Tier und Wir
Nicht
der Adler der Mächtigen, nicht die Eule der Gelehrten,
auch nicht der Falke der Jäger, sondern die Taube mit dem
Ölzweig im Schnabel
ist zum Zeichen der Hoffnung auf endlichen Frieden auf Erden geworden.
Heinz Zahrndt
Möwen am Bodensee
Foto: Jakob Vetsch, 1991
Gott ist ein
Tierfreund
Das Lesen der Bibel macht deutlich, wie sehr
Menschen und
Tiere
gleichermassen in das Schöpfungs- und Erlösungswerk
Gottes
eingebunden
sind. Beide sind von Gott geschaffen und gesegnet worden, beide sehnen
sich
nach Befreiung und Erlösung. In allen Zeiten haben begnadete
Gottesmenschen dies erkannt und sind den Tieren dementsprechend
geschwisterlich begegnet. Die moderne wissenschaftliche Forschung
entdeckt heute die Bedeutung der menschlichen
Liebe zum Tier neu.
In der Bibel finden sich zahlreiche Stellen, die nach
Rücksicht und einem geschwisterlichen Umgang mit der Tierwelt
rufen.
Bibel voll Tierliebe
Nach dem ersten Schöpfungsbericht des Alten
Testamentes
wurde
der Mensch gleichentags mit den Landtieren geschaffen. Vom Sabbatgebot
soll auch das Vieh profitieren. Der Ochse soll während des
Dreschens fressen dürfen. Im Buch der Sprüche steht:
"Der
Gerechte erbarmt sich seines
Viehs." Der einzige biblische Hinweis auf den spielenden Gott betrifft
ein
Tier; in den Psalmen erfahren wir, er habe den Leviathan gebildet, um
mit
ihm zu spielen!
Und im Neuen Testament lesen wir, wie Jesus in einem Stall zur Welt
kommt;
bei seinem ersten "Stubenwagen" handelt es sich um eine Futterkrippe.
Auch
der erwachsene Jesus pflegte eine enge Beziehung zur Natur. "Er war bei
den
Tieren", heißt es geheimnisvoll in der Versuchungsgeschichte.
Gottesmenschen für Tiere
Besonders bekannt ist die innige Beziehung des heiligen Franz
von
Assisi (1182-1226) zu den Geschöpfen der Tierwelt. Er redete
mit
den
Tieren und predigte ihnen das Evangelium Jesu Christi. Seine
Verkündigung an die Vögel fand bei Antonius von Padua
die
Nachahmung mit der Predigt an die Fische, jene begnadeten
Geschöpfe, welche nicht auf die Arche Noah mußten,
um die
Sintflut zu überleben... Thomas von Celano berichtet
über den
Heiligen von Assisi etwas weniger Bekanntes: "Selbst gegen die
Würmlein entbrannte Franz in übergrosser Liebe, weil
er
vom Erlöser das Wort gelesen hatte: Ein Wurm bin ich, nicht
mehr
ein
Mensch. Deshalb pflegte er sie vom Weg aufzusammeln und legte sie an
einem
geschützten Ort nieder, damit sie nicht von den
Vorübergehenden mit den Füßen zertreten
würden."
Deutliche Worte für das Tier fand auch der Reformator Martin
Luther (1483-1546):
"Die Tiere sind eine Kreatur Gottes, und was Gottes Kreatur ist, das
darf
man nicht schändlich mißbrauchen, und wo du das
tätest,
so
würden sie zu dem Herrn, ihrem Gott, wider dich schreien, der
auch
sie
geschaffen hat und für sie sorgt. Aber manche Leute machen
sich
kein
Gewissen daraus, ihr Vieh hungern zu lassen oder zu quälen
oder zu
martern,
auch zu übermäßiger Arbeit zu peitschen und
zu zwingen.
Das
halte ich alles für Unbarmherzigkeit. Und wer unbarmherzig ist
wider
das Vieh, ist auch unbarmherzig gegen die Menschen. - Es sollte der
Jugend
scharf eingeprägt werden, daß sie hübsch
lernte Mitleid
haben
auch mit den Tieren, damit das Herz auch nicht kalt und lieblos gegen
die
Menschen würde."
Der Urwalddoktor, Theologe und Musiker Albert
Schweitzer (1875-1965)
fand
das Wort "Ehrfurcht vor dem Leben" intuitiv bei einer Fahrt auf dem
Ogowe
1915, also mitten im Ersten Weltkrieg. Es wurde zur grundlegenden
Einsicht
seines Denkens und zum Schlüssel für sein Tun,
für seine
Art,
Jesus nachzufolgen. "Die fundamentale Tatsache des
Bewußtseins
des
Menschen lautet: Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das
leben
will. Der denkend gewordene Mensch erlebt die Nötigung, allem
Willen
zum Leben die gleiche Ehrfurcht vor dem Leben entgegenzubringen wie dem
seinen...
Die Ehrfurcht vor dem Leben, zu der wir Menschen gelangen
müssen,
begreift
also alles in sich, was als Liebe, Hingebung, Mitleiden, Mitfreude,
Mitsterben
in Betracht kommen kann. Wir müssen uns von dem gedankenlosen
Dahinleben
frei machen." Wir wissen, daß im Spital von Lambarene viele
Tiere
lebten,
an denen Albert Schweitzer ganz persönlich gelegen war: Manche
hatte
er aufgezogen, manche vor Krankheit oder Tod bewahrt. Sie umgaben ihn
im
Spital. Auf seinem Schreibtisch hatten gar Ameisen ihre Wohnung; er
fütterte
sie auf der Schreibunterlage regelmäßig mit Fleisch.
Der
Konflikt,
den wir alle auch kennen, bleibt ihm rätselhaft und
schmerzlich.
Er
sagt: "Nun aber habe ich zu entscheiden, ob ich ihn (einen geretteten
Fischadler)
verhungern lasse, oder ob ich täglich so oder so viele
Fischlein
töte,
um ihn am Leben zu erhalten. Ich entschließe mich
für das
letztere.
Aber jeden Tag empfinde ich es als etwas Schweres, daß auf
meine
Verantwortung
hin dieses Leben dem andern geopfert wird."
In den 80-er Jahren gründete in Deutschland das Glauberger
Pfarrerehepaar Michael und Christa Blanke die AKUT, die
Arbeitsgemeinschaft Kirche und Tier
(Adresse: Friedhofsgasse 2, D-6475 Glauberg). Die beiden sind durch
Tiersegnungsgottesdienste,
welche zuweilen vom Fernsehen übertragen werden, und durch das
"Glauberger
Schuldbekenntnis" bekannt geworden, welches das Versagen der Kirche
beim
Schutz der Tiere anprangert und von zahlreichen Theologen unterzeichnet
wurde,
darunter Eugen Drewermann, Kurt Marti und Anton Rotzetter.
Derweil will Papst Johannes Paul II. (noch) nicht den Tieren predigen.
Der
Vatikan hat im Herbst 1993 die Bitte italienischer Franziskaner
abgewiesen, auch Hunde, Katzen, Schafe und andere Tiere auf dem
Petersplatz zu segnen.
Aus der Forschung
Die segensreiche Wirkung lieblicher Musik auf die
Milchproduktion
im Kuhstall ist seit langem bekannt.
Die Bedeutung liebevoller Behandlung für alle Lebewesen haben
in
den
80-er Jahren amerikanische Herzspezialisten erforscht. Sie
beobachteten, daß
neben den bekannten Risikofaktoren, die den Herztod des modernen
Menschen
beschleunigen (Rauchen, Streß, Übergewicht,
Bewegungsmangel
etc.),
immer häufiger der seelische Schmerz als Todesursache
auftritt. In
(allerdings
sehr fragwürdigen) Experimenten wurden Kaninchen mit einem
Futter
versorgt,
das übermäßig viel Cholesterin-Anteile
enthielt. Die
Infarktgefahr
bei den Tieren wuchs gewaltig. Nahezu alle zeigten nach wenigen Wochen
die
üblichen Symptome. Da wurden die Kaninchen in zwei Gruppen
aufgeteilt.
Beide bekamen weiterhin stark mit Cholesterin besetzte Nahrung. Aber
die
eine Gruppe der Tiere wurde mehrmals am Tag aus dem Stall geholt, auf
den
Arm genommen, gestreichelt und liebkost. Die anderen Tiere liess man
unbeachtet.
Das Ergebnis war frappierend: Der Cholesteringehalt blieb bei den
Tieren
beider Gruppen gleich hoch; aber jene, die sich geliebt
fühlten,
blieben
erstaunlich wohl dabei! Während den Tieren der anderen Gruppe
ein
rasches
Ende beschieden war, überlebten die Gestreichelten das
Experiment.
Für
die Wissenschafter stand fest: Glück, Zärtlichkeit,
Liebe,
Freude,
sind für Mensch und Tier Lebensretter, während
Unglück,
Ausgestoßensein
und Liebesentzug bei Überbelastung leicht zum Tode
führen.
Kurz
gesagt: Kummer und Schmerz sind Gift für das Herz! Erst durch
das
Du,
durch das Angenommensein, durch das Wissen, geliebt und
geschätzt
zu
werden, entwickelt der Körper genug Kräfte,
tödliche
Einflüsse zu überleben.
Im Sommer 1994 erreichte folgende Meldung aus Melbourne auch die
europäischen Medien: "Liebevolle Behandlung von Schweinen
fördert die Produktion. Das haben australische Forscher
herausgefunden. Wissenschafter in Melbourne berichten, Schweine seien
sehr sensible Tiere, die durch rauhe Methoden erheblichem
Stress ausgesetzt würden. Ein freundlicher Klaps dagegen
könne
Wunder wirken und sogar die Zahl der Ferkel steigern. Ein Programm mit
dem
Namen Pat a Pig (Streichle ein Schwein) soll den
Schweinezüchtern
Hinweise
zum richtigen Umgang mit ihren Schinkenproduzenten bieten."
Wenn am Anfang dieses Artikels die Tierliebe der Bibel beschrieben
wurde,
so dürfen wir also mit den Worten schließen: Und die
Bibel
hat
doch recht!
Jakob Vetsch, 1994
Literatur: Jakob Vetsch, Wolf und
Lamm, Predigten
über Tiere, 1984, Oesch Verlag, Zürich
Hund und Katze können Freunde sein
© Stana Vetsch, 2006
Glauberger
Schuldbekenntnis
Wir bekennen vor Gott, dem Schöpfer der Tiere,
und vor
unseren Mitmenschen:
Wir haben als Christen versagt, weil wir in unserem Glauben die Tiere
vergessen
haben.
Wir waren als Theologen nicht bereit, lebensfeindlichen Tendenzen in
Naturwissenschaft
und Philosophie
die Theologie der Schöpfung entgegenzuhalten.
Wir haben den diakonischen Auftrag Jesu verraten und unseren geringsten
Brüdern,
den Tieren, nicht gedient.
Wir hatten als Pfarrer Angst, Tieren in unseren Kirchen und Gemeinden
Raum
zu geben.
Wir waren als Kirche taub für das Seufzen der
mißhandelten
und
ausgebeuteten Kreatur.
Glauberg, Frühjahr
1988
Glauberger
Fürbitte
Wir beten zu Gott, dem Schöpfer:
Vater unser im Himmel,
wir bitten dich für unsere Brüder und Schwestern, die
Tiere:
geheiligt werde dein Name
in jedem Geschöpf, dem du das Leben geschenkt hast.
Dein Reich komme
zu den Tieren, denen im Reich des Menschen täglich Unrecht
geschieht.
Dein Wille geschehe
in der Ehrfurcht vor allem was lebt
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
das Brot der Bescheidenheit und nicht der Ausbeutung.
Und vergib uns unsere Schuld
an unseren älteren Geschwistern, den Tieren,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern,
die uns verachten, weil wir für die Tiere eintreten.
Und führe uns nicht in Versuchung,
deine Geschöpfe unseren Bedürfnissen
anzupassen,
sondern erlöse uns von dem
Bösen,
das uns von deinen Geschöpfen und damit von dir
trennt.
Denn dein ist das Reich
der Schöpfung
und die Kraft
der Auferstehung
und die Herrlichkeit
der Kinder Gottes.
In Ewigkeit.
Amen.
Glauberg, im
Frühjahr 1994
Aus dem
Kirchengesangbuch
Der Menschen und der Tiere Schar
erhältst du, Höchster, wunderbar;
wer kann dich gnug erheben?
Du Gott voll Gnade, voll Geduld,
erzeigest allen deine Huld,
die hier auf Erden leben.
Wie reich an Gnaden bist doch du;
du gibst den Menschenkindern Ruh
im Schatten deiner Flügel;
du sättigst sie mit Überfluß;
es strömt dein milder Segensguß
herab auf Tal und Hügel.
Lied 27,2 nach Psalm 36
Gebet für
die Tiere
O Gott, erhöre unsere heilige,
demütige Bitte
für
unsere Freunde, die Tiere, und ganz besonders für die
verfolgten
Tiere,
die überlasteten, hungerleidenden und für die grausam
behandelten Geschöpfe, die mit ihren Flügeln an die
Gitterstäbe ihrer Käfige
schlagen; und für diejenigen, die verjagt, verloren oder dem
Schrecken
und Hunger preisgegeben sind, sowie für jene, die
getötet
werden
sollen.
Wir bitten, Herr, für sie um dein Mitleid und um deine Gnade;
und
für
diejenigen, denen ihre Pflege obliegt, bitten wir um ein barmherziges
Herz,
weiche Hände und gütige Worte.
Schaffe aus uns, Herr, wahre Freunde unserer Tiere, mit denen wir den
Segen
deiner Grossmut teilen dürfen.
Amen.
Albert Schweitzer
Segen
aus der Ukraine - "tierisch"!
Gott schicke den Tyrannen Läuse,
den Einsamen Hunde,
den Kindern Schmetterlinge,
den Erwachsenen Wildschweine,
allen aber einen Adler,
der uns auf seinen Fittichen zu ihm trägt.
Ukrainischer Haussegen (leicht abgeändert)
Das
ist doch Paul!
Da sagen
ganz fremde Leute:
"Das ist doch Paul!"
und meinen den Hund,
mit dem ich spazieren gehe.
Ich habe die Leute
vorher noch nie
gesehen,
die aber Paul,
den Hund meiner Nachbarn,
den ich heute hüte.
Paul, die Leute und ich
wohnen seit Jahren
im selben Viertel
von Hamburg,
und doch
ist nur der Hund
den Leuten bekannt.
Das liegt wohl an mir?
Doris Lindenblatt
last update: 03.09.2015
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