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Respekt



Predigt zum Sonntag, 31. Juli 2016
St. Anna Gemeinde Zürich, gehalten von Pfarrer Jakob Vetsch

"Respekt für Alle"

Predigttext 1. Petrus 2,17: "Behandelt alle Menschen mit Respekt, liebt die Brüder und Schwestern, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser!"

Liebe Gemeinde

Sie könne unmöglich sämtliche Kinder ihrer Schulklasse lieben, seufzte eine praktizierende christliche Lehrerin; das bedeute eine glatte Überforderung. Mit dem Hinweis, dann sollte wenigstens die Barmherzigkeit zum Tragen kommen, konnte sie umgehen. Aber vielleicht ist das schon zu viel verlangt? In unserem Predigttext aus dem 1. Petrusbrief lesen wir in der Zürcher Bibel von 2007 vom "Respekt" gegenüber "allen Menschen". Es wird da empfohlen: "Behandelt alle Menschen mit Respekt, liebt die Brüder und Schwestern, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser!"

Bei genauem Hinsehen überrascht die Vielfalt der Bezeichnungen in den verschiedenen Übersetzungen. Nach Luther tönt es schlicht und eingängig: "Tut Ehre jedermann, habt die Brüder lieb; fürchtet Gott, ehret den König!"
Die spritzige, recht freie Volxbibel mahnt in heutigem Deutsch: "Werdet nicht arrogant, geht mit andern Menschen respektvoll um. Liebt eure Glaubensgeschwister. Vor Gott sollt ihr auch riesengrossen Respekt haben. Und respektiert auch die Regierung."
Es sei gestattet, noch den Wortlaut der King James Version zu vernehmen: "Honour all men. Love the brotherhood. Fear God. Honour the king."
Was wir allen Menschen gegenüber tun sollen, wird im griechischen Urtext des Neuen Testamentes spannenderweise mit demselben Wortstamm [τιμάω] ausgedrückt wie das, was dem König zukommen soll und mit "schätzen", "ehren" umschrieben wird. 

Wir wissen wohl, was gemeint ist. Und wir sind uns ebenso bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit darstellt, auch für uns Christen nicht. Sonst müsste das nicht so klar in unserer Heiligen Schrift gesagt sein. An einem Ort, wo es um das "Leben als Bürger des Staates" geht. Beschrieben wird der Umgang mit allen Menschen, mit Seinesgleichen, mit Gott und der Obrigkeit.

Merkwürdig, wie es zu diesen Predigtworten kam: Der Bibelvers war als Schlusssatz eines Artikels in den Tageszeitungen vom 20. Juni 2016 zu lesen. Darin ging es um Hasspredigten, welche auf die Vernichtung von Minderheiten abzielten – das Billigste, was man tun kann. Gegen den Schluss wurde Papst Franziskus zitiert – wohlgemerkt in der weltlichen Presse –, der in einer ähnlichen Situation die Frage gestellt hatte: "Wer bin ich, um zu urteilen?" Und dann eben wird ganz natürlich Petrus 2,17 angeführt, diesmal mit der Übersetzung: "Ehrt Menschen von allen Arten, habt Liebe zur ganzen Bruderschaft, habt Gottesfurcht, ehrt den König."

Es ist so viel Hass in dieser Welt. Hass unter verschiedenen Parteien, unter – und vor allem auch in (!) – Religionen. Das ist bedrückend. Religion meint Gottes- und Menschenbeziehung. Das ist etwas sehr Tiefes und Schönes, etwas Beglückendes und Befreiendes. Wo es aber nur noch ums Rechthaben und um die Macht geht, da gibt es Kontroversen, Streitigkeiten, Zwietracht und Krieg. Der Sinn von Religion wird zerstört.
Jesus sagte deutlich: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr bei euch der Liebe Raum gebt." (Johannes 13,35)  Wie sollen Menschen erkennen, was das Christentum bedeutet, wenn wir uns in Kleinlichkeiten und in Streitereien verlieren, sogar unter – und auch in (!) – Konfessionen? Die Bibel ist ja so klar, und wenn in der Nachfolge Christi die Liebe dominiert, wird man die Jüngerschaft unter uns erkennen.
Es gibt keinen Grund, lieblos zu handeln. Wir dürfen und sollen Stellung nehmen zu Taten – und das müssen wir manchmal ganz entschieden tun! – aber wir sollen "das Kind nicht mit dem Bad ausschütten". "Gott lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute; er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte" (Matthäus 5,45). Daher fordert Jesus sogar die Feindesliebe. Damit geht er weit über alles Dagewesene in den Religionen hinaus. Allerdings kann das nicht Blauäugigkeit bedeuten. Denn damit können Menschen – Unschuldige – in erhebliche Gefahr gebracht werden. Das soll nicht sein!

"Behandelt alle Menschen mit Respekt, liebt die Brüder und Schwestern, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser!"

Ferienzeit, vor Jahrzehnten in England. Unterwegs das Auto an den Strassenrand abgestellt und Sumpfgebiet übersehen. Es beginnt rechtsseitig einzusinken. Der Schreck wird von Verzweiflung gejagt. Wie aus dem Nichts halten zwei Wagen an. Herbeigeeilte Fremde stemmen das kleine Gefährt hoch, lenken es strasswärts auf festen Grund und beeilen sich wieder fort, bevor der Dank richtig ausgesprochen werden konnte, der im beschenkten Herzen jedoch die Zeit überdauert.

Respekt für Alle, liebe Brüder und Schwestern in Christus, auch wenn wir nicht "zu Allem Ja und Amen sagen" können, wie es der Volksmund trefflich ausdrückt. "Ehrfurcht vor dem Leben", ein Begriff den Dr. Albert Schweitzer geprägt hat. Menschenrechte, Menschenwürde – Würde, wie es unser Predigttext uns lehren will!

Amen.



GOTTESDIENSTABLAUF

Orgel-Eingangsspiel

Grusswort: Im Namen Gottes, der da ist Vater, Sohn und Heiliger Geist, Amen. – "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr." (Jesaja 55,8)

Lied 243,1-4 ("Dir, dir, Jehova, will ich singen")

Gebet zur Sammlung (von Jan Hus):
Barmherziger Herr Jesus Christus!
Ziehe uns zu dir;
denn wenn du nicht führst,
können wir nicht folgen.
Gib uns einen starken und willigen Geist,
ein trotz aller Widerstände
furchtloses Herz,
um zu glauben und zu tun,
was recht ist.
Verleihe uns eine unerschütterliche Hoffnung,
damit wir um deinetwillen
vieles ertragen können.
Amen.

Lesung: Markus 9,38-39a.40
"Johannes sprach zu Jesus: Meister, wir sahen einen, der trieb böse Geister in deinem Namen aus, und wir verboten's ihm, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus aber sprach: Ihr sollt's ihm nicht verbieten. Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns."

Lied 243,5-6 ("Wohl mir, dass ich dies Zeugnis habe")

Predigttext: 1. Petrus 2,17
"Behandelt alle Menschen mit Respekt, liebt die Brüder und Schwestern, fürchtet Gott und ehrt den Kaiser!"
Selig sind, die das Wort Gottes hören, es in ihrem Herzen bewahren und darnach tun.

Kleines Orgel-Zwischenspiel

PREDIGT: "Respekt für Alle"

Orgel-Zwischenspiel

Gebet (Fürbitten und Unser Vater)
Du grosszügiger Gott, wir sind oft engherzig.
Dann ärgern wir uns über andere Christen.
Ihre Lieder, ihre Gebete, ihre Sprache
und ihre Aktionen sind uns fremd.
Ach, Gott, weite uns den Blick
für den Reichtum deiner Gedanken und Wege,
der du bist: "Unser Vater im Himmel ..."

Lied 247,1.2.9 ("Grosser Gott, wir loben dich")

Mitteilungen

Lied 350 ("Es segne uns der Herr")

Segen
Gott, der himmlische Vater, segne dich.
Er schenke dir gute Gedanken.
Jesus Christus leite dich auf dem rechten Weg.
Und der Heilige Geist bewahre dich
zum ewigen Leben.
Amen.

Orgel-Schlussspiel



Predigt RESPEKT FÜR ALLE im PDF-Format



 
last update: 29.08.2016