich verdutzt-fragendes Gesicht seines Gegenübers doppelt er nach: "Ja, das Abendmahl verstehe ich nicht, mit der Predigt kann ich mehr anfangen."

Eine Abendmahlsfeier im Gottesdienst einer unserer Kirchgemeinden: Zu Beginn werden einige theologische Worte gesagt. Die Teilnehmer horchen auf, sodass gleich klar wird: Das ist selten, da müssen wir aufpassen, wir möchten etwas Genaueres erfahren. Es wird richtig aufgesogen, darüber nachgedacht, und sogleich freudig umgesetzt.

Wenn man da ein bisschen die Türe öffnet, ist man ja so gerne dabei. Stellt euch vor, ein Pfarrer kommt neu in eine Gemeinde. Die Kirchenpflege erklärt, das Abendmahl werde wandelnd eingenommen, worauf er sagt: Aha, nach calvinischem Brauch – und er stellt fest, dass offensichtlich die Meinung herrscht, diese Form sei zürcherisch.

Schauen Sie, solche Dinge haben wir im Mitarbeiterteam dieses Gottesdienstes besprochen und dabei festgestellt, dass nun vor lauter Experimentierfreude und Vorlieben von Mitwirkenden und Teilnehmenden ein ziemliches Durcheinander im Verständnis und eine Verunsicherung in der Durchführung herrschen. Jeder hat seine Vorlieben.

Natürlich kann man das verschieden gestalten. Aber wenn allen Aspekten Rechnung getragen werden soll, verkommt das Abendmahl zum Selbstbedienungsladen oder zur Selbstverwirklichungsszene, statt dass wir uns unbekümmert bedienen lassen und das Erhaltene freudig weiterreichen. Das Abendmahl ist MitTEILung, TEILnehmen und TEILen.

Da steckt drei Mal das Wort Teil drin. Teile kann es nur geben, wo ein Ganzes existiert. Die Mitteilung ist die Frohe Botschaft. Teilnehmen heisst da wörtlich, auch seinen Teil nehmen. Und das Teilen bedeutet das Weiterreichen des Erhaltenen. Die offene Hand, die empfängt, die gibt auch.

Das ist mehr als blosse Anwesenheit. Das bedeutet Dazugehören, Dabeisein, in der Bewegung des Lebens drin sein, etwas Grosses erhalten und etwas davon weitergeben. Es ist ein Zusammengehören, ein Luftkriegen, ein Sichentfaltenkönnen, ein angenehmes Aufgehobensein auch. Da ist auch Halt, Boden unter den Füssen, damit die Seele und der ganze Mensch gut ausruhen und gestärkt weiter wandern können.

Ich sehe vor mir den jungen Pfarramtskandidaten aus Deutschland, ein hochstudierter Kollege mit besten Qualifikationen, der für die Zulassung zum Pfarramt in der Schweiz ein Eignungsgespräch zu absolvieren hatte und nach allfälligen Liturgiezwängen der hiesigen Kirchen gefragt wurde. Er sei recht ins Schwitzen geraten, erzählte er später, denn von dieser Seite her habe er sich das noch gar nie so recht überlegt. Zuerst habe er an den Talar gedacht, aber so zwingend ist dieser ja auch nicht. Erst dann sind ihm Taufe und Abendmahl in den Sinn gekommen, die beiden einzigen Sakramente der reformierten Kirchen.
Die werden direkt aus der Bibel abgeleitet. Wir kennen den Taufbefehl vom Schluss des Matthäus-Evangeliums und wir kennen die Taufe auf den Namen Jesu und auf den Namen von Gott Vater, Sohn und heiliger Geist. Wir kennen auch die Einsetzungsworte, die vor jedem Abendmahl in unseren Kirchen gesprochen werden. Nur bei Taufe und Abendmahl kann von sogenannten Liturgiezwängen gesprochen werden. Das zeigt auch die Wichtigkeit von beiden.

Werfen wir einen Blick auf den Predigttext, auf die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Der Apostel Paulus leitet eindrücklich ein: "Ich habe nämlich vom Herrn empfangen, was ich auch an euch weitergegeben habe." Ich finde, dabei sollten wir bleiben: Christus gibt das Abendmahl, wir reichen es weiter. Der Herr Jesus hat das Abendmahl eingesetzt, wir empfangen es und geben es weiter. Wir feiern Abendmahl. Und wie, das hat uns der Herr gesagt. Wir dürfen es annehmen, besonders dann, wenn wir uns bewusst sind, dass wir im Grunde der Dinge nicht würdig sind und der Vergebung bedürfen.
Auch dazu hat Jesus sich eindeutig geäussert: Er ist gekommen, das Verlorene zu suchen und zu retten. Das dürfen wir annehmen, immer wieder, bei jedem Abendmahl. Sonst wäre das Abendmahl ja auch eine einmalige Angelegenheit wie es die Taufe darstellt. Ich bin froh um das Abendmahl, um dieses Gemeinschaftsangebot von Gott in Jesus Christus.

Der Apostel fährt fort: "Der Herr, Jesus, nahm in der Nacht, da er ausgeliefert wurde, Brot, dankte, brach es und sprach: Dies ist mein Leib für euch. Das tut zu meinem Gedächtnis."
So schön: Er bricht das Brot, mein Teil für dich, ich bin für euch. Denkt einfach daran. „Das tut zu meinem Gedächtnis.“ Er macht uns – buchstäblich – zu seinen Kumpanen. Ja, Kumpan kommt aus dem Lateinischen und heisst "Mit-Brot". Das Abendmahl ist gewissermassen Mit-Brot total. Christus gibt sich uns. Wir sind in seiner Gemeinschaft, wir sind seine Gemeinschaft, seine Kumpanen. Das geht tief und trägt weiter.

"Ebenso nahm er nach dem Essen den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut. Das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis."
Wir sind mit Gott verbündete Kumpanen, Mitglieder des Christusbundes. Manche fragen sich, ob sie einen oder drei Schlücke nehmen sollen. Man kann beides. Einen Schluck für das Ganze, oder drei Schlücke, die sich ursprünglich auf den dritten Tag der Auferstehung beziehen und bedeuten: Mit Christus sterbe ich, mit ihm auferstehe ich aber auch.
Unser Bibelabschnitt schliesst nämlich mit den Worten: "Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis dass er kommt."

Bleibt die Frage, ob wir das Abendmahl sitzend oder wandelnd einnehmen sollen. Dazu äussert sich Jesus nicht. Es unterliegt auch nicht dem Liturgiezwang unserer Kirchen. Zwingli hat die Gnade betont: Du kannst sitzen bleiben, Jesus kommt zu dir. Calvin hat das Abendmahl als Wegzehrung für das wandernde Gottesvolk betrachtet, wir sind unterwegs und erhalten Stärkung.
Indem wir das Abendmahl sitzend einnehmen und Brot und Kelch einander weiterreichen, ist das allgemeine Priestertum hervorgehoben: Jeder darf es weitergeben. Der Pfarrer hat eine bestimmte Funktion im Gottesdienst. Brot und Kelch müssen jedoch nicht aus seiner Hand kommen – das erhalten wir von Christus durch die Hand unseres "Mit-Kumpanen".

Dabei mögen wir auch an die Emmaus-Jünger denken, die den Auferstandenen ja nicht sogleich erkannt haben. Als er aber das Brot mit ihnen brach, da heisst es so schön, da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn.

Ich freue mich darauf, das Abendmahl mit Ihnen zu feiern. Wir machen es diesmal ganz einfach nach Zürcher Tradition. Christus kommt zu uns. Wir dürfen sitzen bleiben und reichen Brot und Kelch weiter.
Wer aus welchem Grund auch immer auf etwas verzichten möchte, soll das ruhig tun und das Erhaltene einfach weiter geben. Christus ist ja so weit und gross. Da sollen wir nicht kleinlich sein.

An diesem Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag möchten wir uns daran erinnern, dass es Jesus war, der das Abendmahl eingesetzt hat. Der Apostel hat uns das überliefert. Wir empfangen und geben weiter. Wir dürfen Kumpanen Christi sein. Wir nehmen Teil daran und wir sind Teil davon. Wir sind die Gemeinschaft Gottes an diesem Ort seiner Stätte. Wir sind verbunden im Namen dessen, der ist und der war und der kommt.
Das ist in meinen Augen etwas ganz Grosses und Schönes und Tiefes. Grund, Busse zu tun und sich Gott wieder aufs Neue hinzuwenden. Grund zur Dankbarkeit. Und Grund zum Lobpreis.

Amen.



last update: 15.09.2012