Bruder Sonne
Altarbelichtung und
Achsenlicht Kirche Luven
Sommersonnenwende 08:00 Uhr
Foto: Gion Gieri Coray
Das Sonnenlicht verschwand, als Jesus auf Golgatha gekreuzigt
wurde.
So berichten die beiden Evangelisten Matthäus und Markus
übereinstimmend:
"Von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über die ganze
Erde
bis zur neunten Stunde." (Mat.27,45) Nach heutiger
Stundenzählung
vom Mittag bis nachmittags um drei Uhr Dunkelheit also. Die Erde
trauert,
wenn Jesus gekreuzigt wird im Weggewiesenen, Gedemütigten,
Unterdrückten,
Verkannten, im Stich Gelassenen, Geschmähten. Dabei ist sie
etwas
so Schönes, die Sonne.
Franz von Assisi
(1182-1226) widmete ihr
einen berühmt gewordenen
Gesang, den Sonnengesang.
Ich dachte
immer, den hätte er bei wunderbarem
Wetter an einem Sonntag verfasst, draussen auf den Wiesen, beim Gesang
der Vögel und dem Plätschern des Bächleins
im Ohr. Weit
gefehlt! Im letzten Lebensjahr, wegen seinen
Augenentzündungen,
die
ihn schier erblinden liessen, gerade durch eine schlimme Depression
hindurchgegangen,
verfasste er diese Verse. Kunststück, dass es ihm nachher
besser
ging,
bei diesem grossen geistlichen Geschenk. Die Sonne bedachte er mit
folgenden
Worten:
"Lob sei dir mein Herr mit deiner ganzen Schöpfung
vor allem mit dem Herrn Bruder Sonne
Er bringt uns den Tag und spendet uns Licht
Schön ist er und strahlend mit grossem Glanz
Von dir Höchster ein Zeichen"
Keck, wie er da beschrieben wird, unser Bruder Sonne, der das
nach
aussen
gerichtete, männliche Prinzip am Himmelszelt
verkörpert,
französisch
"le soleil". Zu deutsch könnten wir sagen "der Sonnerich",
oder
eben
mit dem Franz: Bruder Sonne.
In anderen Kulturen als Lebensprinzip verehrt und angebetet, weist
ihr die Bibel mit der Erschaffung erst am vierten Tage - nach dem
Licht,
dem Himmel, dem Land und den Pflanzen! - einen bloss zeichenhaften
Platz
zu: Sie soll als grösseres Licht den Tag beherrschen und zur
Bestimmung
der Zeiten dienen. Ja, wie Lampen hat Gott Sonne und Mond an den Himmel
gehängt, damit ganz klar erscheint, wer der Herr ist. "Bruder
Sonne"
darf Franziskus sagen, mehr nicht - aber auch nicht weniger!
Gotteshäuser wurden nach ihr ausgerichtet. Auf Christus wurde
sie bezogen, er ist die "Sonne der Gerechtigkeit". Und der Tag des
Herrn
ist der Sonn-tag. Lichtvolle Attribute werden ihm, Christus,
zugeordnet,
uns in seiner Nachfolge aber auch: "Alle, die Gott gehorcht haben,
werden
in der neuen Welt Gottes, ihres Vaters, so hell strahlen wie die
Sonne."
- Wer wollte das nicht!
last update: 22.08.2015