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EWIGKEITSSONNTAG
Jede Blüte will zur
Frucht, Auch der schönste Sommer
will Spiel dein Spiel und wehr
dich
nicht, Hermann Hesse
Predigten
Seligkeit
Heute muss ich Euch ganz am Anfang drei Beispiele erzählen: 1.) In der Südsee lebte ein alter Mann, seit Jahren krank und hilflos. Eines Tages schleppte er sich mühsam auf die Veranda seiner Grashütte, rief alle Dörfler zusammen und begann ein langes Lied zu singen, den Preisgesang seines Lebens. Er erzählte seinen Mitmenschen von all den vielen guten und schönen Dingen, die er im Laufe der Jahrzehnte hatte erleben dürfen. Gebannt lauschten die Inselbewohner. Als er fertig war, legten sie ihn in die Hütte zurück und flüsterten untereinander: "Seine Seele ist im Aufbruch..." An jenem Abend brachte ihm der Missionar von der benachbarten Mission einen Teller Suppe, einen ganz großen Teller voll dampfender Bohnensuppe. Der Greis griff zu; die Suppe schien ihm zu schmecken. Als er sie genommen hatte, wischte er mit der Linken über die Lippen, schmatzte zufrieden und legte den Löffel auf die Erde. Es sei das beste Süppchen gewesen, das er je gegessen habe, beteuerte er. Dann lehnte er sich zurück - und schlief ein. Er erwachte nicht mehr... Der Missionar war so gepackt, daß er vergaß, dem Alten die Sterbesakramente zu spenden. Im Nachhinein bereute er es nicht: "Ein Mensch", sagte er, "der am Ende seines Lebens seinem Schöpfer so froh und glücklich zujubelt, braucht keinen Trost mehr." 2.) Von einem lieben, frommen alten Lehrer stammen folgende Worte, die er zwei Wochen vor seinem Heimgang im Alter von 82 Jahren in seinen Kalender schrieb: "Der schönste Augenblick im Leben kann nur der Augenblick des Sterbens sein, denn nur da bin ich fähig, meinen Körper loslassen zu können. Und gerade das Loslassen muß man solange man lebt üben, sonst kann das Sterben nicht ohne Schwierigkeiten vor sich gehen, solange die Seele sich nicht vom Körper, von materiellen Anhäufungen und Besitz trennen will. Jedes Loslassen ist eine Art von Befreiung, bis man eben als Letztes auch den Körper loslassen kann." 3.) Von Karin E. Leiter (1956-2013), einer damals jungen, lebensfrohen Dichterin aus Österreich, die mit einer lebensbedrohenden Krankheit kämpfte, stammen folgende Worte: "Wer hat gesagt, Du seist
Tod-ernst, mein Freund? Soweit die drei Beispiele vom alten Mann in der Südsee,
vom
frommen Lehrer am Ende seines langen Lebens und von der
jungen
österreichischen Lyrikerin, deren Leben bedroht ist. Sie
merken,
worauf ich hinaus will: Meistens
verbinden wir den Tod mit Angst und Schrecken, weil wir in
diesem Leben
nur
sehen, was er uns nimmt - aber es gibt noch eine zweite,
unsichtbare
Seite,
und die betrifft das, was er uns gibt: die Vollendung und
Erfüllung des
Lebens. Zwischen diesen beiden Brennpunkten spielt sich
unser Leben ab;
zwischen
ihnen sind wir mehr oder weniger hin und her geworfen: Mal
sehen wir
das,
was uns genommen wird und leiden darunter mit großen
Schmerzen,
mal
kommt uns die große Chance des Unsichtbaren nahe - und wir
merken:
halt, die Vorausgegangenen schauen mit seligen und
freudigen Augen in
unsere
Tränenaugen hinein. Zwischen diesen Brennpunkten leben
wir, und
wir
tun gut daran, sie beide im Auge zu behalten, denn es
gehört
beides
zum Leben: das Weinen und das Lachen, das Gewinnen und das
Verlieren,
die
Trauer und die Freude. Wo nur eines von beiden da ist, da
gestaltet
sich
das Leben nicht echt, da wird am Leben vorbeigelebt. Auch
was unsere
drei
Beispiele anbelangt, dürfen wir sicher sein: diese
Einsichten,
diese
Haltungen waren nicht schon von Anfang an da, sondern sie
sind das
Ergebnis
eines langen oder intensiven Weges mit seinen Hoch und
Tiefs. "In der Welt habt ihr Angst; doch seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Er läßt uns nicht allein, und er ist bei uns in
lieben
Freunden, die uns verstehen und helfen, und in guten
Vorbildern, an
denen
wir Halt finden: Im alten Mann von der Südseeinsel, der
zur
vollkommenen
Dankbarkeit fand; im frommen Lehrer, der das Leben
loslassen konnte und
es
dadurch gewann; in der lebensfrohen Dichterin, die durch
alles Harte
hindurch, das ihr widerfährt, zur vollendeten Zärtlichkeit
gelangt. An solchen
Vorbildern im Glauben können wir uns festhalten und
orientieren.
Je
nach Lebenslage spricht mal dieser Leitstern zu uns, mal
jener. Wenn es
Menschen
sind, die ihren Weg im Glauben an Gott als Lebensweg
gefunden haben und
gegangen
sind, dann kommt ihre Kraft aus der einen und unendlichen
Kraftquelle:
der
Güte Gottes. Dann wirkt diese Kraft weiter, sie ist
unvergänglich.
Und sie verbindet uns mit diesen Vorbildern; sie verbindet
uns mit
Gott;
sie verbindet uns mit unseren Lieben, woimmer sie auch
seien; und sie
verbindet
uns untereinander, macht aus uns die Gemeinde Christi, die
uns
hält
und trägt, in der wir aufgehoben und geborgen sind. Da
herrschen
nicht
Einsamkeit und Verlorensein vor, nicht mal im Tod. Im
Gottesvolk des
Alten
Testamentes starb man nicht einfach, sondern man "legte
sich zu den
Vorfahren",
man "wurde versammelt zur Sippe". Der Einzelne war - im
Leben und im
Sterben
- aufgehoben in der Gemeinschaft. Menschen gingen, andere
kamen, das
Leben
verging, und es ging doch weiter. Die Gemeinschaft blieb
in jedem Fall
bestehen,
denn das Leben gründet in Gott.
Baum-Gleichnis
last update: 13.01.2023 |