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Predigt zum Tag der Kranken, 5. März 2006, gehalten von Pfr. Jakob Vetsch in der Kirche von Zürich-Matthäus SPRICH NUR EIN WORT ... Eingangsvers:
"Seid aber Täter des Wortes und nicht allein Hörer."
(Jakobusbrief 1,22) Wie es Ihnen mit dieser Erzählung Jesu ergeht, weiß ich nicht. Ich habe das Gleichnis immer beklemmend gefunden. Beklemmend deshalb, weil ich mich mit dem dritten Knecht zu identifizieren pflegte, dem es am Schluss so schlimm ergangen ist. Was hat er denn Böses getan? Er hat doch nur fein säuberlich und treu bewahrt, was er bekommen hatte, um es unversehrt wieder zurückgeben zu können! Mit besonderer Sorgfalt hat er das Erhaltene in einer Grube vergraben. Und bei der Wiederkunft des Herrn grub er es wieder aus und gab es ihm zurück. Nach damaligem rabbinischem Recht galt das Vergraben als sicherster Schutz vor Dieben. Wer ein Pfand gleich nach Empfang vergrub, war von der Haftpflicht befreit. Der dritte Knecht hat demnach äußerst gewissenhaft gehandelt. Und doch ist schlussendlich er derjenige, der nicht als guter und treuer Knecht gelobt, sondern als unnützer Knecht gescholten und in die Finsternis nach draußen gestoßen wird, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird! Das finde ich auf den ersten Blick nicht recht. Wenn es sich mit dem Reich Gottes so verhält, wie Jesus sagt, dann muss die Leihgabe, die der Knecht empfangen hatte, unendlich wertvoll gewesen sein! Und noch etwas: Wenn es sich mit dem Reich Gottes so verhält, wie Jesus sagt, dann muss auch die Zeit, die dem Knecht gegeben war, eine unendlich wertvolle Zeit gewesen sein! Ja, um das Anvertraute und um die Zeit geht es hier. Und eben darum geht es, was mit dem zur Verfügung Gestellten in der Zeit, die wir haben, ausgerichtet wird; das ist hier das Entscheidende. Wo also das Reich Gottes zur Diskussion steht, kommt es darauf an, was mit dem Erhaltenen in der Zeit passiert. Schauen wir uns die verschiedenen Knechte nochmals genauer an. Der Herr der Knechte verreist ins Ausland. Jeder der Drei erhält einen Anteil seines Vermögens, schön abgestuft nach Kräften und Fähigkeiten. Da ist der erste Knecht: Er bekommt fünf Talente zugewiesen, ein Riesenvermögen. Damit beginnt er zu wirtschaften, zu handeln, zu spekulieren. Er riskiert etwas und setzt etwas aufs Spiel. Und er gewinnt schließlich fünf weitere hinzu. "Recht so, du guter und treuer Knecht. Über weniges bist du treu gewesen, über vieles will ich dich setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn!" Dies ist sein Lohn. Nun der zweite Knecht: Der nimmt zwei Talente in Empfang, ein großes Vermögen. Auch er beginnt mit seinen Talenten zu wirtschaften, zu handeln, zu spekulieren. Auch er riskiert etwas und setzt etwas aufs Spiel. Und er gewinnt zwei weitere hinzu. Und auch er hört die Worte: "Recht so, du guter und treuer Knecht. Über weniges bist du treu gewesen, über vieles will ich dich setzen. Geh ein in die Freude deines Herrn!" Zu guter Letzt der dritte Knecht: Er nimmt ein Talent entgegen, ein Vermögen. Er setzt auf Sicherheit, geht hin, gräbt eine Grube und versteckt das Geld seines Herrn. Für ihn setzt es nach der Rückkehr des Herrn die Schelte ab: "Du schlechter und fauler Knecht, du wusstest, dass ich ernte, wo ich nicht gesät, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld bei den Wechslern anlegen sollen, so dass ich bei meiner Heimkehr mein Geld mit Zinsen hätte abheben können. Nehmt ihm darum das Talent und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird noch genommen werden, was er hat." Das ist der Unterschied zwischen diesen Knechten: Die ersten Beiden setzen das Geld ihres Herrn ein und vermehren es; der Dritte vergräbt es und bewahrt es sorgsam auf. Der Unterschied geht noch weiter: Die beiden Ersten denken an ihren Herrn, sie wollen ihm dienen und setzen das Geld ein. Dem Dritten ist die eigene Haut näher, er denkt an sich, setzt auf die eigene Sicherheit und lässt die Summe auf sich beruhen. Er riskiert nichts, und darum wird ihm auch das, was er hat, noch genommen. Vielleicht mögen wir fragen: Wie kann einer, der nichts hat, auch noch das verlieren, was er hat? Hier ist die Antwort: Wenn er das ihm anvertraute Gut, das ihm ja nicht gehört, nicht einsetzt und nichts tut damit, dann wird ihm auch das noch genommen werden. Er beraubt sich der Chancen, die er hat. Und was bringt uns nun dieses Gleichnis für den heutigen Tag der Kranken und für diese Woche? Ist das nur eine mehr oder weniger interessante Geschichte, ein Zeitvertreib, oder gehen diese Worte Jesu ans Lebendige? Verändern sie unser Leben? Ich meine, sie können es. Gerade wenn wir an das Beklemmende denken, das jenem Knecht widerfährt, und wenn wir uns das Freudenfest vor Augen führen, zu welchem diese Knechte eingeladen sind, gerade dann vermögen uns die Worte Jesu angesichts des aus ihnen sprechenden Ernstes zur Wachsamkeit aufrufen. Sie machen uns hellhörig, sie wecken uns und spornen uns zur Tat an. Dazu müssen wir aber noch etwas wissen: Ursprünglich wurde dieses Gleichnis von Jesus zu den Schriftgelehrten seiner Zeit gesagt, damit sie als Hüter des Gesetzes das lebendige Wort Gottes nicht unwirksam machen sollten. Mit dem Anvertrauten, das der Herr für eine gewisse Zeit vergibt, ist also zuallererst das Wort Gottes gemeint! Ursprünglich durch Jesus an die Schriftgelehrten gerichtet, richtet nun der Evangelist Matthäus das Gleichnis an die Gemeinde, dass sie nicht träge und untätig werden, dass sie sich nicht in lähmender Heilsgewissheit und in trügerischer Sicherheit wiege, dass sie dankbar sei und mit hellem Kopf wache und bete, ja dass sie die Zeit für die Umsetzung des Wortes Gottes nütze! Darum gedenken wir der Kranken, darum leisten wir Fürbitte für die Benachteiligten, darum tragen wir das Unsrige zum Gemeindeaufbau bei, jede und jeder mit ihren und seinen Kräften, Gaben und Möglichkeiten. Wir werden es nicht für selbstverständlich halten, dass uns das Wort Gottes gegeben ist, und wir werden uns mit Freuden in seine Geschichte hineinstellen, eine Geschichte zwischen Gott und Menschen, die immer noch am Tun ist. Wir werden "handeln" mit dem Wort Gottes und es nicht als Ladenhüter verkümmern lassen. Wir werden beten für und mit den Kranken, wir werden an sie denken, ihnen vorlesen, ihnen die Hände auflegen, sie segnen – und selber als Gesegnete unseren Weg weiterziehen. Wir werden das mit den uns anvertrauten "Talenten" tun, alle nach ihren Kräften, niemand darüber hinaus. Und es werden auf diese Weise die Talente vermehrt, und das Gute, das uns geliehen ist, wird anwachsen und ein Segen sein, der aus dieser Zeit in die Ewigkeit hineinreicht. last update: 14.08.2015 |