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Predigt vom 26. Juni 2011 in der Wasserkirche Zürich
und vom 10. Juli 2011 in der Kirche von Zürich-Saatlen, Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Zürich Vom Sinn des Lebens "Freut euch im Herrn allezeit! Nochmals will ich sagen: Freut euch! Lasst alle Menschen eure Freundlichkeit spüren. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern lasst in allen Lagen eure Bitten durch Gebet und Fürbitte mit Danksagung vor Gott laut werden. Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus." Philipperbrief 4,4-7 Liebe Gemeinde! Heute drängt es mich, mit Ihnen über den Sinn des Lebens nachzudenken. Ich habe dies als die häufigste Frage in der SMS-Seelsorge erlebt: "Wozu lebe ich?" – "Was ist der Sinn meines Lebens?" Dazu habe ich die Verse aus dem Philipperbrief ausgewählt, die zu Freude und Freundlichkeit, zu Gebet und Frieden aufrufen. Weil der Herr nahe ist. Wie ich dazu komme, mal über den Sinn des Lebens zu predigen? – Vielleicht hallt ein kleines, aber damals recht einschneidendes Erlebnis vom letzten Jahr mit. Auf dem Heimweg zwischen München und Zürich vernehmen die Fluggäste plötzlich die Stimme des Piloten, er habe eine schlechte Nachricht, die Maschine müsse zum Ausgangsflughafen zurückkehren – wegen einer kleineren Schadenmeldung. Es mache ja keinen Sinn, ein kaputtes Flugzeug in Zürich rumstehen zu lassen. Und er werde sich nach der Landung wieder melden. – Ob das wohl alles ist, schiesst es mir durch den Kopf? Kommt das gut, oder will man nur keine Panik an Board? Ist das gar der Anfang vom Ende?! Sie können sich ausmalen, was mir alles durch den Kopf ist. Von der Crew erblickte man sowieso niemand mehr. Und der Kaffee blieb auch aus. Und die merkwürdigen Geräusche auf dieser Flughöhe, das Aus- und Einfahren des Fluggestells zum Test, wie sich dann herausstellte, weil das funktioniere noch, nur das Lämpchen mache keine Anzeige mehr... Das ist mir alles gleich, ich will nur heil wieder runter und nach Hause kommen, denke ich. Es ist auch völlig egal, wann ich ankomme, Hauptsache, ich komme noch an! Jetzt sei nicht undankbar, kommt es mir plötzlich hoch, du konntest doch recht lange in Friedenszeiten leben, viel ausrichten und erleben... Ja, überhaupt, wenn es so stünde, was wäre dann meine letzte Nachricht gewesen? Genau, eine SMS-Nachricht an die Familie: "Ich konnte alles erledigen; es ist optimal gelaufen. Ich gehe jetzt von hier." – Ja, aber sooo definitiv war's dann also nicht gemeint! Aber ändern könnte ich auch nichts mehr, und aufs Ganze gesehen, es wäre durchaus eine positive Nachricht... Ach was, das Wichtigste: Ich versuche mich möglichst in Gott zu halten, ob ich lebe oder sterbe. Das wird wohl das Allerwichtigste sein. Dann bin ich allezeit im Bereich des Lebens. Durch Jesus Christus. – "Ich habe Angst", höre ich von nebenan sagen. "Ich auch", gebe ich bereitwillig zu. Das verdutzte Gesicht bleibt mir nicht verborgen... Es ist dann nochmals optimal gelaufen: Das Flugzeug setzte tadellos auf, der Pilot meldete sich tatsächlich wieder und meinte lakonisch: "Wer nun immer noch fliegen mag, begibt sich gleich ans Quick-Checkin, Sie werden umgebucht auf den nächsten Flug nach Zürich." Aha, Quick-Checkin, das gibt es also auch, hab ich nicht gewusst. Doch, doch, ich mache das, ich fliege gleich wieder; von einem Reiter, der vom Pferd gefallen ist, heisst es schliesslich auch, er sollte möglichst bald wieder rauf. – Beim Verlassen der Maschine sehe ich dem Piloten in die Augen und sage kurz, gut gemacht, worauf er antwortet: "Naja, ein kleiner Rundflug!" Kleiner Rundflug? – Für mich jedenfalls war's mehr: Es hat mir gezeigt, dass man im Leben oft grad nochmals nachfassen muss. Manche "Lismete" musste wieder ausgefädelt und sorgsam neu begonnen werden, das kenne ich vom Aufwachsen her. Und das Erlebnis zwischen München und Zürich im Verlaufe des vergangenen Jahres hat in mir tief eingewurzelt, worauf es in meinem Leben ankommt: auf das Sein in Gott. Zwischen Bangen und Hoffen, Ängsten und Dankbarkeit; ja, zwischen dem Erlebnis von Risiko und Bewahrung – dazwischen gibt es doch etwas, das tiefer trägt, das Sein in Gott, das in Frieden und Dankbarkeit mündet. Von dem will ich mich eigentlich nicht mehr trennen. Das möchte ich gerne beibehalten in meinem Leben, auch, wenn keine akute Gefahr droht, auch wenn ich mich sicher wähne. Sehen Sie, liebe Brüder und Schwestern, daher kommt meine latent oder manifest immer vorhandene Frage nach dem Sinn des Lebens. Ich bin zum Schluss gekommen, dass die Antwort immer wieder neu gesucht sein will, und dass sie jede und jeder auch sehr persönlich geben darf. Da hatte ich in der Zwischenzeit eine Hochzeitsfeier zu gestalten. Einer der Gesänge war "Kumbayah, my Lord, kumbayah", was von "Come by here, my Lord", also "Komm hierher, mein Herr" stammt. Komm hierher, eine Bitte, aber die Melodie tönt auch wie ein Loblied. Ich mag Lob- und Freudenlieder. Wir werden es nachher singen. Nach dem schönen Gottesdienst werde ich tatsächlich gefragt, wie ich für mich die Frage nach dem Sinn des Lebens beantworte? Ich verweise allen Ernstes auf das Lied, das in meinem Herzen nachhallt, und sage: Wir sollten das Gotteslob nicht vernachlässigen, und wir sollten seine Wirkung nicht unterschätzen. Und auch dass es allen zugute kommt! Wir mögen uns für die Liebe einsetzen, für die Gerechtigkeit und die Wahrheit, für Kunst und Schönheit, für Weisheit und Wissenschaft – wie jene drei Steinmetzen beim Münsterbau zu Freiburg im Breisgau ganz unterschiedliche Antworten gaben auf die Frage, was sie da machen? Der erste: "Ich haue Steine." Der zweite: "Ich verdiene Geld für meine Familie." Schliesslich der dritte: "Ich baue am Dom." Kommt mir der Luzerner Künstler Hans Erni in den Sinn, als er zum Glasfenster in der Kirche von Sihlcity gefragt wurde, warum er einen Pegasus, ein Pferd mit Flügeln, ins Bild getan habe? Ein solches existiere ja weder in der Bibel noch in der Natur... Worauf Erni einräumte: "Ja, ich weiss, das ist nur in der Mythologie, aber ich habe es hingetan, weil der Mensch Geschichten braucht!" Ach so, wir Menschen brauchen Geschichten. Ja, zur Sinndeutung, damit wir wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wir leben in Geschichten, die Sinn machen. Kommt hinzu, dass ich angefragt wurde, einen Workshop zur Weiterbildung zu leiten, mit dem Titel "Wie fit ist meine Seele?" – Spannend! – Ich bin drauf gekommen, dass es auf die Fitness der Seele einen grossen Einfluss haben muss, ob wir in einer guten Geschichte leben oder nicht? Und da möcht' ich Gott immer dabei haben. Im ganzen Spannungsfeld unseres Textes: "Freut euch im Herrn allezeit! Nochmals will ich sagen: Freut euch! Lasst alle Menschen eure Freundlichkeit spüren. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern lasst in allen Lagen eure Bitten durch Gebet und Fürbitte mit Danksagung vor Gott laut werden. Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken bewahren in Christus Jesus." Ein über 90-jähriger Freund raunt mir, bevor er in die Ferien geht, mahnend zu: "Ich bitte dich, rede mal mit dem da oben; es ist ja furchtbar, was alles auf der Welt geschieht!" Ja, was muss dieser Mann noch alles mitbeobachten auf der Welt, was man früher nie gedacht hätte! Ich hab mit "dem da oben" geredet wegen meinem Freund. Weil ER mit dazu gehört zu dieser Geschichte, in der ich lebe, und die mit dem Lobpreis Gottes immer wieder eine gute Geschichte sein darf. – Mit der Nähe unseres Herrn Jesus Christus dürfen wir uns in seinem Geist freuen und Freundlichkeit weitergeben. Da liegt das Gute nah. Wie der Volksmund sagt: "Warum denn in die Ferne schweifen, sieh das Gute liegt so nah!" Oder wie es bei Johann Wolfgang von Goethe heisst: "Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah! Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da." Durch Jesus Christus: Amen. last update: 09.07.2011
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