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Predigt zum Sonntag, den
27. Oktober 2013 in der St. Anna-Kapelle Zürich,
gehalten von Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Vom Tau-Kreuz Predigttext: Offenbarung 7,2-4 "Ich sah einen Engel vom Aufgang der Sonne emporsteigen. Der hatte das Siegel des lebendigen Gottes. Er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen aufgetragen war, Land und Meer zu zerstören, und sprach: Fügt Land und Meer und Bäumen keinen Schaden zu, bis wir die Knechte unseres Gottes mit einem Siegel auf der Stirn bezeichnet haben. Und ich vernahm die Zahl derer, die ein Siegel empfangen hatten, hundertvierundvierzigtausend waren es, die ein Siegel empfangen hatten, aus jedem Stamm der Söhne Israels." Liebe Gemeinde! Hundertvierundvierzigtausend Gläubige also erhielten das Siegel auf die Stirne. Das sind gemessen an den oberen Zehntausend recht viele. Man soll während der Predigt sicher nicht gelangweilt an die Decke schauen, das wäre gar nicht schön. Trotzdem möchte ich es Ihnen verraten, was man dann in der Matthäuskirche, in der ich einst wirkte und für die der Vater von Herrn Theo Gomringer, dem Gemeindeleiter von St. Anna, einst als Architekt gewirkt hatte; ja, ich möchte Ihnen sagen, was dort an der Decke zu sehen ist: Es sind 144 Holzkassetten, eben in Erinnerung an die Zahl der Auserwählten. Das ist schon etwas Spezielles, etwas Ergreifendes auch: Im 1950 erbauten Kirchenraum sitzen, und über den Köpfen diese Kassetten an der Decke und ihre besondere Zahl. Da wird einem so richtig das Gefühl vermittelt: Wir gehören dazu, wir sind beschützt, geborgen in der Gemeinschaft der Heiligen, weil wir verbunden sind mit Gott, denn er hat uns durch seinen Sohn Jesus Christus erlöst. Es sind in jenem Raum auch 12 Wandlampen in Erinnerung an die Zahl der Apostel. Und wenn man 12 x 12 rechnet, dann kommt man eben auf die Zahl der 144 Kassetten. Auf dem Vorplatz läuft man über ein schlichtes Christusmonogramm. Er, Jesus Christus, bildet das Fundament. Die Gläubigen also, die Erwählten, haben ein sogenanntes Tau-Kreuz, ein Siegel, auf die Stirne erhalten. Das hat nichts mit Heidentum oder mit äusserem Schmuck zu tun, sondern mit dem Segen. Die Gesegneten sind ja die mit einem positiven Zeichen Versehenen, die Signierten, Gezeichneten. Und das Zeichen ist das Kreuz, das Zeichen unseres gekreuzigt-auferstandenen Herrn Jesus Christus. Schon im Alten Testament wird es als ein Taw im Prophetenbuch Ezechiel genannt. Der Seher Johannes nimmt in seinem Buch der Offenbarung, dem letzten Buch des neutestamentlichen Kanons, Bezug darauf. Das Tau ist der 19. Buchstabe des griechischen Alphabets, und als Taw bildet es den letzten des hebräischen Alphabets. Es wird manchmal auch Antonius- oder Antoniterkreuz sowie ägyptisches Kreuz genannt, was auf die koptischen Christen zurückgeht. Die lateinische Sprache nennt es "crux commissa", "aneinandergefügtes Kreuz". In den Kulturen der Völker gilt es als ein elementares grafisches Symbol. Schon in der Steinzeit wurde es gemalt oder in Fels geritzt. Im Verständnis des Alten Orients stand das Tau-Zeichen für die Vollendung. Bereits die assyrischen Herrscher trugen es auf der Brust. Es hatte mit Göttlichkeit zu tun. Und dann eben kommt der Prophet Ezechiel und sagt, dieses Zeichen gehört den Gläubigen, denen, die sich aufregen wenn ganze Gesellschaften und Wirtschaften am ursprünglichen Sinn des Menschseins und an Gott vorbeileben; die sich aufregen, wenn gefrevelt wird an den Menschen und der Natur auf Erden und im Weltall. Denen gehört das Zeichen, und sie sollen verschont, behütet und geschützt sein. Die Gläubigen, die Streiter für die Wahrheit, die für Gott eintreten und Häme und Verfolgung nicht fürchten. Jenen gehört dieses Zeichen der Vollendung auf die Stirn gesetzt, jene sollen positiv gezeichnet, nämlich gesegnet sein! Das will Gott und sein Sohn Jesus Christus, das spricht der Heilige Geist. Die mit dem Tau gezeichnet sind, harren der Erlösung, die durch Jesus Christus schon geschehen ist. Die Kirche verwendete das Tau oft als Busszeichen, als Zeichen der Umkehr, der erneuten Hinwendung zu Gott und Jesus Christus. Besonders beliebt war es bei Franz von Assisi. Er segnete Menschen mit dem Tau. Seine Briefe unterschrieb er damit. Er pflegte es auf Häuser, Kapellenwände und Bäume zu zeichnen. Als sein Ordensgewand wählte er das Kleid der Bauern; dieses änderte er nur geringfügig im Schnitt, damit es der Form eines Taus ähnlicher war. Sein Biograf Celano schrieb einst zur Verwendung des Tau-Kreuzes durch Franz von Assisi: "Vertraut war ihm der Buchstabe Tau unter den anderen Buchstaben mit dem er Schriftstücke unterzeichnete und die Wände der Zellen dekorierte." "Mit diesem Zeichen unterschrieb der Heilige seine Briefe, jedes Mal wenn er aus einer Notwendigkeit heraus oder aus Liebe einige seiner Schriftstücke verschickte." "Er verehrte dieses Zeichen und war ihm sehr zugetan. Er empfahl es oft im Gespräch. Mit ihm leitete er seine Handlungen ein und er schrieb es eigenhändig unter die Schriftstücke, die er aus Liebe verschickte." Das Tau ist auch unter einem Segensspruch auf Pergament zu sehen, den Franziskus im September 1224 für seinen Schüler Bruder Leo aufgeschrieben hatte. Dieser trug den Segen des Franz zeitlebens mit sich. Das zeigt seine Bedeutung für ihn. Er war ihm lebenswichtig. Der Segen entspricht fast genau jenem aaronitischen Segen aus dem Alten Testament (Numeri 6,24-26). Er ist der älteste überlieferte Segensspruch der Bibel, und er wird bis heute in christlichen und jüdischen Gottesdiensten gesprochen. Wir kennen ihn: "Der Herr segne und behüte dich. Er zeige dir sein Angesicht und erbarme sich deiner. Er wende dir sein Antlitz zu und schenke dir den Frieden! Der Herr segne dich, Bruder Leo. (Kreuzsymbol)" Das Tau galt für Franziskus als das Zeichen der Erwählung. Beim Propheten Ezechiel steht das so aufgeschrieben. Der Herr liess die Gerechten mit einem Tau auf die Stirne kennzeichnen, sodass sie bei der Zerstörung Jerusalems unbescholten bleiben konnten. Ähnlich werden am Ende der Zeiten – nach der Offenbarung vom Seher Johannes – diejenigen befreit, die zu Christus gehören und mit dem Siegel gekennzeichnet sind. So verwendete Franz von Assisi das Tau als Zeichen der Rettung, der Erlösung durch die Kreuzigung und Auferstehung von Jesus Christus. Er sah in ihm ein Buss-, Sieges- und Lebenszeichen. Das Tau-Zeichen war schon in den Katakomben von Rom zu finden. Seine Form erinnert an das Kreuz von Jesus Christus. Wohl deshalb entstand der frühchristliche Brauch, sich zu Beginn des Gebets, der Arbeit oder einer Reise mit einem Kreuz auf die Stirne zu bezeichnen. Wir reformierte Christen stehen freilich dem Wort näher als dem Zeichen. Dieses weist ja nur auf das Wort und den Sinn hin. Wir billigen dem Zeichen auch keinerlei Automatismus zu. Es geht um die Prägung des Herzens. Dieses aber möchte sehr wohl zu Jesus Christus gehören, durch den die grosse Befreiung und Erlösung geschehen ist. Amen. GOTTESDIENST-ABLAUF Orgel-Eingangsspiel Grusswort: "Euer Schmuck sei der verborgene Mensch des Herzens. Den Herrn aber, Christus, haltet heilig in euren Herzen." (1. Petrus 3,4.15) Lied 161,1-4 ("Wunderbarer König, Herrscher von uns allen") Gebet zur Sammlung: Guter Gott Es sind nicht wenige Erwartungen, die wir dir gegenüber hegen: Dass du uns vergibst, wenn wir gefehlt haben. Dass du uns Gesundheit schenkst, wenn Krankheit uns bedroht. Dass du uns Frieden gibst, wenn Streit eingezogen ist. Dass du uns mit Gutem versorgst, wenn uns etwas fehlt. Dass du uns Harmonie bescherst, wenn uns Eintracht und Mass abhanden gekommen sind. Wir erwarten viel von dir. Du weisst es aber, bevor wir es sagen können. Du kennst, was wir brauchen, bevor wir es merken. Wir danken dir von ganzem Herzen. Und wir bitten dich jetzt in dieser Stunde noch um etwas ganz anderes: Dass du unsere Sinne und Herzen und unseren Geist frei machst, auf dich zu hören und dein Wort des Lebens zu empfangen. Amen. Lesung: Ezechiel 9,3.4 "Die Herrlichkeit des Gottes Israels aber hatte sich erhoben von dem Kerub, über dem sie gewesen war, hin zur Schwelle des Hauses. Und er rief den Mann, der in Leinen gekleidet war, der die Schreibertafel an seiner Hüfte trug. Und der Herr sprach zu ihm: Schreite mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem, und mache ein Taw-Zeichen auf die Stirn der Männer, die seufzen und stöhnen über all die Abscheulichkeiten, die in ihr begangen werden." Lied 570,1-4 ("Lobet den Herren alle, die ihn ehren") Predigttext: Offenbarung 7,2-4 "Ich sah einen Engel vom Aufgang der Sonne emporsteigen, der hatte das Siegel des lebendigen Gottes. Er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen aufgetragen war, Land und Meer zu zerstören, und sprach: Fügt Land und Meer und Bäumen keinen Schaden zu, bis wir die Knechte unseres Gottes mit einem Siegel auf der Stirn bezeichnet haben. Und ich vernahm die Zahl derer, die ein Siegel empfangen hatten, hundertvierundvierzigtausend waren es, die ein Siegel empfangen hatten, aus jedem Stamm der Söhne Israels." Kleines Orgel-Zwischenspiel PREDIGT: VOM TAU-KREUZ Orgel-Zwischenspiel Gebet (Fürbitten und Unser Vater): Herr, wir haben es gehört, dein Wort des Lebens, das du uns zusagst, und wir wissen es, wir dürfen mit dabei sein in deiner Gemeinschaft. Gestärkt bitten wir dich heute für alles Leben auf dieser Erde, für die Menschen, die Tiere und die Pflanzen, die du geschaffen hast: Beschütze und erhalte sie. Lass uns deinen Geist des Lebens atmen, damit wir loslassen, wessen wir nicht bedürfen. Lass uns annehmen, was wir brauchen und was du uns gibst. Mach uns frei. Um all das bitten wir dich, der du bist: UNSER VATER ... Lied 570,5-8 ("Gib, dass wir heute, Herr, durch dein Geleite auf unsern Wegen unverhindert gehen") Mitteilungen Lied 346,1-4 ("Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott, sei mit uns auf unsern Wegen") Segen Orgel-Schlussspiel last update: 25.10.2013
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