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Gottesdienst zum Eidg. Dank-, Buss- und Bettag, 21. September 2014 um 10 Uhr in der Wasserkirche Zürich

"Wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen"

Leitung: Pfr. Jakob Vetsch. Mitwirkende: Ursula Hauser, Orgel; Kirchenchor Wollishofen. Musikalische Leitung: Jutta Freiwald. "BACH Vater & Sohn" - Motetten von J. S. Bach & C.P.E. Bach anlässlich des 300.Geburtstages von C. P. E. Bach - J. S. Bach - "Jesu meine Freude" BWV 227 (nur Choräle) für gem. Chor und Continuo - C. P. E. Bach  - "Die Menschenliebe Jesu" Wq 208.4 für gem. Chor und Continuo

Lesung: Psalm 85,8-14
Lass uns, Herr, deine Güte schauen,
und schenke uns deine Hilfe.
Ich will hören, was Gott spricht;
der Herr, er verkündet Frieden
seinem Volk und seinen Getreuen,
damit sie nicht wieder der Torheit verfallen.
Nahe ist denen seine Hilfe, die ihn fürchten,
dass Herrlichkeit wohne in unserem Land.
Gnade und Treue finden zusammen,
es küssen sich Gerechtigkeit und Friede.
Treue sprosst aus der Erde,
und Gerechtigkeit schaut vom Himmel hernieder.
Der Herr gibt das Gute
und unser Land seinen Ertrag.
Gerechtigkeit geht vor ihm her
und bestimmt den Weg seiner Schritte.

Friedensgebet des Franziskus
Herr, mach' mich zu einem Werkzeug deines Friedens.
Lass mich Liebe bringen in den Hass,
Verzeihung in die Schuld
und Einheit in die Zwietracht.
Lass mich Wahrheit bringen in den Irrtum,
Glauben in den Zweifel
und Hoffnung in die Verzweiflung.
Lass mich Licht bringen in das Dunkel
und Freude in die Traurigkeit.
O Herr, lass mich mehr danach trachten
zu trösten als Trost zu finden,
zu verstehen als Verständnis zu erfahren,
zu lieben als Liebe zu kosten.
Denn im Geben empfange ich
und im Mich-Vergessen finde ich mich,
im Verzeihen erfahre ich Verzeihung
und im Sterben stehe ich auf zum ewigen Leben.
Amen.

Predigttext: Römer 8,22-28
Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt, bis zum heutigen Tag.
Doch nicht nur dies; nein, auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe empfangen haben, auch wir seufzen miteinander und warten auf unsere Anerkennung als Söhne und Töchter, auf die Erlösung unseres Leibes. Im Zeichen der Hoffnung wurden wir gerettet. Eine Hoffnung aber, die man sieht, ist keine Hoffnung. Wer hofft schon auf das, was er sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld.
In gleicher Weise aber nimmt sich der Geist unserer Schwachheit an, denn wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen; der Geist selber jedoch tritt für uns ein mit wortlosen Seufzern. Er aber, der die Herzen erforscht, er weiss, was das Sinnen des Geistes ist, weil er dem Willen Gottes gemäss für die Heiligen eintritt.
Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten dient, ihnen, die nach seiner freien Entscheidung berufen sind.

PREDIGT zum Thema: "Wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen." (Römer 8,26)

Liebe Gemeinde

Spannend wie unser Abschnitt aus dem Römerbrief, geschrieben vom Apostel Paulus, einem Glaubensmenschen, mit dem Wort "wissen" umgeht. Es kommt innerhalb dieser 6 Verse gleich viermal vor: "Wir wissen, dass die ganze Schöpfung seufzt." – "Wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen." – "Er weiss, was das Sinnen des Geistes ist." – "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten dient."

Es ist da nicht von Vermutungen und Annahmen oder einem verschwommenen Glauben die Rede, sondern von "wissen". Und das in einer frappierenden Offenheit. Gerade wenn wir die Entwicklungen in der Gesellschaft, in der Politik und unter den Religionen im Kleinen wie im Grossen verfolgen, stellen wir in den letzten Monaten eine enorme Verschärfung fest – weg von der Koexistenz und dem Frieden, hin zu Konfrontation und Intoleranz. Da können auch wir sagen: "Wir wissen, dass die ganze Schöpfung seufzt." Und manchmal ergeht es uns ob schockierenden Berichten auch so: "Wir wissen nicht, was wir eigentlich beten sollen."

Diese Offenheit des Apostels, diese Ehrlichkeit und Authentizität kann heilend wirken. Wir kennen auch die Sehnsucht nach Erlösung und Frieden. Und wir fragen uns ja auch oft, wie wir da noch beten können und was wir beten dürfen und sollen.

Mit einem Mal jedoch nimmt der Bibelabschnitt eine Wende, und es ist die Rede von der Hoffnung und vom Geist. Hoffnung sei schliesslich gar nicht das, was man sehe, sondern man hoffe auf das was man nicht sieht, und dazu brauche es Geduld. Eine Hilfe dabei ist der Geist, der sich der Schwachheiten annimmt – und Gott weiss, was sein Sinnen ist – bis zur Gewissheit, dass "denen, die Gott lieben, alles zum Guten dient."

Die Frage ist nun ob wir mit Paulus mitschwingen und uns auf den Geist einlassen können, ja, ob wir uns von ihm tragen, pflegen und erfüllen lassen? Das gelingt uns freilich nicht immer gleich. Auch wir, die wir die Botschaft hören, geraten in Unruhe und in Unzufriedenheit, zweifeln und verzweifeln zuweilen.

Nur wäre es – angesichts der Worte des Apostels und der Bibel – ein grosser Irrtum zu glauben, das geschehe erst in der heutigen Zeit so. Erstaunlich, wie brandaktuell die Worte Pauli zu uns reden, als ob sie geradezu für die heutige Zeit geschrieben wären, in der sich alles wieder einmal verschärft und die Friedensarbeit noch härter geworden zu sein scheint als sie es schon immer war.

Da wirken sie heilend, die Verse des Römerbriefes, und da fühlen wir uns verstanden, eben, sie sind authentisch, echt. Wir wissen manchmal wirklich kaum mehr, was wir beten sollen. In diesen Tagen schrieb ein Freund: "Wir beten nur dafür dass sich Gottes Wille erfüllt." Ja, die Bitte im "Unser Vater" die da heisst: "Dein Wille geschehe." So einfach hört sich das an. Im Alltag mit seinen Fragen, Sorgen und Ängsten ist es jedoch oft so schwierig umzusetzen.

Da ist es heilsam zu wissen, dass sich der Geist unserer Schwachheiten annimmt. Der Geist wehrt sich für uns. Er "tritt für uns ein mit wortlosen Seufzern" wie es da heisst. Man muss gar nicht alles in Worte fassen. Gott weiss woran uns mangelt, bevor wir ihn darum bitten. So sagte es Jesus in seiner Bergpredigt: "Euer Vater weiss, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet." (Matthäus 6,8) Und dann kommt das enorm kurze "Unser Vater". Da schwingen viel Vertrauen und Wissen mit.

Immer wieder haben wir in unserem Leben eine Chance, uns von vermeintlichen Schätzen zu lösen und zu jenen vorzustossen, welche uns nicht mehr genommen werden können. Und wenn uns dieser Zustand des Friedens und der Glückseligkeit in Liebe geschenkt wird – meist nur für kurze Zeit –, dann ist es ein Vorgeschmack auf jenes Leben dort in der Ewigkeit, wo wir einst ganz vom Glauben zum Sehen kommen.

Amen!


last update: 21.09.2014