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Predigt
zum Sonntag, 16. Januar 2011, in St. Anna, Zürich
Pfarrer Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche, Zürich Predigttext aus dem Evangelium: Matthäus 5,21-26 "Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt wurde: Du sollst nicht töten! Wer aber tötet, der sei dem Gericht übergeben. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder zürnt, sei dem Gericht übergeben. Und wer zu seinem Bruder sagt: Du Trottel, der sei dem Hohen Rat übergeben. Und wer sagt: Du Narr, der sei der Feuerhölle übergeben. Wenn du nun deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dort einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, dann lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen und geh, versöhne dich zuerst mit deinem Bruder; dann komm und bring deine Gabe dar. Verständige dich mit deinem Gegner in einem Rechtsstreit unverzüglich, solange du mit ihm unterwegs bist, damit er dich nicht dem Richter übergibt und der Richter dem Gerichtsdiener und man dich ins Gefängnis wirft. Amen, ich sage dir: Du wirst von dort nicht herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast." Verständige dich!
Liebe Gemeinde Als ich mich nach einem Predigttext zum heutigen Sonntag umsah, habe ich einen Blick in die Materialien der bald beginnenden Gebetswoche für die Einheit der Christen geworfen. Dort habe ich die Worte des Evangeliums nachgelesen und schliesslich diese Auswahl getroffen. Wenn man sich so unverhofft einen Abschnitt der Bibel zu Gemüte führt, fallen einem oft vergessene oder verdrängte Stellen auf, und der Text redet ganz neu zu einem. Das ist spannend, herausfordernd auch. Es sind mir also einige Sachen aufgefallen, zu denen ich mir sonst wohl kaum Gedanken gemacht hätte. Diese Erfahrung pflanzte sich in der Auswahl des Titels fort. In der Zürcher Bibel heisst er: Vom Töten und von der Versöhnung. Ich habe mich für die beiden ersten Worte von Vers 25 entschieden: Verständige dich! Im Zeitalter von Twitter und Facebook, von Google und Wikipedia klingen die Worte ja so banal, so selbstverständlich: Verständige dich! Und doch möchte ich sie mit einem Ausrufezeichen versehen haben. Um sich verständigen zu können, muss man auch etwas verstanden haben. Es braucht Verstand dazu. Nicht nur Informationen. Und dieser Tiefgang fehlt uns heute oft. Wir leben eben auch in einer Zeit der Oberflächenmedien, wo vieles dementsprechend so bleibt. Da geht dann Jesus doch mehr ins Detail und lädt zum Tiefgang ein ohne den Bezug auf gleicher Ebene preiszugeben. Mit dem Ich-aber-sage-euch verschärft und vertieft Jesus das Gesetz und bricht der Selbstgerechtigkeit die Spitze: Ich habe schliesslich niemand umgebracht, sagt sich mancher, und wie schnell wird gedacht: Ich bin besser als viele andere. Ich habe niemand verletzt. Hab ich das? Wie schnell ist der Stinkefinger in Gedanken erhoben, ja vielleicht schon gar real gezeigt! Du Trottel, du Narr, wie schnell ist das gedacht oder bereits gesagt! – Und die unausgesprochene Hälfte des Satzes lautet: Ich bin besser als du. Oder: Du bist geringer als ich. Ha! Ätsch! Als Kinder haben wir die lange Nase dazu gezeigt, haben wir nicht? Jesus weiss, wo das Töten beginnt. Im Denken. Darum warnt er davor, dem Nächsten zu zürnen. Zorn bewirkt Gewalt. Als zweites lehnt er es ab, jemand einen Trottel zu nennen. Hinter dem griechischen Ausdruck Raka schwingt das aramäische Wort Reqa mit, das hohl, leer meint, also in diesem Zusammenhang etwa Hohlkopf bedeutet. Und wer drittens jemanden sogar einen Narren nennt, soll gar die Feuerhölle zu spüren bekommen. Das sind ja schöne Lehren, können wir jetzt denken, und das ist das Evangelium für den heutigen Tag – oder eben auch für die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Wem es vor dem Darbringen eines Opfers in den Sinn kommt, dass ihm jemand böse ist, der soll mit dem Opfer zuwarten, zum Nächsten gehen, sich mit ihm versöhnen und nachher sein Opfer im Tempel bringen. Versöhnung ist wichtiger. Versöhnung tut not. Nun die eindringlichen Worte: Verständige dich..., welche den Titel für diese Predigt hergeben. Schluck nicht runter, spei nicht raus, mache dich nicht auf und davon, fliehe nicht. Verständige dich. Und zwar mit dem Gegner. Mit dem Freund verstehst du dich ja schon. Und zwar so lange du mit ihm unterwegs und zusammen bist, später könnte keine Chance mehr kommen. Geh nie im Zorn von
deines Hauses Herd.
Es ging gar mancher, der nie zurückgekehrt. Von weiser Mutterhand gestickt habe ich diesen Vers sinnigerweise über dem Essenstisch einer Wohnküche gelesen. In unseren Abschnitt übertragen könnten wir es auch so ausdrücken: Trenne dich nie im
Zorn von einem Gegner.
Gar mancher tat's, der sich später gern versöhnt hätte. Wie dem allem auch sei, wir sind als Hörende zurückgeworfen auf uns selbst. Wie geht es uns mit uns selber? Sind wir versöhnte Menschen? Hat Christus Wohnsitz bei uns genommen? Übernehmen wir die Verantwortung für unser Leben, oder sind immer alle anderen oder die Umstände schuld an unserem Ungemach? Kennen und verstehen wir uns? Kennen und verstehen wir unsere Nächsten? Verständige dich, heisst es hier. Bleib nicht allein mit deinen Gedanken und Gefühlen. Rede mit dir. Rede mit deinen Nächsten. Mach aus deinem Herzen keine Mördergrube – wie wir es ja zu sagen pflegen. Die Sprache weiss ja noch so viel, das bei uns in Vergessenheit geraten ist. Verständige dich, heute würden wir sagen: Kommuniziere dich, rede drüber. Das ist manchmal unbequem. Wir müssen in Bewegung bleiben. Uns verändern. Wir brauchen das aber nicht zu fürchten, den Christus hält uns bereit, was wir brauchen. Das Wichtige ist nicht die Wahrung unseres Gesichtes, sondern dass wir in IHM bleiben. – Dieses Vertrauen stärkt uns. Es vertreibt die Angst. "Die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus." (1. Johannes 4,18) Blick auf den Türlersee Foto: Jakob Vetsch, 30. Juni 2009 An Weihnachten hat mir ein Freund die Geschichte der kleinen Pfütze aus dem Buch "Pflaumen im Apfelhimmel" von Peter Horton mit seiner Handschrift anvertraut: Es war einmal eine kleine Pfütze. Sie war von fröhlicher Gesinnung und fürchtete sich nur vor der Sonne. Wir freundeten uns trotz unserer Verschiedenheit ein wenig an. "Grüß Gott!" sagte sie zu mir, und ich konnte nicht umhin, das als ungewöhnlich zu empfinden. Bereit, sofort meiner Wege zu gehen, falls sie mich nur hätte narren wollen, fragte ich, wie sie darauf käme. Statt einer Antwort nahm die kleine Pfütze alle Kraft zusammen und spiegelte mir die ganze Weite des Himmels. Wir führten lange Gespräche über ihren Vater, den Regen, und auch darüber, dass sie sich vor der Sonne fürchtete. Vielleicht ist es mir gelungen, ihr diese Furcht zu nehmen. Sie wurde sehr nachdenklich, als ich ihr von der Weite des Meeres erzählte, vom Spiel seiner Fische und der glitzernden Freude in den Falten seines Angesichts. Ich erzählte auch, dass das Meer die Heimat und Geborgenheit aller Pfützen der Welt sei und alles Leben der Erde aus der Sonne käme; auch das Leben der Pfützen. Als der Abend aus dem Osten herbeieilte, als hätte er ein Rendezvous verschwitzt, stolperte er fast über die kleine Pfütze und mich. Wir waren so versunken in unserem wortlosen Gespräch, dass wir zu einem Teil der Landschaft geworden waren, die uns umfangen hielt. Als ich einige Tage später wieder vorbeikam an der Wohnmulde meiner kleinen Freundin, las ich in der über den Gräsern flirrenden Sonnenluft ihre Nachricht: "Du hast meine Sehnsucht geweckt. Als die Sonne mich umarmte, konnte ich nicht widerstehen und tanzte mit ihr empor zu den Pfaden der Wildgänse, die mir den Weg zeigen werden zum Meer. Komm bald! Und vergiss nicht - Grüss Gott!" Gebet zur Sammlung Liebender Gott Du hast uns gerufen, und wir sind deinem Ruf gefolgt. Du hast uns ins Leben gerufen, jede und jeder an ihren und seinen Ort in dieser Welt, damit wir auf dich hören, unsere Aufgaben erfüllen und unsere Wege gehen. Du hast uns am Morgen in diesen Tag hinein gerufen, der das Leben widerspiegelt in seiner Morgenfrische, in seiner Mittagsstärke und in seiner Abendmilde. Und du hast uns schliesslich zu diesem Gottesdienst gerufen, damit wir dir danken, unsere Bittgebete vor dich bringen, und deinen Namen loben und preisen. Wir danken dir für diese Rufe ins Leben von ganzem Herzen, o Herr! Und wir bitten dich um dein Wort, um deine Weisung, um deine Stärkung! Amen. Fürbittengebet Guter Gott Wir bitten dich heute ganz besonders um alle Menschen in Kriegssituationen, in Gewaltmechanismen, in Unterdrückung, in Streit und Angst – zeige du ihnen dass es eine Gerechtigkeit jenseits all der Ungerechtigkeit in diesem Leben gibt... Wir bitten dich für unsere Jugendlichen – zeige du ihnen, dass das Leben Ziele haben kann, dass es lebenswert ist und vor allem dass sie gebraucht werden... Wir bitten dich für alle Menschen in der Arbeitswelt und in der Freizeit – zeige du ihrem Leben Sinn und gib du ihnen Orientierung... Wir bitten dich schliesslich für alle älteren Menschen – zeige du ihnen, dass du ja noch so viel für sie bereithältst... Wir bitten dich für die Kirchen und die Gemeinschaften, dass sie dein Lobpreis und deine Segnungen weitertragen, mit Freuden, und darin nicht müde werden... Um all das bitten wir dich, der du bist UNSER VATER... last update: 14.02.2016 |