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Predigt zum 23. September 2012, gehalten in der Kirche St. Peter,
durch Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Zürich



Der siebenarmige Leuchter – Die Menora


Predigttext Offenbarung des Johannes 1,20:
"Mit dem Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und mit den sieben goldenen Leuchtern ist es so: Die sieben Sterne sind die Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind die sieben Gemeinden."


Liebe Gemeinde

Der siebenarmige Leuchter, die Menora – Warum soll sie ein Predigtthema in einer reformierten Kirche sein? Da gäbe es doch sicher noch andere Dinge zum Verkündigen und Überdenken, andere Themen der Erbauung vielleicht auch.

Aber schauen Sie: Es kommt jetzt bald jene Zeit, die ich gerne die "Marroni-Zeit" nenne, dieses gesunde Nahrungs- und Genussmittel, das in der kalten Jahreszeit den Magen wärmt und dem ganzen Körper Energie spendet.
Es ist auch die Zeit der Lichter für uns; da zünden wir gerne wieder einmal eine oder mehrere Kerzen an. Das ist heimelig, es lässt uns nach den schönen Sommerausflügen auf uns selbst besinnen und die Qualitäten vom Zuhause und den vier Wänden spüren, in denen wir uns geborgen fühlen dürfen. Man soll jeder Zeit im Jahreslauf das Gute und Schöne abgewinnen, das Kraft spendet und Freude gibt.

So ist mein Blick wieder einmal auf den siebenarmigen Leuchter, eben die Menora der Juden gefallen, und ich finde sie schön. Bereits in meiner Studienzeit hatte ich mir eine solche zugelegt, und heute hab ich eine davon zuhause in der Wohnung und eine im Büro an meinem Arbeitsplatz in der Kirche von Sihlcity.

Das ist ein sogenanntes ergänzendes Seelsorgeangebot, das von den Kirchgemeinden der Stadt Zürich ökumenisch betrieben wird und auch interreligiös offen ist. Die weissgoldene Kapellentüre enthält die Symbole der fünf Weltreligionen, das Ohm der Hindus, das Rad des Buddha, die Menora der Juden, das Kreuz der Christen und die zunehmende Mondsichel der Muslimen.

Am Anfang hatten wir für das Judentum den Davidsstern. Da wurde immer bisschen rumgemacht daran. Er ist leider historisch sehr belastet. Wir haben dann gemerkt, dass die Menora älter ist und haben diese hin getan.

Der siebenarmige Leuchter wird minutiös beschrieben im zweiten Buch Mose, Kapitel 25, Verse 31 bis 39:

"Dann mache einen Leuchter aus reinem Gold. Als getriebene Arbeit aus einem Stück soll der Leuchter gemacht werden, sein Fuss und sein Schaft, seine Kelche, Knäufe und Blüten. Und sechs Arme gehen von seinen beiden Seiten aus, drei Arme des Leuchters auf der einen Seite und drei Arme des Leuchters auf der anderen Seite. Drei mandelblütenförmige Kelche sind an dem einen Arm, mit Knauf und Blüte, und drei mandelblütenförmige Kelche an dem anderen Arm, mit Knauf und Blüte ..."

menora.jpg

Foto: Jakob Vetsch, 21. September 2012

So schön, gut und stark. Der Leuchter hat die Verwurzelung eines Baumes mit der Qualität der Blüten und dann eben des Lichtes. Der Baum gründet in der Erde und er wächst dem Licht entgegen. Seine Zweige bringen Blüten und Früchte hervor. Es ist Herbstzeit, Erntezeit. Wir dürfen uns kräftigen und geniessen aus dem Füllhorn der Gnade des Herrn, die Früchte fruchtbaren Wachstums und harter Arbeit von Menschen.
Schöpfung, Berufung, Gnade, Arbeit und Glaubenskraft kulminieren da zu etwas Stärkendem und Kostbarem. Die Worte der Bibel werden so sichtbar und greifbar, essbar auch und geniessbar. Alles aus Gnade. Ich erlebe es so.

Die Bibel vergleicht auch den Menschen mit einem Baum, wenn etwa Psalm 1 sagt: "Wohl dem, der seine Lust hat an der Weisung des Herrn. Der ist wie ein Baum, an Wasserbächen gepflanzt: Er bringt seine Frucht zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht. Alles, was er tut, gerät ihm wohl."

Und dann kommt noch das schöne Lichtergeschenk der Menora dazu, der siebenarmige Leuchter aus Gold. Wir können denken: Für jeden Tag in der Woche ein Licht! Ein erfahrener Jude hat mir mal gesagt: "Wir leben im Tag." Er hat sich auf die Psalmenstelle bezogen: "Lehre uns unsere Tage zählen, dass wir ein weises Herz gewinnen." Das heisst nicht, in den Tag hineinleben, aber es bedeutet, mit dem Tag leben und sein Licht ausschöpfen, den Tag nutzen. „Wirket, solange es Tag, denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann!“ ruft Jesus uns zu.

Im einzelnen Arm des Leuchters könnte sich auch der Mensch als Lichtträger sehen. Jesus hat auch gesagt: "Ihr seid das Licht der Welt!" Dann ginge es um das Seelenlicht, das wir tragen, oder auch um das Lebenslicht, das wir haben und das wir auch sein dürfen.
Und darum geht es auch, dass wir als solche nicht allein sondern in einer Gemeinschaft aufgehoben sind, in der Gemeinschaft der Sieben, einer Vollkommenheitszahl, einer Zahl Gottes, denn wir sind seine Gemeinschaft, seine Kirche.

Im Buch der Offenbarung – wir haben es im Predigttext gehört – stellen die sieben Leuchter die sieben Gemeinden dar. Auch das ist ein schönes und tiefes Bild. Die Gemeinden tragen das Licht des Wortes Gottes weiter. "Dein Wort ist meines Fusses Leuchte und ein Licht auf meinem Wege." So steht es in den Psalmen aufgeschrieben.
Es ist schon enorm, dass das Wort Gottes, welches das Licht als erste Tat geschaffen hatte – "Es werde Licht!" – nun selbst Licht ist.
In den Gemeinden lebt das Wort Gottes, da wird es nahe erfahrbar. Sie möchten nicht die Asche aufbewahren, sondern die Fackel weitertragen. Das geht auf ein Wort von Thomas Morus zurück, dem wir das einzige Gebet um Humor in der Kirchengeschichte verdanken. Er hatte einmal gesagt:

"Tradition ist nicht das Halten der Asche,
sondern das Weitergeben der Flamme."

Ja, die BeGEISTerung, in der immerhin das Wort "Geist" steckt, die hat Flügel und ist ansteckend. Als einzelne Gläubige, als Gemeinde, als Menschen tragen wir das von Gott geschenkte Lebens- und Seelenlicht frohgemut weiter, gefestigt, geborgen und mit weitem Land vor den Füssen, bis wir einst ins andere Land sehen, wo es kein Leid, keinen Schmerz und keinen Tod mehr gibt und das Licht uns ewig leuchtet.

Amen.


last update: 21.09.2012