"Dies ist der Tag,
den der Herr gemacht hat;
lasst uns frohlocken
und seiner uns freuen!"
Heute ist der Tag, den der Herr gemacht hat. Wie denn, ist Schöpfung nicht ein für alle Mal geschehen? Ereignet sich Schöpfung täglich, stündlich, immerwährend? Macht Gott alles ständig neu? Dann haben wir immer wieder Grund zur Dankbarkeit und zur Freude!
Lasst uns frohlocken und seiner uns freuen! Wenn zu so etwas aufgerufen werden muss, dann war und ist es nicht selbstverständlich. Sind wir Sorgenkrämer geworden? Zieht uns das Negative mehr an als das Positive? Muss uns der Psalmensänger zur Fröhlichkeit anhalten?
Der wunderbare Vers 24 aus dem Psalm 118 darf nun in unsere Herzen hineinreden. Der Psalm 118 erfreut sich allgemeiner Bekanntheit, und wenn ich jetzt einige weitere Sätze aus ihm herausgreife, dann wecken sie bestimmt Erinnerungen:
"Danket dem Herrn, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewig!"
"Der Herr ist für mich, ich fürchte mich nicht;
was sollten mir Menschen tun?"
"Es ist besser, auf den Herrn zu vertrauen,
als sich auf Menschen zu verlassen."
"Ich werde nicht sterben, ich werde leben
und die Taten des Herrn verkünden."
"Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
der ist zum Eckstein geworden."
"Danket dem Herrn, denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewig."
Was Wunder, wenn dieser schöne und tiefe Psalm mit seinen einprägsamen Versen mannigfache Impulse für neue Lieder verlieh und zum Lieblingspsalm eines Martin Luther wurde! Der Reformator würdigte den Psalm einst mit den Worten:
"Es ist mein Psalm, den ich lieb habe, denn er hat sich auch redlich um mich gar oft verdienet, und mir aus manchen grossen Nöten geholfen, da mir sonst weder Kaiser, Könige, Weise, Kluge, Heilige hätten helfen mögen."
Der Reformator steht dazu, dass es in seinem Leben Situationen gab, in denen ihm weder die politische Führung (Kaiser, Könige) noch die wissenschaftliche Elite (Weise, Kluge) noch die religiöse Prominenz (Heilige) hätte helfen können. Der Psalm 118 hat es fertig gebracht. Er konnte Trost spenden und Hilfe vermitteln. Es gibt Lebenslagen, in denen wir allein entscheiden müssen und in denen Gott selber eingreifen muss, um alles zum Guten zu wenden. Da kann ein Psalm aus dem Alten Testament der Bibel Gold wert sein!
"Dies ist der Tag,
den der Herr gemacht hat;
lasst uns frohlocken
und seiner uns freuen!"
So sang die festlich versammelte Gemeinde im Gottesdienst. Die
gemeinsame Freude am Lobpreis Gottes machte den ganzen Tag zum
besonderen Tag des Herrn.
Wir Heutigen kennen das Fest von damals nicht mehr. War es ursprünglich
die Tempelweihe oder das Herbstfest?
Für uns Christen könnte der Psalm nicht zuletzt wegen Vers 24 ein
Osterpsalm sein, denn jenen Tag hat Gott ganz speziell zu unserer
Hoffnung
und Lebensfreude gemacht, und jede Sonntagsfeier bedeutet ein kleines
Osterfest,
ein kleines Fest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Das
Kirchengesangbuch
wendet die Worte "Dies ist der Tag, den Gott gemacht" auf den
Weihnachtstag
an, den Inbegriff des Neubeginns in Jesus Christus.
Wie dem auch sei, jeder Tag in Gott darf zu einem einmaligen Tag
werden. Jeder
Tag, an dem wir uns besinnen, in Dank, Bitte und Lob, erhält seine
Qualität
durch Gott. Es dreht sich nicht nur darum, dass Gott Zeit und Raum
eingerichtet
hat, sondern was sich darin ereignet. Es geht um die Lebensqualität,
um das, was die Bibel ewiges Leben nennt.
Der Psalmdichter stellt Gott uns als Tag-Macher, als Fest-Tag-Macher
vor.
Gott macht den Tag, und zwar nicht nur den astronomischen Tag, sondern
auch
den Tag als Erlebnis, als tiefes Erlebnis der Begegnung mit sich
selber, mit
der Gemeinschaft der Geschwister, mit Gott und seiner Schöpfung. Der
Tag darf auch in unseren Herzen anbrechen, und es darf Segen auf ihm
liegen.
Zeit ohne Gott ist tote Zeit, Zeit mit Gott ist lebendige Zeit. Darum
gilt
es Gott zu loben und den Tag zu nutzen. Wir haben eine Verantwortung,
denn
vertane Stunden und Tage können wir nicht zurückholen.
Dietrich Ritschl hat einmal gesagt, wir stellen uns die Zeit besser
nicht
als eine Gerade vor, nicht als einen dahin fliessenden Strom, sondern
als
Kreise wie die Blumen und die Bahnen der Gestirne. Wir bewegen uns in
Kreisen,
wenn wir am Morgen das Haus verlassen und wenn wir am Abend zurück
kehren.
Unser Erleben ist in diesen Kreisen aufgehoben. Durch den Lobpreis wird
die
Zeit zur Festzeit und das Leben zum ewigen Leben!
Abendstimmung am Lago Maggiore, bei Locarno
Foto: Jakob Vetsch, April 2003
last update: 29.08.2016